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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

4.3. <strong>Die</strong> Menschenrechts-Diskurse am Beispiel <strong>der</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong><br />

4.3.1. Das Konfligieren <strong>der</strong> Menschenrechts-Diskurse zwischen den globalen<br />

»Zentren« und den »Semiperipherien«<br />

Der <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> sozioökonomischen Zentren Westeuropas und <strong>der</strong> USA vor allem <strong>in</strong> den 90er Jahren<br />

dom<strong>in</strong>ante öffentliche Diskurs <strong>der</strong> Menschenrechtsfragen vor allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> bisher <strong>in</strong><br />

Europa so genannten »Dritten Welt« o<strong>der</strong> <strong>in</strong> den angelsächsischen Län<strong>der</strong>n weiterh<strong>in</strong> <strong>als</strong> un<strong>der</strong>developed countries<br />

bezeichneten Regionen <strong>als</strong> Maßgabe für eigenes politisches und entwicklungspolitisches Verhalten zeigt sehr<br />

deutlich die Vielschichtigkeit, Ambivalenz und Wandelbarkeit leiten<strong>der</strong> Diskurse. <strong>Die</strong>se E<strong>in</strong>sicht muss auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

didaktischen Umsetzung sehr deutlich werden, um dem Missverständnis zu entgehen, Diskurse wären e<strong>in</strong>deutige<br />

thematische und <strong>in</strong>strumentelle Vorgaben und würden e<strong>in</strong>deutige Wertungen und Urteile implizieren. Gerade an<br />

diesem Missverständnis scheitert oftm<strong>als</strong> <strong>der</strong> Versuch, <strong>in</strong> den Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien vorgegebene »Schlüsselprobleme«<br />

<strong>in</strong> Unterrichtspraxis umzusetzen. Auch »Schlüsselprobleme« vermitteln ke<strong>in</strong>e Ergebnisse o<strong>der</strong> Wertnormen. Das<br />

Gegenteil ist <strong>der</strong> Fall: durch die Kennzeichnung öffentlicher Diskurse und ihre Umsetzung <strong>in</strong> »Schlüsselprobleme«<br />

öffnen sich kontroverse Realitätssichten, bis h<strong>in</strong> zur expliziten Ablehnung des Diskurses, die selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

gesellschaftlichen Realität Teil eben jenen Diskurses ist. 525 <strong>Die</strong> Verweigerung desselben schließt die Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

von Selbstreflexion <strong>der</strong> eigenen Position e<strong>in</strong>.<br />

In globaler Perspektive ist zunächst e<strong>in</strong>mal festzustellen, dass die Menschenrechts-Diskurse von den Län<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> staatsgesellschaftlich-<strong>in</strong>dustriestaatlichen Zentren Westeuropas und <strong>der</strong> USA ausgehen und <strong>als</strong> solche<br />

Konsequenz <strong>der</strong> eigenen ideengeschichtlichen Entwicklung, <strong>der</strong> oftm<strong>als</strong> bewusst erkämpften Rechte <strong>der</strong> Bürger im<br />

Prozess des neuzeitlichen nation build<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> Idee <strong>der</strong> Menschenrechte <strong>in</strong> Europa ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> philosophischen<br />

und staatsgeschichtlichen Literatur umfänglich und detailliert dargestellt worden. Hier genügt es, darauf h<strong>in</strong>zuweisen,<br />

dass Menschenrechte unmittelbar historisch verknüpft s<strong>in</strong>d mit dem Völkerrecht, dem Handelsrecht und<br />

dem Kriegsrecht. <strong>Die</strong> immanenten <strong>in</strong>haltlichen Spannungen zwischen diesen Segmenten des »Westlichen Rechts«,<br />

das eher das Recht <strong>der</strong> europäischen Nation<strong>als</strong>taaten <strong>als</strong> das <strong>der</strong> Republiken und Demokratien ist, machen die<br />

Rezeption <strong>der</strong> Menschenrechtspostulate <strong>in</strong> Län<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>er politischer und kultureller Tradition so schwierig, da –<br />

zum<strong>in</strong>dest von außen gesehen – Menschenrechte historisch verknüpft s<strong>in</strong>d mit europäischen Überlegenheitsvorstellungen<br />

(Eurozentrismus) die den europäischen Imperialismus und Neoimperialismus legitimieren o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest<br />

historisch legitimiert haben. Als Neoimperalismus und Machtoktroi nehmen daher heute viele Staaten gerade <strong>der</strong><br />

Semiperipherien – wie <strong>der</strong> <strong>Iran</strong> – die evidenten Prozesse <strong>der</strong> Globalisierung und Universalisierung wahr.<br />

