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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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4. Diskurse <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung im Kontext <strong>der</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong><br />

den o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest funktionalisiert wird. <strong>Die</strong>ser <strong>in</strong>nergesellschaftliche Konflikt, <strong>der</strong> vom „Westen“ her<br />

kaum noch direkt bee<strong>in</strong>flussbar ist, stellt heute die Rezeptionsgrundlage aller „Menschenrechts- und<br />

Demokratisierungs-Fragen“ dar und wird vor allem auch im Wandel <strong>in</strong>nerfamiliärer Strukturen und <strong>der</strong><br />

Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gen<strong>der</strong>strukturen deutlich.<br />

Staatenbildung und Individualisierungsprozesse gehen, wie wir nicht erst seit Elias wissen, mit gesellschaftlichen<br />

Figurationsän<strong>der</strong>ungen und e<strong>in</strong>er daraus gründenden Psychogenes <strong>der</strong> Staatsgesellschaft <strong>in</strong>terdependent verbunden<br />

e<strong>in</strong>her. „<strong>Die</strong> mit den gesellschaftlichen Transformationsprozessen e<strong>in</strong>hergehende Heterogenisierung <strong>der</strong> Mittelschichten<br />

br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e Ausdifferenzierung und Pluralisierung von Lebensformen mit sich und schafft <strong>in</strong> den<br />

privilegierten Segmenten das Potential für Individualisierungsschübe.“ 551 Es wäre <strong>als</strong>o verfehlt, entwe<strong>der</strong> sich auf<br />

e<strong>in</strong>e materiell-strukturelle Analyse des gesellschaftlichen Wandels <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> und seit <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Iran</strong> zu beschränken, wie auch e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e ideengeschichtliche, Zwangsläufigkeiten vortäuschende (religionskundliche<br />

o<strong>der</strong> ideologiekritische) Perspektive <strong>der</strong> Vielschichtigkeit <strong>der</strong> Realitäten nicht gerecht werden kann.<br />

Daneben s<strong>in</strong>d weiter die traditionellen »herrschenden« Diskurse virulent und politisch wirksam und<br />

bestimmen e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> deutschen, e<strong>in</strong>en größeren Teil <strong>der</strong> europäischen und amerikanischen Außen- und Entwicklungspolitik.<br />

In das Zentrum ist dabei aus eher <strong>in</strong>nen- du machtpolitischen Gründen <strong>in</strong> den „westlichen<br />

Län<strong>der</strong>n“, vor allem <strong>in</strong> den USA, <strong>der</strong> Demokratie-Diskurs getreten, <strong>der</strong> das diskursiv nicht vertiefte Antikommunismus-Stereotyp<br />

<strong>als</strong> Leitl<strong>in</strong>ie außenpolitischen Handelns abgelöst hat, damit aber zu erhöhter öffentlicher<br />

und publizistischer – kontroverser – Aufmerksamkeit und Kontrolle führte, so dass von e<strong>in</strong>er stärkeren öffentlichen<br />

Diskurse<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung und e<strong>in</strong>en deutlicheren Bezug auf die Topoi <strong>der</strong> eigene <strong>Politischen</strong> Kultur ausgegangen werden<br />

kann. Weniger diskursiv durchdrungen s<strong>in</strong>d Leitl<strong>in</strong>ien des außenpolitischen Handelns, die sich pragmatisch am<br />

angenommenen ökonomischen Nutzen und Interesse orientieren. In <strong>der</strong> Begründung und Legitimation e<strong>in</strong>er solchen<br />

politischen Ausrichtung werden <strong>in</strong>nenpolitisch die Diskurse <strong>der</strong> Globalisierung, <strong>der</strong> so genannte Standort-Diskurs<br />

und die diskursiv problematische These von <strong>der</strong> Identität von Demokratiepostulat und Wirtschaftsliberalismus<br />

angesprochen. Nur letzterer Kontext berührt die hier <strong>in</strong> Frage stehenden Menschenrechts-Diskurse, wenn auch eher<br />

<strong>in</strong>direkt und im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Schwerpunktverschiebung h<strong>in</strong> zur Perspektive <strong>der</strong> Gruppen<strong>in</strong>teressen. Aber gerade diese<br />

Tendenz ist, wie wir schon ausgeführt haben, typisch für die Diskursentwicklung <strong>der</strong> Gegenwart, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich<br />

