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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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2. Perspektiven <strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung unter den Bed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>er politischen Krisensituation<br />

sollte und irgendwelche harmlosen Außerirdischen vorhaben sollten, uns e<strong>in</strong>en freundlichen Guten-Tag-<br />

Besuch abzustatten, dann kann ihnen <strong>der</strong>zeit nur empfohlen werden, um die Erde e<strong>in</strong>en weiten Bogen zu<br />

machen. 153<br />

Sie lassen sich <strong>in</strong> existentieller Weise <strong>in</strong> den vielfach beobachteten Selbstmordwellen nachweisen. <strong>Die</strong> Politische<br />

Bildung hat hier große Zugangs- und Vermittlungsprobleme, da die adäquate Reaktion auf diese Versuche, mit e<strong>in</strong>er<br />

unbewältigten Krisenerfahrung umzugehen, über das schulische Instrumentarium h<strong>in</strong>ausgeht. Als Ziel kann hier<br />

zunächst formuliert werden, dass es notwendig ist, durch Ich-Stärkung und das Erzeugen von Distanzfähigkeit<br />

rationale und angemessene Zugänge zur Realität – wie<strong>der</strong> – zu eröffnen. Da die Katastrophenphobie aber gleichermaßen<br />

e<strong>in</strong> gesellschaftliches Problem ist, das z.T. sogar von Politikern und Politikdidaktikern verstärkt wird 154 , und<br />

sich zunehmend mit ausdrücklichen Gewaltorientierungen verb<strong>in</strong>det, ist die Schule <strong>der</strong>zeit wohl mit diesem Problem<br />

überfor<strong>der</strong>t. Mut zu machen, Krisen nicht zu Katastrophen umzudeuten und wie<strong>der</strong> an gesellschaftliche<br />

Verhaltensoptionen zu glauben, muss über die schulische Unterrichtssituation h<strong>in</strong>aus Aufgabe von umfassen<strong>der</strong>en<br />

Diskursen <strong>in</strong> unserer Gesellschaft werden.<br />

2.2.2. Befunde zur gesellschaftlichen Umbruchsituation<br />

2.2.2.1. Am Ende <strong>der</strong> Zivilisation angelangt?<br />

E<strong>in</strong>e Angst geht um <strong>in</strong> unserer Gesellschaft: dass die Krim<strong>in</strong>alität immer bedrohlicher wird, dass vom Raubüberfall<br />

auf offener Straße über die Organisierte Krim<strong>in</strong>alität bis h<strong>in</strong> zur K<strong>in</strong><strong>der</strong>pornographie alle Alltagssicherheiten<br />

verloren gehen, dass wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hobbes’sche „Krieg Aller gegen Alle“ e<strong>in</strong>bricht und dass die „Hüter von Sicherheit<br />

und Ordnung“ hilflos dieser Entwicklung ausgesetzt s<strong>in</strong>d. In e<strong>in</strong>er fachlicheren Term<strong>in</strong>ologie ausgedrückt heißt das,<br />

dass die Angst vor <strong>der</strong> Aufgabe des Gewaltmonopols des Staates und <strong>der</strong> Fähigkeit <strong>der</strong> Herrschaft, Ordnungssicherheit<br />

zu vermitteln und zu garantieren, dass schließlich die notwendigen zivilisatorischen M<strong>in</strong>deststandards<br />

verloren gehen, das gesellschaftliche Denken zunehmend dom<strong>in</strong>iert.<br />

Angst bewirkt Desorientierung, Dissonanzerfahrungen können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation Prozesse <strong>der</strong> „selffulfill<strong>in</strong>g<br />

prophecy“ des Zusammenbruchs gesellschaftlicher Ordnungen e<strong>in</strong>leiten. <strong>Die</strong>se Situation ist für aufgeklärte<br />

Gesellschaftsverständnisse und die Orientierung an den politischen Zielen <strong>der</strong> Demokratie und <strong>der</strong> verantwortlichen<br />

Partizipation genauso gefährlich wie für die tatsächliche Problemlösungskompetenz von Gesellschaft, Staat und<br />

