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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

grad war <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> weitaus größer und ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Islamisierung eher noch verstärkt worden durch das Konzept<br />

<strong>der</strong> umma muhamadja (<strong>der</strong> »islamischen Geme<strong>in</strong>schaft«, vgl. Khoury 1988: 167-170). Dabei wi<strong>der</strong>sprechen<br />

sich Integration und Dezentralisierung <strong>der</strong> Macht durchaus nicht:<br />

„Wir sahen, dass die e<strong>in</strong>zelnen Stadtviertel und Zünfte <strong>in</strong> gewissem Rahmen Selbstverwaltungsrecht besaßen.<br />

In den Handwerkszweigen stand die Textil<strong>in</strong>dustrie an erster Stelle, die sehr teure und wertvolle Stücke<br />

verfertigte; auch die Teppich<strong>in</strong>dustrie erreichte im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t hohe künstlerische Qualität. Teppiche<br />

wurden vor allem über Baghdad und die Türkei nach Westeuropa exportiert, daher die häufig anzutreffende<br />

Bezeichnung „türkische Teppiche“; die Reisenden <strong>der</strong> Zeit lobten beson<strong>der</strong>s die Teppiche von Kirma (=<br />

Kerman, G.V.). In gutem Ruf standen weiter die Artikel <strong>der</strong> persischen Porzellan- und Majolikamanufaktur,<br />

und nach langer Zeit begann auch die Keramikherstellung wie<strong>der</strong> aufzublühen. Le<strong>der</strong>gegenstände verschiedenster<br />

Art waren dam<strong>als</strong> berühmt für ihre Güte, und persische Bogen und Säbel galten <strong>als</strong> die besten <strong>der</strong><br />

Welt. Nach Olearius erhielt man den besten Stahl am Neirîz-See und die besten Kl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> Qum (sie kosteten<br />

16-80 ‘abbâsî). In weiteren Quellen und Reiseberichten lesen wir von Schmuckstücken, Farbsubstanzen, Glas<br />

und Kristallen, von Papierherstellung – das Papier lag jedoch qualitätsmäßig unter dem europäischen und war<br />

auch noch schlechter <strong>als</strong> das aus Innerasien – und Seifensie<strong>der</strong>eien, die billige Seife aus Hammelfett unter<br />

Zusatz <strong>der</strong> Asche wohlriechen<strong>der</strong> Kräuter herstellten; die bessere Seife ließen die oberen Schichten <strong>der</strong><br />

Bevölkerung aus Aleppo kommen“ (Bausani 1965: 147).<br />

<strong>Die</strong> Safawidenzeit br<strong>in</strong>gt Anfangs e<strong>in</strong>e neue Blüte für das Handwerk und Kunstgewerbe, dessen Verkauf durch<br />

sicherere Handelswege, die durch den Bau von Karawansereien und Militärposten an den Handelsstraßen geför<strong>der</strong>t<br />

wurde. 209 Der Fernhandel ist durch die regionalen Umbrüche seit dem 13. Jahrhun<strong>der</strong>t mit Ausnahme e<strong>in</strong>er kurzen<br />

Blütezeit während <strong>der</strong> Mongolenherrschaft (Seidenstraße), die jedoch teilweise persische Händler durch fremde<br />

Händler verdrängte, was letztlich nie mehr grundsätzlich verän<strong>der</strong>t wurde, zurückgegangen. <strong>Die</strong> persische<br />

Wirtschaft konnte sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Safawidenzeit noch nicht so weit regenerieren, dass sie den verän<strong>der</strong>ten Wirtschaftsund<br />

Nachfragebed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> europäisch-asiatischen Märkte vollständig angepasst wären.<br />

Doch ist die persische Gesellschaft immer von zwei eng mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbundenen ökonomischen Bereichen<br />

bestimmt gewesen, <strong>der</strong> ruralen Ökonomie, die <strong>in</strong> den Peripherien auf Naturalwirtschaft beruht, <strong>der</strong>en Produkte aber<br />

<strong>in</strong> die monetäre Wirtschaft des Handels und Handwerks <strong>der</strong> Städte e<strong>in</strong>bezogen wurden. Auch <strong>der</strong> Land- und<br />

Wasserbesitz ist <strong>in</strong> Landstädten konzentriert. E<strong>in</strong>e abgehobene Adelsschicht existierte <strong>in</strong> Persien nicht, auch wenn<br />

