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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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4. Diskurse <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung im Kontext <strong>der</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong><br />

liche Wertansätze, die e<strong>in</strong>deutig e<strong>in</strong>e Werthierarchie zwischen „christlich-westlichen“ und „orientalisch-islamischen“<br />

Werten postulieren, lassen sich gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> noch zu erörternden bundesdeutschen „Kopftuchfrage“ <strong>in</strong><br />

Äußerungen vor allem von Politikern aus <strong>der</strong> CDU wie<strong>der</strong> f<strong>in</strong>den.<br />

„‚Um das Kopftuch selbst wird es ke<strong>in</strong>e Koalitionskrise geben, aber die Begründung des Verbots muss<br />

juristisch absolut wasserdicht se<strong>in</strong>‘‚ sagte <strong>der</strong> FDP-Landtagsfraktionsvorsitzende Philipp Rösler am Sonntag<br />

dieser Zeitung.<br />

Rösler ärgert sich, wie die CDU das gesamte Thema bislang aufzäumt. Wenn Busemann etwa die<br />

‚weltanschauliche Neutralität des Staates‘ anführe, lande er schnell <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sackgasse. ‚Dann müssen auch<br />

Kruzifixe o<strong>der</strong> jüdische Gebetskappen verboten werden‘, sagt <strong>der</strong> Liberale. Aber zu diesem Entwe<strong>der</strong>-o<strong>der</strong><br />

will es Rösler, selbst praktizieren<strong>der</strong> Katholik, gar nicht kommen lassen. Er bezweifelt, dass man das Kopftuch<br />

überhaupt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>als</strong> religiöses Symbol betrachten muss. ‚Für mich ist es eher e<strong>in</strong>e politische<br />

Botschaft. Mit dem Kopftuch werden Religion und Politik verknüpft – und gerade gegen dieser Verknüpfung<br />

haben wir etwas e<strong>in</strong>zuwenden‘…<br />

Als ungeschickt empf<strong>in</strong>det Rösler, wie <strong>der</strong> Parlamentarische Geschäftsführer <strong>der</strong> CDU-Landtagsfraktion,<br />

Bernd Althusmann, den Kopftuchstreit kommentierte. Althusmann hatte das christliche Kreuz <strong>als</strong> ‚das Symbol<br />

aufgeklärter Menschen‘ bezeichnet, das für Nächstenliebe, Freiheit und Gleichheit auch zwischen Mann und<br />

Frau stehe. Rösler wies knapp darauf h<strong>in</strong>, dass es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kirchengeschichte e<strong>in</strong>e Menge an<strong>der</strong>er Beispiele gebe.<br />

‚Aber um das Kopftuch wollen wir nicht streiten‘, betonte <strong>der</strong> FDP-Politiker.“ 569<br />

Der Streitpunkt um religiöse Symbole im Rahmen e<strong>in</strong>er Argumentation über Erklärungsansätze aus dem Kontext<br />

des symbolischen Interaktionismus wird weiter unten noch aufgegriffen. Hier ist zunächst nur festzuhalten, dass<br />

Kulturpolitiker <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen religiöse Fragen völlig distanzlos <strong>in</strong> politische (Wert-)Entscheidungen und Verhaltensnormen<br />

umsetzen wollen und dabei die Ahistorizität des eigenen Bildes vom Christentum und dem Islam nicht<br />

erkennen – o<strong>der</strong> erkennen können? Dass dieses Bild dann zum Orientierungsrahmen für Schülerarbeiten wird, ist<br />

nicht weiter verwun<strong>der</strong>lich. Wieweit auf dieser Grundlage aber e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Orientierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt, die durch<br />

<strong>in</strong>terkulturelle Kontakte und e<strong>in</strong>e immer stärkere Präsenz <strong>der</strong> gesellschaftlichen und politischen Probleme <strong>der</strong> semiperipheren<br />

Regionen <strong>in</strong> unserer eigenen Alltagsumwelt erzielt werden kann, ist überaus fraglich. Doch sollte e<strong>in</strong>e<br />

Reflexion über die Aufgaben und bisherigen Grenzen <strong>der</strong> Wirksamkeit <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung gerade aus dem<br />

Textauszug <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong> Vanessa Doege heraus nahe zu legen se<strong>in</strong>:<br />

„Im 7. Jhdt. galten die Frauen im vorislamischen Arabien <strong>als</strong> Ware, die man kaufen, verkaufen, anbieten o<strong>der</strong> erben<br />

konnte. Es existierte ke<strong>in</strong>e Begrenzung <strong>der</strong> Polygamie und <strong>der</strong> Ehemann konnte e<strong>in</strong>e Ehe nach Belieben lösen. Oft<br />

wurden weibliche Säugl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>fach ermordet.<br />

Später erkannte <strong>der</strong> Islam <strong>der</strong> Frau e<strong>in</strong>en juristischen Status mit Rechten und Pflichten zu. Zur Eheschließung bedurfte es<br />

von nun an ihrer E<strong>in</strong>willigung. Sie wurde e<strong>in</strong>e Rechtsperson.<br />

