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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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2. Perspektiven <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung unter den Bed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>er politischen Krisensituation<br />

sierung e<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Reformation ist <strong>der</strong> Versuch, die funktionale Säkularisierung <strong>in</strong> das religiöse Lebenskonzept<br />

e<strong>in</strong>zubeziehen, um damit »den Glauben zu retten«.<br />

- <strong>Die</strong> katholische Gegenreformation greifen diese Intention <strong>der</strong> Reformation und dieses zivilisatorische<br />

Konzept mit historisch adäquaten Methoden zur Sicherung <strong>der</strong> Macht und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Kirche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

konkurrierenden und parallelen Prozess auf.<br />

- Der Dreißigjährige Krieg setzt durch gegenseitige Anerkennung neuer Machtbalancen die Grundlagen<br />

e<strong>in</strong>er säkularisierten Gesellschaft.<br />

Wi<strong>der</strong>sprüchlich verläuft jedoch die <strong>in</strong>nere Konzeptualisierung des Homogenisierungs- und Mo<strong>der</strong>nisierungsprozesses,<br />

<strong>in</strong> dem nicht nur die <strong>in</strong>neren Disfunktionalitäten und <strong>in</strong>teressengeleiteten Gegenströmungen aufsche<strong>in</strong>en,<br />

son<strong>der</strong>n die grundsätzliche zeitliche Dissynchronisierung des gesellschaftlichen Mo<strong>der</strong>nisierungsschubes zur<br />

Durchsetzung adäquater zivilisatorischer Standards und neuer kultureller Zeichen- und Wertsysteme deutlich wird.<br />

<strong>Die</strong> Institutionalisierung und Zentralisierung <strong>der</strong> Herrschaft erfor<strong>der</strong>t, wie schon gesagt, die gesellschaftliche und<br />

kulturelle Homogenisierung; diese durchzusetzen erfor<strong>der</strong>t die E<strong>in</strong>beziehung vorhandener Verständigungskontexte,<br />

die auf e<strong>in</strong>er niedrigeren Zivilisierungsstufe verblieben s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> diese Wandlungen für die Betroffenen begründenden<br />

neuen akzeptanzerzeugenden Diskurse verlaufen daher – z.T. bis heute – nicht auf <strong>der</strong> Ebene des<br />

Verständnisses gesellschaftlicher Realitäten, son<strong>der</strong>n auf e<strong>in</strong>er weitgehend vorrationalen, undistanzierten und<br />

phantasieorientierten Ebene. So wird die »Verlängerung <strong>der</strong> Interdependenzketten«, <strong>in</strong> die <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelne e<strong>in</strong>gebunden<br />

ist 181 und das funktionale Aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>angewiesense<strong>in</strong> immer größerer Personengruppen <strong>als</strong> »natürliche Zusammengehörigkeit«<br />

um<strong>in</strong>terpretiert und emotional verankert. Daraus entsteht anstelle e<strong>in</strong>er rationalen E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> das<br />

Verflochtense<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sich entwickelnden Staatsgesellschaft das Konzept <strong>der</strong> Nation <strong>als</strong> Schicks<strong>als</strong>- o<strong>der</strong> Abstammungsgeme<strong>in</strong>schaft.<br />

Der Aspekt <strong>der</strong> »biologisch« verstandenen »Verwandschaftslegende« tritt umso stärker <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund, je<br />

<strong>in</strong>tensiver <strong>der</strong> herrschaftsgesteuerte Homogenisierungsprozess auf Vere<strong>in</strong>heitlichung <strong>der</strong> Sprache, die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlichen »Hochsprache« basiert. Durch die pseudowissenschaftlichen Konzepte des Rassismus<br />

und <strong>der</strong> europäischen Völkerkunde, die e<strong>in</strong>e verdrängte Krise <strong>der</strong> Legitimation und Akzeptanz des europäischen<br />

Nation<strong>als</strong>taatskonzeptes (<strong>in</strong> <strong>der</strong> Restauration nach dem Wiener Kongress und im Wilhelm<strong>in</strong>ismus) symptomatisieren,<br />

radikalisiert sich das Nationenkonzept zur Volkstumsideologie und zum Ethnizismus.<br />

