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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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3. <strong>Die</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong><br />

In <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Safawiden orientieren sich die Herrschaftsbemühungen des Hofes erstm<strong>als</strong> an zeitlich<br />

parallelen europäischen Staatenbildungsprozessen, <strong>in</strong>dem über Handel und politische Zentralisierung e<strong>in</strong>e stärkere<br />

Zentralisierung und damit e<strong>in</strong> Schritt zur Bildung e<strong>in</strong>es Staates getan werden soll.<br />

Dass dabei die Durchsetzung des Steuermonopols e<strong>in</strong>e große Rolle spielt, wurde am europäischen Beispiel<br />

schon erläutert. <strong>Die</strong> iranische Gesellschaft hat diese Ansätze jedoch nicht umgesetzt, wie das Scheitern <strong>der</strong><br />

Zentralisierung des Münzwesens, <strong>als</strong> ersten Schrittes e<strong>in</strong>er effektiven zentralen Wirtschafts- und Steuerverwaltung,<br />

unter Šah ‘Abbâs dem Großen zeigt:<br />

„Um den Handel zu stützen, versuchte ‘Abbâs, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Münzsystem e<strong>in</strong>zuführen: <strong>Die</strong> Münzen<br />

wurden nach dem Herrscher ‘abbâsî genannt und hatten pro Stück den Wert von 200 dînâr bzw. e<strong>in</strong>em<br />

mithqâl (4,6 Gramm Silber). E<strong>in</strong> tûmân hatte jetzt den Wert von 10.000 dînâr, <strong>als</strong>o 50 ‘abbâsî. Zur Zeit<br />

Ghâzân Khâns, zu Beg<strong>in</strong>n des 14. Jahrhun<strong>der</strong>ts, hatte e<strong>in</strong> dînâr den Wert von drei Silber-mithqâl, während im<br />

17. Jahrhun<strong>der</strong>t 3 ‘abbâsî, gleich 600 dînâr, ebenfalls noch drei Silber-mithqâl aufwogen. In dieser<br />

rückschauenden und vergleichenden Betrachtung sehen wir, wie <strong>der</strong> Wert des dînâr <strong>in</strong> 300 Jahren verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

wurde. Der Versuch, e<strong>in</strong>e Münze<strong>in</strong>heit festzulegen, scheiterte übrigens im <strong>Iran</strong> des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

zirkulierten neben den ‘abbâsî Münzen verschiedener Währungen, auch türkische und europäische, ja <strong>der</strong> Kurs<br />

schwankte sogar <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Prov<strong>in</strong>zen“ (Bausani 1965: 143).<br />

Unter <strong>der</strong> Voraussetzung dieser Vorüberlegungen ist es nun möglich, die historischen Perspektiven e<strong>in</strong>es im<br />

Unterricht zu vermittelnden Geschichtsbildes für die iranische Geschichte sachgerechter e<strong>in</strong>zuordnen und daraus<br />

didaktische Konsequenzen zu ziehen. Wir folgen exemplarisch dabei wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Glie<strong>der</strong>ung und Darstellung im<br />

Schülerreferat.<br />

Das Staatse<strong>in</strong>kommen<br />

Der Begriff »Staatse<strong>in</strong>kommen« im Abschnitt-Titel belegt unsere schon mehrfach ausgesprochene Vermutung, dass<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler selbstverständlich von e<strong>in</strong>em mo<strong>der</strong>nen Staatsbild bei <strong>der</strong> Beschreibung historischer<br />

Herrschaftsverbände ausgehen. Folgt man <strong>der</strong> Elias’schen Zivilisationstheorie, ist neben <strong>der</strong> Durchsetzung des<br />

Gewaltmonopols vor allem die Durchsetzung des Steuermonopols die Geburtsstunde des mo<strong>der</strong>nen Staates und<br />

damit für die Entwicklung e<strong>in</strong>er Staatsgesellschaft unabd<strong>in</strong>gbar.<br />

Es ist sehr aufwendig, diese komplexen gesellschaftlich-historischen Zusammenhänge im Politikunterricht im<br />

Kontext e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terkulturellen Thematik neu zu erarbeiten, sche<strong>in</strong>t aber gerade nach den Erfahrungen des Verfasser<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em eigenen Unterricht <strong>als</strong> unabd<strong>in</strong>gbar, um auch nur die gröbsten Urteilsanachronismen und <strong>in</strong>adäquaten<br />

gesellschaftlichen und politischen Kategorien aus den vorherrschenden Geschichtsbil<strong>der</strong>n zu elim<strong>in</strong>ieren.<br />

„<strong>Die</strong> Handwerkstätten und Manufakturen210 wurden unter den Safawiden durch beson<strong>der</strong>s hohe Steuern belastet, so<br />

dass e<strong>in</strong>e Akkumulation des Kapit<strong>als</strong> für weitere Investitionen im Handwerk und für dessen Weiterentwicklung unmöglich<br />

wurde.211 Das E<strong>in</strong>kommen des Staates war identisch mit dem E<strong>in</strong>kommen des Königs. Das enorme Kapital, dass den<br />