Kennzeichnend für die Frau im Islam ist ihr Status <strong>als</strong> Unmündige und die ausschließliche Beschränkung ihrer Rolle auf<br />

die Familie. Man kann sagen, dass <strong>der</strong> Islam e<strong>in</strong>e Männergesellschaft ist.<br />

<strong>Die</strong> Beschreibungen <strong>in</strong> Koran machen h<strong>in</strong>reichend deutlich, was unter e<strong>in</strong>er idealen Gesellschaft zu verstehen ist. Frauen<br />

dienen nur zum Vergnügen und <strong>der</strong> meist sexuellen Befriedigung <strong>der</strong> Männer, die auf Grund ihrer Frömmigkeit und<br />

Tugendhaftigkeit zu diesem wun<strong>der</strong>baren Garten Zutritt haben. Somit wird die Frau nur <strong>als</strong> Sexualobjekt dargestellt und<br />

die weibliche Jungfräulichkeit bedeutet das höchste Gut für den Mann.“ 570<br />

E<strong>in</strong>e weibliche, auf den ersten Blick im S<strong>in</strong>ne des Islam apologetische Stimme, 571 hält die Charakteristik, wie sie im<br />

ersten Text aufsche<strong>in</strong>t, grundsätzlich für f<strong>als</strong>ch und argumentiert auf e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Realitäts- und Wertebene, jenem<br />

sie nicht Gleichberechtigung mit Gleichwertigkeit parallelisiert:<br />

„<strong>Die</strong> Stellung <strong>der</strong> Frau im Islam sei ke<strong>in</strong>eswegs schlechter <strong>als</strong> die <strong>der</strong> Frau im Christentum. Sie sei nur an<strong>der</strong>s,<br />

weil sie e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en, ganzheitlichen Weltbild entspr<strong>in</strong>ge, me<strong>in</strong>t Michaela Özelsel. In diesem Weltbild<br />

hätten Mann und Frau jeweils ihren Platz, mit e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ergänzenden geschlechtsspezifischen Rechten und<br />

Pflichten, die sie <strong>in</strong>sgesamt gesehen gleichberechtigt machten. Allerd<strong>in</strong>gs steht für Michaela Özelsel die Lage<br />

<strong>der</strong> Frauen <strong>in</strong> den islamischen Län<strong>der</strong>n de facto häufig im Wi<strong>der</strong>spruch zu den wahren Pr<strong>in</strong>zipien des Islams:<br />

‚<strong>Die</strong>se Gleichberechtigung wird natürlich unterdrückt, wenn man die Hälfte <strong>der</strong> Menschheit, nämlich die<br />

Frauen, zu unmündigen Wesen macht. Dann kann auch <strong>der</strong> Mann nicht mehr islamisch leben, weil <strong>der</strong><br />

ergänzende Wi<strong>der</strong>part dann fehlt.‘ Es sei die männliche Dom<strong>in</strong>anz im Bereich <strong>der</strong> Exegese religiöser Texte,<br />

569<br />

Hannoversche Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung. 20.10.2003, S. 4.<br />

570<br />

Vanessa Doege, 1997: Ehe und Familie im Islam. Referat im Werte und Normen-Grundkurs 338, Sj. 96/97, 1. Hj. / 3.<br />

Sem., Thema: »Islam«. Es sollte hier betont werden, dass es sich um e<strong>in</strong>e am Thema <strong>in</strong>teressierte und im Bereich des Fem<strong>in</strong>ismus<br />

engagierte Schüler<strong>in</strong> handelte, <strong>der</strong>en Arbeiten vom Bemühen um Problemdurchdr<strong>in</strong>gung und kritischen Perspektiven<br />

gekennzeichnet waren. Aber gerade diese Komb<strong>in</strong>ation von Kritikorientierung und fem<strong>in</strong>istischen Wertpositionen<br />

führte zu <strong>der</strong> Unfähigkeit, e<strong>in</strong>en historisch distanzierten und damit sachadäquaten Zugang zum Thema “Frau im Islam“ zu<br />

f<strong>in</strong>den, vor allem da die verwendeten Quellen diese E<strong>in</strong>seitigkeiten <strong>in</strong> den Urteilen begründen halfen.<br />

571<br />

Michaela Özelsel, e<strong>in</strong>e deutsche Konvertit<strong>in</strong>, die e<strong>in</strong>er mystischen Richtung des Islam anhängt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition des<br />

Mêvlâna Djellad<strong>in</strong> Rûmi aus Konya, <strong>der</strong> sicher auch selbst <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> islamischen Religionsgeschichte <strong>als</strong> Heterodox<br />

gelten hat. Literatur: Michaela Özelsel, 1995: Vierzig Tage. Erfahrungsbericht e<strong>in</strong>er traditionellen Derwischklausur. Re<strong>in</strong>bek<br />

bei Hamburg (rororo).<br />

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