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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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<strong>Die</strong> <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>als</strong> <strong>Gegenstand</strong> <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung und<br />

<strong>als</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung für den sozialwissenschaftlichen Unterricht<br />

<strong>Die</strong>ser Diskurs kann noch beliebig ausgedehnt werden, was zu unserer didaktischen Fragestellung nur wenig<br />

beitragen würde. Wichtig s<strong>in</strong>d uns zusammenfassend folgende E<strong>in</strong>sichten:<br />

- <strong>Die</strong> Frauenfrage wird politisch benutzt um Herrschaftsansprüche o<strong>der</strong> die Infragestellung von Herrschaftsansprüchen<br />

durchzusetzen. Je nach Ausgangsposition wird die Realität durchaus kontrovers dargestellt, wobei<br />

wir im Diskurs nicht e<strong>in</strong>fach das F<strong>als</strong>ch-Richtig-Kriterium anlegen dürfen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Mehrschichtigkeit <strong>der</strong><br />

Realität nachspüren müssen.<br />

- <strong>Die</strong> Frauenfrage wird <strong>in</strong>ternational von beiden Seiten <strong>als</strong> kulturelle Waffe e<strong>in</strong>gesetzt und daher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise<br />

dichotomisiert, die von den differenzierteren Realitäten abhebt und <strong>in</strong>terkulturelles Lernen erschwert o<strong>der</strong> gar<br />

verunmöglicht.<br />

- <strong>Die</strong> Frauenfrage ist auf beiden Seiten emotional aufgeladen durch die Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen Kultur,<br />

Unterdrückungserfahrungen und emotionalen Kränkungen.<br />

- Gesellschaftliche Fortschritte, Fortschritte im Bereich <strong>der</strong> Menschenrechte und Fortschritte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Emanzipation<br />

von Frauen setzen die Aktivität und E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Betroffenen voraus und können nicht durch<br />

Oktroi erreicht werden. Gerade deshalb ist die <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> sichtbar werdende Frauenbewegung und Frauenemanzipation<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>teressanteste Aspekt dieser Thematik.<br />

4.4.2.3. <strong>Die</strong> Rezeption <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule<br />

Spricht man mit Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern <strong>in</strong> Unterrichtssituationen über die <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>, so ist<br />

häufig die Erfahrung zu machen, die sich auch bei Gesprächen über dieses Thema <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er etwas <strong>in</strong>teressierteren<br />

Öffentlichkeit bestätigt, dass dieses Ereignis zunächst „prima vista“ mit dem Thema <strong>der</strong> Verschlechterung <strong>der</strong><br />

Situation <strong>der</strong> Frauen <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>, mit <strong>der</strong> Unterdrückung <strong>der</strong> Frauenrechte und mit dem – so wahrgenommenen – „Sieg<br />

des Patriarchats“ verbunden wird. <strong>Die</strong>ser topos wird zu e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> wichtigsten – negativen – Bewertungsmaßstäbe<br />

für die <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> und für den Islam <strong>in</strong>sgesamt, womit sich traditionelle Stereotypen <strong>in</strong> <strong>der</strong> wertenden<br />

Wahrnehmung <strong>der</strong> „orientalischen Gesellschaft“ 568 , die wir e<strong>in</strong>leitend schon ausführlich untersucht haben, bestätigen<br />

und befestigen.<br />

<strong>Die</strong> oft emotionale Zurückweisung dieser Urteile sowohl von Islamwissenschaftlern <strong>als</strong> auch von Muslimen<br />

selbst überrascht zwar nicht son<strong>der</strong>lich, wenn man <strong>der</strong>en eigene Betroffenheit berücksichtigt, doch gibt die evidente<br />

Unmöglichkeit e<strong>in</strong>er sachlichen Debatte und Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung zu denken. Wie schon bei an<strong>der</strong>en unserer<br />

„exemplarischen Schlüsselthemen“ wird auch hier deutlich, dass die Grundlagen für e<strong>in</strong>en distanzierten und rational<br />

argumentierenden Diskurs <strong>in</strong> dieser Frage gerade auch von europäischer Seite her nicht gegeben ist, dass <strong>als</strong>o die<br />

aufsche<strong>in</strong>enden Stereotypien – ganz im S<strong>in</strong>ne des ausführlich behandelten „Orientalismus-Komplexes“ – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Maße <strong>in</strong> das von eigenen Erfahrungen und Erfahrbarkeiten abgehobene Zeichenrepertoir <strong>der</strong> eigenen <strong>Politischen</strong><br />