Königen damit zur Verfügung stand, wurde zum größten Teil für die Hofführung und für Militärausgaben verwendet. Da die<br />

ebenfalls die religiösen Führer steuererhebungsberechtigt waren, bestand für die Bevölkerung e<strong>in</strong>e Doppelbelastung, die<br />

zur Verarmung führen musste.“ 212<br />

Dazu s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige kritische Ausführungen anzufügen. Steuern im europäischen S<strong>in</strong>ne erhob die Safawidenherrschaft<br />

nicht, konnte sie <strong>in</strong> ihrem dezentralen Herrschaftsgebiet auch gar nicht erheben. <strong>Die</strong> Abgabenlast <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />

Bevölkerung kumulierte durch örtliche Abgaben an die Herrschaft, Grundrente, Warenzölle und funktionale<br />

Abgaben z.B. auf dem Bazar. Dazu kamen die religiösen Almosenverpflichtungen an die Moschee und zum<br />

210<br />

Manufakturen vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Textilverarbeitung, aber auch zur Herstellung an<strong>der</strong>er Konsumgüter s<strong>in</strong>d wie <strong>in</strong> Europa<br />

durchaus <strong>als</strong> Vorläufer <strong>der</strong> Industrie zu verstehen und <strong>in</strong> ganz Vor<strong>der</strong>- und Mittelasien verbreitet gewesen. In Bengalen beerben<br />

Briten die florierende »Textil<strong>in</strong>dustrie« und machen sie technologisch zur Grundlage ihrer eigenen Industrialisierung<br />

(Datta 1982: 79 ff.). Im Unterschied zu Europa stagniert aber die technische Innovation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Produktion, so dass sich<br />

ke<strong>in</strong>e Investitionsgüter<strong>in</strong>dustrie entwickelt.<br />

211<br />

Das ist richtig und für die Herrschaftsformen <strong>der</strong> vor<strong>in</strong>dustriellen Zeit typisch. Akkumulation wurde noch vorwiegend aus<br />

dem Eigentum an Grund und Boden möglich, aber <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> rural-feudalen Lebensform nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dustrielle Entwicklung<br />

<strong>in</strong>vestiert. <strong>Die</strong> beson<strong>der</strong>en Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Ent-Ruralisierung und <strong>der</strong> damit verbundenen Landflucht <strong>in</strong> England<br />

<strong>als</strong> gesellschaftlicher Voraussetzung für die e<strong>in</strong>setzende Industrialisierung, die zudem auf e<strong>in</strong>en Kapitalzustrom aus<br />

dem entstehenden Kolonialreich zurückgreifen konnte, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e historische Beson<strong>der</strong>heit Europas o<strong>der</strong> zunächst auch nur<br />

Großbritanniens, die <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Weltregionen nicht nachvollzogen wurde bzw. werden konnte (vgl. Hobsbawm 1969).<br />

Nicht h<strong>in</strong>reichend berücksichtigt wird <strong>in</strong> den Ausführungen, dass <strong>Iran</strong> wie an<strong>der</strong>e nahöstliche Län<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e ausgeprägte und<br />

alte Handelskultur besaß, die erheblichen Mo<strong>der</strong>nitätsvorsprung besaß und, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit des arabisch-islamische Kalifats,<br />

den augenfälligen Entwicklungs- und Zivilisationsvorsprung vor Europa möglich machte. In an<strong>der</strong>em Zusammenhang wäre<br />

zu erörtern, warum diese Region nach dem 13. Jahrhun<strong>der</strong>t ihre Entwicklungsdynamik nach und nach verliert und nicht<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, aus den technischen, wissenschaftlichen und ökonomischen Errungenschaften des arabischen Mittelalters<br />

trotz vieler <strong>in</strong> diese Richtung weisenden Ansätze autochthon e<strong>in</strong>e mo<strong>der</strong>ne Industriegesellschaft nach »westlichem« Muster<br />

zu entwickeln, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen Zeit <strong>in</strong> den Entwicklungsstand e<strong>in</strong>er Semiperipherie zurückfiel. – An dieser Stelle<br />

se<strong>in</strong> die Urteilsperspektive <strong>in</strong> die Gegenwart und Zukunft verlängert, so dass sich hier wie<strong>der</strong>um mit Eric J. Hobsbawm<br />

die Frage stellt: „Welchen S<strong>in</strong>n hat Europa? E<strong>in</strong> halbes Jahrtausend haben die Europäer die Welt geprägt. Damit ist jetzt<br />

Schluss. Wir brauchen e<strong>in</strong>en neuen Blick auf den Kont<strong>in</strong>ent und se<strong>in</strong>e Geschichte“ [1996].<br />

212<br />

Zitat aus e<strong>in</strong>em Schülerreferat. Vgl. Vorbemerkung zum Abschnitt 3.1.1.<br />

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