über lange Zeiten die Herrscher selbst durch Eroberung und Herrschaftsoktroi mit militärischer Gewalt an die Macht<br />

gekommen s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> machtstärkeren Gruppen waren <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en nahöstlichen Regionen immer wie<strong>der</strong><br />

die kriegerisch-mobilen Nomadenvölker, <strong>der</strong>en <strong>in</strong>nere Integration, bed<strong>in</strong>gt durch ihre Lebensweise, stärker war <strong>als</strong><br />

die <strong>der</strong> städtischen Handwerker und Kaufleute. <strong>Die</strong> lokalen Oberschichten hatten jedoch mit dieser höfischen<br />

Gesellschaft wenig zu tun. Gouverneure und Statthalter, die vom König entsandt waren, konnten entwe<strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />

Region stammen und damit auf e<strong>in</strong>e starke Hausmacht zurückgreifen, o<strong>der</strong> kamen <strong>als</strong> Fremde und blieben durchweg<br />

an ihrem Regierungssitze isoliert und konnten ihren Herrschaftsanspruch gegen die lokalen Oberschichten nur mit<br />

direkter militärischer Gewalt durchsetzen und sichern. Für das Alltagsleben bestimmend blieben die lokalen<br />

Gruppen (Clans, Gentes), religiöse Integration um die lokale Moschee und die Klientele, die jeweils die sozialen<br />

Schichten überklammerten und zu e<strong>in</strong>er eigenen Integration führten, die an an<strong>der</strong>er Stelle ausführlicher dargestellt<br />

wird, da sie noch für die gesellschaftliche Grundlegung <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> e<strong>in</strong>e wichtige Rolle<br />

spielte.<br />

„Der Handel großen Stils mit den für das frühe Mittelalter charakteristischen Krediten war zu dieser Zeit<br />

vergessen und vollzog sich nunmehr im Bargeldverkehr. Er dehnte sich jedoch beträchtlich aus, und laut<br />

Chard<strong>in</strong> gab es <strong>in</strong> Persien Kaufleute, die ihre Agenten sogar im fernen Ch<strong>in</strong>a und Schweden hatten. Da sich<br />

die Kaufleute mit dem Feudaladel verbunden hatten, stand <strong>der</strong> Kaufmann <strong>in</strong> hohen Ehren, wie überhaupt <strong>der</strong><br />

Geist des islamischen Rechts <strong>in</strong> diese Richtung tendiert. <strong>Die</strong> muselmanischen Län<strong>der</strong> kennen nicht unsere<br />

mittelalterliche Bezeichnung für den „vile bottegaio“, den „geme<strong>in</strong>en Händler“, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich die Verachtung<br />

des Adels für den Kaufmann ausdrückte“ (Bausani 1965: 147 f.).<br />

Im Gegensatz zum europäischen Mittelalter basiert die nahöstliche Wirtschaft seit alters her auf <strong>der</strong> Geldwirtschaft,<br />

auch wenn <strong>in</strong> den ruralen Peripherien Boden- und Wasserpacht (Caponera 1954), die fälligen Steuern an den<br />

lokalen Grundherren und fromme Abgaben (arab. Zakât, vgl. Hartmann 1944/1987: 69-70; Khoury 1988: 139-140)<br />

naturgemäß meist <strong>in</strong> Naturalabgaben abgegolten werden. Wie aber schon ausgeführt, besteht <strong>in</strong> politisch-sozialer<br />

H<strong>in</strong>sicht ke<strong>in</strong>e Stadt-Land-Dichotomie, wie sie <strong>in</strong> Europa aus dem Institut <strong>der</strong> Stadtrechte und <strong>der</strong> städtischen<br />

Privilegien abzuleiten ist.<br />

209<br />

Das steht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Parallele zu ähnlichen Integrationsphasen <strong>in</strong> Anatolien zur Zeit <strong>der</strong> Seldjuken-Herrschaft im 13./14.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t, <strong>der</strong>en Machtpotentiale vor allem durch die Sicherung des Fernhandels ausgebaut wurden, wovon heute noch<br />

e<strong>in</strong>e große Zahl architektonisch bedeutsamer Karawanserei(-ru<strong>in</strong>en), genannt sultanhanı (= Haus des Sultans), zeugen. Geför<strong>der</strong>t<br />

wurde diese Stiftung von Karawansereien durch das islamische Rechts<strong>in</strong>stitut des vaqf, <strong>der</strong> »frommen Schenkung«,<br />

da die Sicherung des Handels <strong>als</strong> mildtätige Tat und Erfüllung <strong>der</strong> religiösen Almosenpflicht galt.<br />

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