Es ist daher durchaus historisch konsequent, dass heute <strong>in</strong> Regionen <strong>der</strong> Peripherien und Semiperipherien, aber<br />

auch <strong>in</strong> den B<strong>in</strong>nenperipherien <strong>der</strong> ökonomischen Zentren des Weltsystems, <strong>in</strong> denen das Konzept <strong>der</strong> Staatsgesellschaft<br />

und des Nation<strong>als</strong>taates se<strong>in</strong>e mangelnde Krisenlösungspotentiale für die Probleme <strong>der</strong> »Postmo<strong>der</strong>ne«<br />

offensichtlich macht, vorhandene Zivilisationsdifferentiale zur anachronistischen und gewalttätigen »Krisenlösungskonzepten«<br />

führen, die pauschalisiert unter den Stichworten <strong>der</strong> »Protest-Ethnogenese« und <strong>der</strong> Ethnifizierung von<br />

Sozialkonflikten ebenso wie unter dem Schlagwort »fundamentalistischer« Ideologien zusammenzufassen s<strong>in</strong>d.“<br />

[Voigt 2001].<br />

Abschließend zur Reflexion <strong>der</strong> fachlichen und didaktischen Prämissen dieser Arbeit ist noch e<strong>in</strong>mal zu<br />

betonen, dass we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Geschichte o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Soziologie <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> vorgelegt<br />

werden soll o<strong>der</strong> kann, noch dass es primäres Ziel wäre, e<strong>in</strong> didaktisches Modell zu diesem Thema vorzulegen.<br />

Erste exkursorische didaktische Realisierungsvorschläge werden dann zwar im Kapitel 5 vorgestellt, doch<br />

erheben sie nicht den Anspruch auf e<strong>in</strong> gültiges Unterrichtsmodell, das ohneh<strong>in</strong> bei den sich schnell<br />

än<strong>der</strong>nden Situationen im Nahen Osten und <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> illusorisch wäre. Am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Iran</strong> soll gezeigt werden, dass didaktische Reflexion nicht „handwerkliche Umsetzung“ vorgegebener<br />

wissenschaftlicher Erkenntnisse se<strong>in</strong> kann, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en eigenständigen Zugang zu gesellschaftlichen<br />

Problembereichen bedeutet, die sich <strong>in</strong> „Schlüsselproblemen“ ausdrücken und <strong>in</strong> diskursiven Verfahren<br />

entwickeln lassen. <strong>Die</strong> notwendige pädagogische Komplexitätsreduktion sichert dabei das exemplarische<br />

Pr<strong>in</strong>zip, das am Thema <strong>der</strong> <strong>Islamische</strong>n <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> erprobt wird.<br />

2.4. <strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> den wechselnden Bezügen<br />

<strong>der</strong> didaktischen Reflexion<br />

<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> entfaltet e<strong>in</strong> Problemfeld, das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Vielschichtigkeit und Differenziertheit, <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>en über die engeren Sachverhalte h<strong>in</strong>ausweisenden Bezügen und thematischen Interdependenzen e<strong>in</strong> klassisches<br />

Beispiel für e<strong>in</strong> Grundproblem <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung se<strong>in</strong> kann. Der traditionelle Weg <strong>der</strong> curricularen<br />

Strukturierung des Politikunterrichts ist, e<strong>in</strong>e mehr o<strong>der</strong> weniger begründete, mehr o<strong>der</strong> weniger <strong>in</strong> ihrem Kontext<br />

strukturierte und mehr o<strong>der</strong> weniger fachlich systematisierte Folge <strong>in</strong>haltlich bestimmter Grundprobleme <strong>der</strong><br />

heutigen Politik und Gesellschaft zu bestimmen. <strong>Die</strong>se können <strong>als</strong> Rahmenthemen, Pflichtthemen o<strong>der</strong> Problemfel<strong>der</strong><br />

formuliert und vorgestellt werden. Es ist auch zu vermuten, dass diejenigen neueren Rahmenrichtl<strong>in</strong>ien, die<br />

sich des Instrumentariums und <strong>der</strong> Begrifflichkeit von Schlüsselproblemen bedienen – wie die neuen Rahmenricht-<br />

181<br />

Vgl. die Ausführungen von Waldhoff, die schon mehrfach herangezogen wurden.<br />

103

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