Kultur gehört. Damit wird die Vordr<strong>in</strong>glichkeit e<strong>in</strong>er didaktischen Bearbeitung dieses Themenkomplexes <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Politischen</strong> Bildung deutlich.<br />

Der „gutwillige“ unterrichtliche Ansatz, „auch die an<strong>der</strong>e Seite zu hören“ o<strong>der</strong> Urteile formal zu entschärfen<br />

und zu relativieren führt erfahrungsgemäß zu ke<strong>in</strong>em brauchbaren und weiterführenden Ergebnis. Sicherlich könnten<br />

e<strong>in</strong>ige tendenziell zutreffende relativierende Urteile aus dem Allgeme<strong>in</strong>wissen heraus formuliert werden, wie<br />

z.B.:<br />

o „<strong>Die</strong> Frauenunterdrückung trifft die mo<strong>der</strong>nen städtischen Frauen stärker <strong>als</strong> die Dorfbewohner<strong>in</strong>nen.“<br />

o „Es gibt auch an<strong>der</strong>e Auffassungen im Islam.“<br />

o „Frauenunterdrückung ist e<strong>in</strong> Mittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Herrschaftssicherung.“<br />

o „Gegenüber <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong> Taliban <strong>in</strong> Afghanistan ist die Frauenpolitik <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> eher gemäßigt.“<br />

o „Das Geschlechterverhältnis ist Ausdruck genereller Mo<strong>der</strong>nisierungsdefizite.“<br />

<strong>Die</strong>sen E<strong>in</strong>lassungen ist geme<strong>in</strong>sam, dass sie unspezifisch und nicht im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es erschließenden Diskurses<br />

weiterführend s<strong>in</strong>d. Doch müssen Kategorien auf dieser Ebene notwendig e<strong>in</strong>bezogen und reflektiert werden, da sie<br />

symptomatisch für die Wahrnehmung <strong>der</strong> Gesellschaften des Nahen Ostens <strong>in</strong> unserer <strong>Politischen</strong> Kultur s<strong>in</strong>d: sie<br />

geben Aufschluss über unser Wahrnehmungsvermögen und se<strong>in</strong>e Limitierungen und s<strong>in</strong>d daher die Basis e<strong>in</strong>er<br />

didaktischen Reflexion.<br />

Gerade auch das Thema Islam und die soziale und rechtliche Stellung <strong>der</strong> Frau und die Chancen e<strong>in</strong>es islamischen<br />

Fem<strong>in</strong>ismus bedürfen e<strong>in</strong>es Interpretationsansatzes auf mehreren Rezeptions- und Reflexionsebenen um die<br />

notwendigen Diskursansätze entwickeln zu Könnern.<br />

So soll an den Anfang e<strong>in</strong> Zitat aus e<strong>in</strong>em Referat e<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong> <strong>der</strong> gymnasialen Oberstufe im Fach »Werte<br />

und Normen« (= Ethik) gestellt werden, das offensichtlich e<strong>in</strong>e Wertung <strong>der</strong> Funktion des Islam <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte<br />

zum Thema Frauen <strong>in</strong>tendiert, die auf e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>deutig ahistorischen, kategorial vergegenwärtigenden Ebene stehen<br />

bleibt. Hier zeigen sich Wert- und Argumentationsstrukturen, die den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland „üblichen“<br />

Stereotypen über den Islam entsprechen und dem topos des schon erörterten Orientalismus zuzuordnen s<strong>in</strong>d. Ähn-<br />

568<br />

<strong>Die</strong>se „orientalischen Gesellschaft“ ist ke<strong>in</strong>e gesellschaftliche o<strong>der</strong> historische Tatsache son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> europäisches Konstrukt,<br />

das <strong>als</strong> reduktive Kategorie eurozentrische Wahrnehmungsperspektiven vermittelt. Vgl. dazu Said, Edward W.,<br />

1981: Orientalismus<br />

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