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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

schwand. In Eghlid erzählte man, er sei wohl <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Heimatdorf <strong>in</strong> Lurestan gefahren, denn dort könnte ihn gegen<br />

den Willen se<strong>in</strong>er Freunde und se<strong>in</strong>er Familie 495 <strong>der</strong> Arm <strong>der</strong> Regierung nicht erreichen...<br />

<strong>Die</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Šah-Zeit <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> bleibt wi<strong>der</strong>sprüchlich. Äußerlich lässt sich die Politik <strong>der</strong> damaligen<br />

Regierung <strong>als</strong> Westorientierung und Kapitalisierung <strong>der</strong> Wirtschaft bezeichnen. Wi<strong>der</strong>sprüchlich bleibt dabei aber,<br />

dass diese Kapitalisierung, die zur Bildung von großen Industriekomplexen <strong>der</strong> Erdöl-, Stahl-, Fahrzeugbau- und<br />

Rüstungsgüterbetrieben und zur Kapital<strong>in</strong>vestition durch europäische Großfirmen (Daimler-Benz, Krupp, Siemens,<br />

Fiat u.a.) führte, ke<strong>in</strong>eswegs marktwirtschaftlich gesteuert wurde. Das wirtschaftliche und außenwirtschaftliche<br />

Proce<strong>der</strong>e war bürokratisch und etatistisch, Schutzzölle für nichtprivilegierte E<strong>in</strong>fuhren waren horrend (bis zu<br />

200 % des Neupreises e<strong>in</strong>es Fahrzeuges z.B. bei privater E<strong>in</strong>fuhr, unabhängig vom Alter des Autos), die damit<br />

verbundene Korruption alltäglich. 496<br />

Auch hier wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> anekdotischer E<strong>in</strong>schub. 1970 <strong>in</strong> Tehran. Besuch bei e<strong>in</strong>em Freund, <strong>der</strong> im Wirtschaftsm<strong>in</strong>isterium,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Außenhandelsabteilung, beschäftigt ist. Da er <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen Wirtschaftswissenschaften<br />

studiert und promoviert hat, bekam er e<strong>in</strong>en höheren beruflichen Rang, etwa mit e<strong>in</strong>em unserer Dezernenten<br />

vergleichbar. Er war zuständig für die Genehmigungen bestimmter Industrieausfuhren. Der Arbeitstag war<br />

aufreiben. Arbeitsbeg<strong>in</strong>n ca. 10 Uhr, Arbeitsende meist gegen Mittag. Dazwischen genügend Zeit zum Teetr<strong>in</strong>ken<br />

(im Übrigen war das Gehalt dementsprechend niedrig, unter dem e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>fachen Industriearbeiters).<br />

Was ist aber zu tun? Wenn e<strong>in</strong> Antragsteller kommt, holt unser Sachbearbeiter se<strong>in</strong> großes Zollbuch heraus,<br />

ca. ½ m 2 groß, <strong>in</strong> dem pro Zeile und Zollnummer e<strong>in</strong>getragen ist, wie viel von dem Gut <strong>in</strong> dem betreffenden<br />

Jahr ausgeführt werden darf. In den Spalten daneben wird die jeweils genehmigte Ausfuhrmenge e<strong>in</strong>getragen.<br />

Solange noch Mengen frei s<strong>in</strong>d, wird <strong>der</strong> Antrag genehmigt, wenn nicht, ist das Ausfuhrkont<strong>in</strong>gent erschöpft<br />

und <strong>der</strong> Antragsteller muss im nächsten Jahr wie<strong>der</strong> kommen (o<strong>der</strong> sich Protektion bei höheren Chargen<br />

suchen, um die Kont<strong>in</strong>gente zu umgehen). <strong>Die</strong> Genehmigung wird mit Stempel und Unterschrift besiegelt.<br />

E<strong>in</strong>e hochwertige Tätigkeit, durchaus e<strong>in</strong>es Wirtschaftswissenschaftlers würdig... Übrigens war me<strong>in</strong> Bekannter,<br />

wie er im Vertrauen äußerte, grundlegen<strong>der</strong> Gegner <strong>der</strong> Šah-Adm<strong>in</strong>istration und sehnte e<strong>in</strong>e <strong>Revolution</strong><br />

herbei... 497<br />

Solche anekdotischen Konkretisierungen sollen nun ke<strong>in</strong>eswegs diffamatorische Züge aufweisen, son<strong>der</strong>n auf den<br />

grundlegenden Unterschied <strong>der</strong> Ausprägung von Macht und Status – und damit <strong>der</strong> Strukturen <strong>der</strong> Sozialen<br />

Ungleichheit – <strong>in</strong> den europäischen Staatsgesellschaften und <strong>in</strong> den noch »vormo<strong>der</strong>nen« Gesellschaften <strong>der</strong><br />

