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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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5. Fazit und Ausblick: Diskursive Didaktik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ‚gedachten Praxis‘ e<strong>in</strong>es verän<strong>der</strong>ten Politikunterrichts<br />

Da nun die würdigste Familie unter den Koreischiten die des Propheten selber war, beschränkte sich <strong>der</strong> Kreis<br />

auf die direkten Nachkommen, die Aliden. Hieraus ergab sich <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>e gesellschaftliche Ehrgeiz, <strong>als</strong><br />

Nachkomme des Propheten (Sayyid) zu gelten. Es dauerte nicht lange, bis die demokratische Grundlage des<br />

frühen Islam <strong>in</strong> Vergessenheit geriet und die arabische Sozi<strong>als</strong>truktur, die e<strong>in</strong>st auf Stammesgleichheit und<br />

Zusammenhalt beruhte, <strong>in</strong> Schichten aufgeteilt wurde.<br />

Was <strong>als</strong> Gottesstaat begonnen hatte, verwandelte sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Reich und nahm die politische Denkweise aller<br />

imperialistischen Staatsgebilde an«. 684<br />

Wichtig ist die Erkenntnis, dass sich die beiden nun existierenden Richtungen des Islam <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />

Regionen und mit Gläubigen unterschiedlicher Herkunft entwickelten und ausbreiteten. <strong>Die</strong> Sunna wurde<br />

repräsentiert von <strong>der</strong> alten Mekkaner Oberschicht, den Etablierten <strong>der</strong> Religionsentwicklung. <strong>Die</strong> Šia wurde die<br />

Religion <strong>der</strong> Nicht-Etablierten, <strong>der</strong> Nicht-Araber, <strong>der</strong> Außenseiter. Das lässt sich mit mo<strong>der</strong>nen Begriffen mit den<br />

Interpretationsansätzen von Norbert Elias 685 erklären. Historisch bedeutet das, dass nach den „vier rechtgeleiteten<br />

Kalifen“ <strong>in</strong> Mekka – <strong>der</strong>en letzter Ali gewesen ist, sich auf Muawiya die Kalifen-Dynastie <strong>der</strong> „Sunna“ <strong>in</strong> Damaskus<br />

gründete, während Husse<strong>in</strong>s Nachkommen <strong>als</strong> Imame <strong>der</strong> Šia <strong>in</strong> Iraq und an<strong>der</strong>en östlichen Landesteilen<br />

herrschten, z.T. auch Bevölkerungsm<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten vertraten.<br />

Sozialpsychologische Folgen des „islamischen Schisma“<br />

Festzuhalten ist, dass die beiden Richtungen des Islam nicht wegen Konflikten <strong>in</strong> den Glaubens<strong>in</strong>halten entstanden<br />

ist, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung um die legitime Nachfolge des Propheten, bei <strong>der</strong> sich im Kernbereich und<br />

bei <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Muslime die alte Mekkaner Oligarchie durchsetzte, <strong>der</strong> die Außenstehenden vorwarfen, dass<br />

sie aus Gründen von Macht und E<strong>in</strong>fluss, nicht aber aus dem Vertrauen <strong>der</strong> muslimischen Geme<strong>in</strong>de ihre Position<br />

gesichert hatte.<br />

<strong>Die</strong> Angehörigen <strong>der</strong> „abtrünnigen“ Šia fühlten sich immer <strong>als</strong> die Ausgestoßenen. Der Tod von Husse<strong>in</strong>, den<br />

sie <strong>als</strong> legitimen Nachfolger Muhammads verehrten, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schlacht von Kerbela war <strong>in</strong> ihren Augen e<strong>in</strong> Martyrium,<br />

das unmittelbare Folgen für das religiöse Selbstverständnis und die Maßstäbe an das eigene richtige Verhalten hatte.<br />

<strong>Die</strong> Doppeldeutigkeit des Mythos von Kerbela – »Hoseyn <strong>als</strong> Vermittler – Hoseyn <strong>als</strong> Vorbild« – wird von Mary E.<br />

Hooglund 686 ausführlich dargestellt und begründet.<br />

Es handelt sich um das Gegensatzpaar „Erleiden“ o<strong>der</strong> „Aufopfern im Martyrium“. Neide Verhaltensoptionen<br />

s<strong>in</strong>d aber an Todesvorstellungen orientiert, die – wie schon erwähnt – von Gholamasad <strong>als</strong> „nekrophil“ bezeichnet<br />

werden.. So unterscheiden sich auch die Verteidigungs- und Angriffsformen von Sunna und Šia. Während für die<br />

Sunna <strong>der</strong> offene Kampf maßgeblich ist – oft mit „djihad“ 687 gekennzeichnet – ist für die Šia <strong>der</strong> verdeckte Wi<strong>der</strong>stand,<br />

das Suchen des Märtyrertodes kennzeichnend. Ihre weltgeschichtlich bekannteste Ausformung hatte die<br />