Politik.<br />

Dabei spielt es nur e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle, <strong>in</strong> wie weit die Ängste und Befürchtungen real berechtigt s<strong>in</strong>d;<br />

es handelt sich um Realitätsdef<strong>in</strong>itionen, die im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> schon genannten „self-fulfill<strong>in</strong>g prophecy“ wirksam<br />

werden können. Im Kontext <strong>der</strong> Zivilisationstheorie ist <strong>der</strong>zeit sicherlich <strong>in</strong> den globalen Zentren e<strong>in</strong>e Phase <strong>der</strong><br />

Dezivilisierung zu beobachten, die aber <strong>in</strong>haltlich dezidierter und differenzierter untersucht und begründet werden<br />

müsste, <strong>in</strong>dem <strong>in</strong> den Ursachenkomplex die dialektisch aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bezogenen Prozesse <strong>der</strong> Globalisierung und <strong>der</strong><br />

Individualisierung mit e<strong>in</strong>bezogen werden müssten. Dennoch ist die Schlussfolgerung, die <strong>der</strong> Zivilisationstheoretiker<br />

Stefan Breuer [1993] zieht, zunächst e<strong>in</strong>mal erschreckend:<br />

„<strong>Die</strong> Zivilisation, so wird man nach alledem sagen müssen, ist nicht bedroht. Sie ist schon vorbei.“<br />

Er begründet diesen Befund mit e<strong>in</strong>er historischen Überlegung, die letztlich den grundsätzlichen Wandel <strong>der</strong><br />

zu Grunde liegenden Herrschaftsstrukturen betont, bei <strong>der</strong> staatlich-politische, zentralisierte Steuerung <strong>der</strong><br />

Gesellschaft mehr und mehr abgelöst wird durch e<strong>in</strong> ›ökonomisches Machtspiel‹. <strong>Die</strong>se Idee ist <strong>in</strong>sofern<br />

beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong>teressant, <strong>als</strong> sie damit auch e<strong>in</strong>en grundsätzlichen Charakterwandel <strong>der</strong> Staatsgesellschaft<br />

andeutet:<br />

„Höfische Gesellschaften s<strong>in</strong>d [...] hochstrukturierte, durch e<strong>in</strong>e Spitze gegen Antistruktur gekennzeichnete<br />

Ordnungen. Sie grenzen sich nicht nur gegen die Volkskultur mit ihren vielfältigen Riten <strong>der</strong> Statusumkehrung,<br />

<strong>der</strong> Desakralisierung, <strong>der</strong> Inszenierung von Schwellen und Communitaserfahrungen ab (Victor<br />

Turner), son<strong>der</strong>n suchen diese auszuschalten, m<strong>in</strong>destens zu domestizieren. Ihr Idealbild ist die geometrische<br />

Ordnung, wie sie am besten durch die Barockgärten symbolisiert wird. Nicht so die mo<strong>der</strong>ne Gesellschaft: Sie<br />

treibt die Vere<strong>in</strong>seitigung <strong>der</strong> Funktionen so weit, dass sie immer wie<strong>der</strong> Gegenbewegungen hervorruft, die<br />

auf e<strong>in</strong>e Befreiung des jeweils Ausgeschlossenen, Marg<strong>in</strong>alisierten h<strong>in</strong>auswollen. Ihrem Baupr<strong>in</strong>zip entsprechend,<br />

bewältigt die mo<strong>der</strong>ne Gesellschaft die dadurch aufgeworfenen Probleme marktförmig, durch Ausdifferenzierung<br />

von Teilmärkten für antistrukturelle Bedürfnisse. In ihnen f<strong>in</strong>det <strong>der</strong> Ausverkauf des<br />

an<strong>der</strong>norts nicht Lizensierten statt: des Ekstatischen; <strong>der</strong> Besessenheit, <strong>der</strong> charismatischen Verschmelzung,<br />

des pornographierten Begehrens. Mit <strong>der</strong> Rock- und Popmusik, dem Drogenspektrum (zu dem <strong>in</strong>zwischen<br />

153<br />

Eckehard Böhm: Schwarze Engel. <strong>Die</strong> Ufos kommen. Hannoversche Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung, Nr. 226, Mittwoch, 256. September<br />

1996, S. 1. – Leitartikel/Kommentar<br />

154<br />

Wir er<strong>in</strong>nern noch e<strong>in</strong>mal an die Gagel-Debatte, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fußnote zu Abschnitt „2.2.1.3. Phasen des Wandels <strong>der</strong> Zielparadigmen<br />

<strong>der</strong> <strong>Politischen</strong> Bildung“ dokumentiert wurde.<br />

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