Semiperipherien h<strong>in</strong>deuten. <strong>Die</strong> Politik des Šah bezeichnete sich zwar selbst <strong>als</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungspolitik, beschränkte<br />

das aber auf bestimmte ökonomische Sektoren, wie die Industrialisierung und die Kapital<strong>in</strong>vestitionen.<br />

„STERN: Sie haben e<strong>in</strong>mal gesagt, dass Ihr Land <strong>in</strong> zwölf Jahren dort se<strong>in</strong> wird, wo Europa heute ist, und dass<br />

Sie Europa <strong>in</strong> 25 Jahren e<strong>in</strong>geholt haben werden. Glauben Sie, dass Sie bei rückläufigen E<strong>in</strong>nahmen<br />

dieses Ziel noch erreichen?<br />

Schah: Mit jedem Tag b<strong>in</strong> ich eher ermutigt <strong>als</strong> entmutigt. Denn ich sehe <strong>in</strong> unserem Volk Fähigkeiten,<br />

unglaubliche Fähigkeiten. Es ist e<strong>in</strong> fleißiges, <strong>in</strong>telligentes, hart arbeitendes Volk. Ich glaube, wir schaffen<br />

es schon.<br />

STERN: Sie glauben nicht, dass Sie das Tempo <strong>der</strong> Entwicklung Ihres Landes drosseln müssen?<br />

Schah: Der E<strong>in</strong>nahmeverlust trifft zu, aber an<strong>der</strong>erseits g<strong>in</strong>g er Hand <strong>in</strong> Hand mit e<strong>in</strong>em sehr milden W<strong>in</strong>ter <strong>in</strong><br />

Europa und e<strong>in</strong>er fürchterlichen Rezession überall <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt.“ 498<br />

Deutlich wird die sehr e<strong>in</strong>geschränkte Wahrnehmung <strong>der</strong> sich schon andeutenden krisenhaften Entwicklung <strong>der</strong><br />

iranischen Wirtschaft. <strong>Die</strong> Ursachen dieser Krise werden <strong>in</strong> den außenwirtschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen und nicht <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Situation <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> selbst gesehen. Auch westliche Journalisten – mit denen nicht die personality-Berichte vom<br />

Hofe <strong>in</strong> <strong>der</strong> »Regenbogenpresse« geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d – ließen sich zeitweise von <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungspropaganda <strong>der</strong><br />

»Weißen <strong>Revolution</strong>« blenden, sogar bei <strong>der</strong> »kühnen Volte« des Šah, die Umverteilung <strong>als</strong> »Sozialismus« zu<br />

bezeichnen 499 , wofür er <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> we<strong>der</strong> auf Resonanz bei <strong>der</strong> traditionalistischen Mehrheit <strong>der</strong> Gesellschaft stieß,<br />

noch, <strong>in</strong> Blick auf die mangelhaften Ergebnisse dieser Politik, se<strong>in</strong> Ziel erreichte, gesellschaftskritisch l<strong>in</strong>ke Kreise<br />

<strong>der</strong> Intellektuellen an die Šah-Regierung zu b<strong>in</strong>den.<br />

„Den Startschuß zum kaiserlich-iranischen Sozialismus hatte dieser absolutistisch regierende Herrscher, <strong>der</strong><br />

niemandem Rechenschaft schuldig ist und immer clever taktierte, vor bald 13 Jahren gegeben. Dam<strong>als</strong> wurde<br />

495<br />

In unserer Term<strong>in</strong>ologie s<strong>in</strong>d hier se<strong>in</strong>e Klientel und se<strong>in</strong>e gentes geme<strong>in</strong>t.<br />

496<br />

497<br />

498<br />

<strong>Die</strong>se Term<strong>in</strong>ologie zeigt die europäische Wertperspektive des mo<strong>der</strong>nen Verwaltungsstaates. Verwaltungshandeln <strong>in</strong><br />

vor<strong>in</strong>dustriellen Herrschaftsverbänden knüpft aber an das do-ut-des-Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Klientelloyalitäten an, da e<strong>in</strong>e Staatsloyalität<br />

noch nicht entwickelt, d.h. auch gar nicht vorstellbar war. (Zu den theoretischen H<strong>in</strong>tergründen dieses Wandels <strong>der</strong> subjektiven<br />

Realitäten vgl. unsere Ausführungen zu den epistologischen Diskursen bei Foucault.) Nicht <strong>der</strong> Staat bezahlt<br />

Verwaltungshandeln, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> von diesen Handlungen profitiert. Im gesamten Nahen Osten war daher <strong>in</strong><br />

früherer Zeit das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Steuerpacht und <strong>der</strong> starken personalen Autonomien <strong>der</strong> lokalen<br />

Erlebnisbericht von Gerhard Voigt (unveröffentlicht).<br />

DER STERN, Heft 30, 17.7.1975. S. 22, 80 f.<br />

499<br />

DER STERN, Heft 30, 17. 7. 1975. S. 14-22 (Auszüge): Jetzt befiehlt <strong>der</strong> Kaiser Sozialismus. E<strong>in</strong> Bericht von Nick Barkow:<br />

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