Funktionalisierung des Märtyrertums <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Šia <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewegung <strong>der</strong> Assass<strong>in</strong>en, die ausgehend vom Berge<br />

Alamut im Elburz-Gebirge mit terroristischer Gewalt e<strong>in</strong>en Gottesstaat erkämpfen wollten. 688 Wie ist das unter religiösen<br />

Gesichtspunkten zu verstehen? Der Mythos des Martyriums von Husse<strong>in</strong> bietet – e<strong>in</strong>gegangen <strong>in</strong> die Mentalität<br />

e<strong>in</strong>er <strong>Politischen</strong> Kultur – die Verhaltensmuster an, die den Märtyrertod <strong>als</strong> „gutes“ und „erstrebenswertes“<br />

Verhalten klassifizieren – nicht jedoch die oberflächliche Vorstellung von dem Paradiesesversprechen im Q‘orân..<br />

In <strong>der</strong> Sunna hat dieser politische Mord bis <strong>in</strong>s 20. Jahrhun<strong>der</strong>t h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e ausgesprochene Tradition. Erst die politischen<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen um die Staatenbildung im Nahen Osten nach dem Ersten Weltkrieg – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Paläst<strong>in</strong>a-Konflikt – greift auf die Verhaltensmuster des politischen Mordes, <strong>der</strong> Selbstmordattentäter – zurück,<br />

nach <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> auch aktiv geför<strong>der</strong>t von <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n Republik. Aber <strong>in</strong><br />

684 Sayyid Fayyaz Mahmud, Geschichte des Islam. München 1964 (Goldmann), S. 95-96,]<br />

685 Elias, Norbert / Scotson, John L., 1993: Etablierte und Außenseiter. Frankfurt am Ma<strong>in</strong>.<br />

686 a.a.O.<br />

687 Dabei ist zu berücksichtigen, dass <strong>der</strong> „djihad“, <strong>in</strong>s Deutsche übersetzt, oft missverständlich <strong>als</strong> „Heiliger Krieg“ bezeichnet<br />

wird, e<strong>in</strong>em Begriff, <strong>der</strong> mit den Kreuzzügen erst vom „christlichen Abendland“ <strong>in</strong> die arabische Welt getragen wurde, nur<br />

im äußersten Fall die Verteidigung des Glaubens mit <strong>der</strong> Waffe bezeichnet (<strong>der</strong> „kle<strong>in</strong>e djihad“), son<strong>der</strong>n vor allem das<br />

Bemühen um eigene Rechtgläubigkeit bezeichnet (<strong>der</strong> „große djihad“). In den „antiwestlichen Kriegen“ des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

haben arabische Kämpfer sich <strong>der</strong> europäischen Bedeutung des „heiligen Krieges“ angepasst (Saddam Husse<strong>in</strong>, Al-Quaida<br />

u.a.).<br />

688 Vgl. dazu die Gesamtdarstellung <strong>in</strong> Lewis, Bernard, 1993: <strong>Die</strong> Assass<strong>in</strong>en. Zur Tradition des religiösen Mordes im radikalen<br />

Islam. München (Sammlung Piper 1572) {engl. The Assass<strong>in</strong>s. A Radical Sect <strong>in</strong> Islam. London 1967} – <strong>Die</strong><br />

Überlieferungen über diese Šiitische Sekte s<strong>in</strong>d dürftig, da ihre Dokumente nach dem Sieg <strong>der</strong> Mongolischen Eroberer<br />

vernichtet und anathematisiert wurden. Auf <strong>der</strong> Bergfestung Alamut f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong>e Ehrentafel <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> gehauen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die<br />

Namen von Kämpfern, die den Märtyrertod erlitten hatten, und ihrer meist prom<strong>in</strong>enten Opfer festgehalten s<strong>in</strong>d. Der erste<br />

bekannte politische Mord im Auftrag des Anführers <strong>der</strong> Assass<strong>in</strong>en, Hassan, war <strong>der</strong> am Großwesir Nizam-ul Mulk von<br />

Esfahan, dessen Grab <strong>in</strong> <strong>der</strong> dortigen Freitagsmoschee besichtigt werden kann. Hassan und Nizam sollen <strong>der</strong> Überlieferung<br />

nach Studienfreunde gewesen se<strong>in</strong>. – Typisch für das Verhalten <strong>der</strong> Selbstmordattentäter (Selbstmord <strong>in</strong> <strong>der</strong> damaligen Zeit<br />

war die bereitwillige Verhaftung mit <strong>der</strong> Verurteilung zum Tode) war, dass sie auf Befragen auch unter <strong>der</strong> Folter angebliche<br />

Mitwisser und Komplizen verrieten, die, wie sich dann später herausstellte, gerade die erbittertsten Gegner <strong>der</strong> Assass<strong>in</strong>en<br />

gewesen waren..<br />

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