Unter dem Aspekt des Menschenrechts-Diskurses ist daher zunächst die grundsätzlich kontroverse politischhistorische<br />

Rezeption und Bewertung zwischen den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Zentren und <strong>der</strong> Semiperipherien festzuhalten. <strong>Die</strong><br />

<strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> war daher zunächst und für die <strong>Iran</strong>ische Politische Kultur wesentlich <strong>der</strong> Versuch,<br />

<strong>der</strong> Dom<strong>in</strong>anz »westlicher« Wert- und Realitätsdef<strong>in</strong>itionen e<strong>in</strong>e eigenständige, »islamische«, d.h. autochthone<br />

Realität entgegenzusetzen. <strong>Die</strong> Notwendigkeit dieser kulturellen Konfrontation wurde aus iranischer Sicht noch <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Anfangsphase <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong> bestätigt, <strong>als</strong> nach <strong>der</strong> Besetzung <strong>der</strong> US-amerikanischen Botschaft <strong>in</strong> Tehran die<br />

westliche Öffentlichkeit diesen Rechtsbruch <strong>als</strong> Völkerrechtsverletzung 526 e<strong>in</strong>ordnete, <strong>der</strong> jegliche Gewaltoption<br />

(Boykott, Intervention, Blockade) legitimierte, das politische Verhalten <strong>der</strong> USA gegenüber <strong>Iran</strong> aber <strong>als</strong> legitim<br />

ansah, wo es aus iranisch-revolutionärer Perspektive <strong>als</strong> permanenter Völkerrechtsverstoß wahrgenommen wurde:<br />

sei es im Fall Mossadegh 1951, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> SAVAK des Šah-Regimes, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Strafverfolgung <strong>der</strong> Angehörigen <strong>der</strong> Šah-Familie und -Regierung nach iranischem Recht durch Gewährung von<br />

Asyl ... Viele <strong>Iran</strong>er, auch aus <strong>der</strong> demokratischen und l<strong>in</strong>ken Opposition sahen hier e<strong>in</strong> revolutionäres Selbsthilferecht<br />

<strong>als</strong> gegeben an, wie es sich auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite die USA ja auch selbst zubilligten.<br />

525<br />

Im Rahmen kulturwissenschaftlicher Reflexionen weist Hansen an e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>drucksvollen Beispiel gerade auf die Unausweichlichkeit<br />

des E<strong>in</strong>bezogense<strong>in</strong>s <strong>in</strong> die eigene Politische Kultur und ihre zugeordneten Diskurse h<strong>in</strong>, wenn er am Beispiel<br />

des deutschen Verhältnisses zur NS-Vergangenheit betont, dass auch Verdrängung, Schlussstrichdiskussion o<strong>der</strong> Negierung<br />

und Verharmlosung <strong>der</strong> NS-Verbrechen durch Rechtsradikale <strong>in</strong> dieser Form eben nur <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> deutschen<br />

politischen Kultur denkbar und def<strong>in</strong>ierbar s<strong>in</strong>d. Der unausweichliche Rechtfertigungszwang je<strong>der</strong> denkbaren <strong>in</strong>haltlichen<br />

Position zu e<strong>in</strong>em leitenden Diskurs <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Kultur ist für Hansen geradezu das ausschlaggebende Kriterium, e<strong>in</strong>e<br />

Kultur <strong>als</strong> Entität zu erweisen und gegen an<strong>der</strong>e Kulturen abgrenzen zu können. In den herrschenden Menschenrechts-<br />

Diskursen ist nun zu untersuchen, <strong>in</strong>wieweit diese Unausweichlichkeit nur <strong>in</strong> den <strong>in</strong>dustriestaatlichen Zentren mit ihren<br />

gewachsenen Staatsgesellschaften gegeben ist, o<strong>der</strong> <strong>in</strong> wie weit durch die Prozesse <strong>der</strong> Universalisierung und Globalisierung<br />

diese Diskurse schrittweise auch die Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Semiperipherien und globalen Peripherien durch Inkorporationsprozesse<br />

und durch die Globalisierung des »westlichen« Staats- und Gesellschaftsmodells <strong>in</strong> diese Menschenrechtsprozesse<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />

526<br />

Dass dies nach <strong>in</strong>ternationalem Recht auch im Rahmen <strong>der</strong> UNO-Regeln, <strong>als</strong>o nicht nur nach dem auf Hugo Grotius zurückgehenden<br />

Völkerrecht, <strong>der</strong> Fall war, ist sicher nicht zu bestreiten.<br />

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