Anzeichen e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Fragmentierung wi<strong>der</strong>spiegeln.<br />

4.4. Emanzipation – Frauen <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> – Fem<strong>in</strong>ismus<br />

4.4.1. 1. April: Jahrestag <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong> – Schwarze<br />

Šadors – blutige Stirnbän<strong>der</strong>: Schlüsselproblem »Frau und Religion«<br />

4.4.1.1. <strong>Die</strong> verschleierte politische Aktivist<strong>in</strong>: Skandalon für den<br />

westlichen Frauen-Diskurs<br />

Am Jahrestag <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> demonstrieren die Volksmassen <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>. Beson<strong>der</strong>s auffällig und<br />

für westliche Beobachter schwer e<strong>in</strong>zuordnen ist die Teilnahme e<strong>in</strong>er großen Zahl von Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorgeschriebenen<br />

Kleidung, dem Šador, jedoch offensichtlich ganz persönlich engagiert für die Ziele <strong>der</strong> islamischen<br />

<strong>Revolution</strong>:<br />

„Seit den frühen Morgenstunden hatten sich am <strong>Die</strong>nstag Ströme von Kundgebungsteilnehmern aus den<br />

ärmlichen Vorstädten im Osten Teherans die acht Kilometer lange Straße <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong> entlang zum Platz<br />

<strong>der</strong> Freiheit ergossen. Aus den Menschenmassen erschollen Rufe zum Ruhm <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong>, gelegentlich<br />

unterbrochen von antiamerikanischen Slogans. <strong>Die</strong> Demonstranten, darunter große Scharen schwarz vermummter<br />

Frauen, trugen Plakat-Porträts des <strong>Revolution</strong>sführers und des Präsidenten. Mit dem Zug trotteten<br />

Soldaten. An viele <strong>der</strong> Bajonette waren rote Nelken geheftet. Ganze Busladungen mit Versehrten des<br />

revolutionären Kampfes gegen den Schah stießen zu den Marschsäulen, <strong>der</strong>en größte an <strong>der</strong> besetzten US-<br />

Botschaft vorbeizog, wo nichts Ungewöhnliches zu beobachten war.“ 552<br />

Irritierend und <strong>in</strong> den Interpretationsmöglichkeiten mehrdeutig wirkt die beson<strong>der</strong>e Erwähnung <strong>der</strong> aktiven<br />

Beteiligung durch den Šador tief verhüllter Frauen an dieser Demonstration. E<strong>in</strong> weiterer Bericht wirkt schon fast<br />

wie die Beschreibung e<strong>in</strong>er »Familienveranstaltung«. Wi<strong>der</strong>sprüchlich wird diese Wahrnehmung, wenn e<strong>in</strong>erseits<br />

die »Verhüllung« <strong>der</strong> Frauen, die mit dem Sittengesetz des Islam <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht wird und die <strong>in</strong><br />

»westlicher« Sicht zu den Diskrim<strong>in</strong>ierungen und Ausschließungen <strong>der</strong> Frau <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er patriarchalischen Gesellschaft<br />

gezählt und <strong>als</strong> »Skandalon« gewertet wird, <strong>in</strong> den Beschreibungen betont, die gewollte »Öffentlichkeit« <strong>der</strong><br />

Situation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Massendemonstration aber <strong>als</strong> Selbstverständlich h<strong>in</strong>genommen wird.<br />

„Mit dem Paradeschritt klappt es noch nicht ganz, doch darauf kam es auch nicht an. In Teheran wurde am<br />

<strong>Die</strong>nstag <strong>der</strong> erste Jahrestag <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n Republik <strong>Iran</strong> gefeiert. Abordnungen des von Ayatollah Ruhollah<br />

551<br />

Renate Kreile: „Der Islam ist die Lösung“. Das Verhältnis <strong>der</strong> Geschlechter und se<strong>in</strong>e Instrumentalisierung. Frauen zwischen<br />

alten Beschränkungen und neuen Horizonten. Bürger im Staat. Heft 3/98: Der Vor<strong>der</strong>e Orient.<br />

http://www.lpb.bwue.de/aktuell/bis/3_98/bis983j.htm<br />

552<br />

Frankfurter Rundschau, 02.04.80 Archiv-Nr. 00402F01.<br />

251

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