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Die Islamische Revolution in Iran als Gegenstand der Politischen ...

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3. <strong>Die</strong> Ereignisse <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> <strong>Revolution</strong><br />

Aspekt <strong>der</strong> Herrschaft, das Verhältnis zu Tradition und Geschichte, das für die Legitimation von Herrschaft sehr<br />

wichtig ist, wird nicht thematisiert:<br />

„<strong>Die</strong> Identität von Schah und Staat führte letztlich wegen des ger<strong>in</strong>gen Interesses des Hofes an e<strong>in</strong>er Industrialisierung zu<br />

e<strong>in</strong>er Vernachlässigung <strong>der</strong> Manufakturen und Werkstätten. Das für die Entwicklung und den Aufbau e<strong>in</strong>er Industrie<br />

benötigte Kapital wurde durch die Verflechtung von Staats- und Šahvermögen nicht für öffentliche Ausgaben freigestellt,<br />

son<strong>der</strong>n vom Schah nach Gutdünken für die eigenen Interessen, die selten mit denen des Staates übere<strong>in</strong>stimmten,<br />

verwandt. Das <strong>der</strong> Hofhaltung und dem Hof zukommende Kapital musste letztlich von <strong>der</strong> arbeitenden Bevölkerung<br />

aufgebracht werden. Anstatt <strong>der</strong> Industrialisierung des Landes, <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Infrastruktur o<strong>der</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

Forschung zu dienen, wurde es für unproduktive Sektoren, vor allem für den Aufbau e<strong>in</strong>es mo<strong>der</strong>nen, nach<br />

europäischen Muster aufgebauten, Heeres ausgeben.“ 252<br />

<strong>Die</strong> Konzentration auf den Ausbau des Militärs hat durchaus e<strong>in</strong>e gewisse <strong>in</strong>nere Logik und f<strong>in</strong>det im Lande selbst<br />

auch bei Oppositionellen e<strong>in</strong>e gewisse Unterstützung. Aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Šah-Herrschaft ist das Militär nicht<br />

nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>setzbares wichtiges Machtmittel, son<strong>der</strong>n dient auch gegenüber den ausländischen Mächten <strong>als</strong> Erweis<br />

<strong>der</strong> eigenen Souveränität. <strong>Die</strong>se Perspektive entspricht auch dem westlichen Staatsverständnis, <strong>in</strong> dem staatliche<br />

Souveränität mit militärischer Verteidigungsfähigkeit, d.h. mit <strong>der</strong> Fähigkeit, nach außen h<strong>in</strong> Krieg zu führen, und<br />

nach <strong>in</strong>nen die Zentralmacht mit Gewaltmitteln zu sichern, gleichgesetzt wird.<br />

Im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Opposition hat das Militär e<strong>in</strong>e doppelte Funktion: e<strong>in</strong>mal repräsentiert es gerade mit <strong>der</strong><br />

Demonstration von Souveränität und Unabhängigkeit e<strong>in</strong>en mo<strong>der</strong>nen Staatsbegriff, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Intention nach e<strong>in</strong>em<br />

mo<strong>der</strong>nen nation build<strong>in</strong>g entspricht; zum an<strong>der</strong>en ist das Militär durch den Zwang zu e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Bewaffnung<br />

oftm<strong>als</strong> <strong>der</strong> Bevölkerungsteil, <strong>der</strong> am <strong>in</strong>tensivsten mit <strong>der</strong> westlichen Mo<strong>der</strong>ne <strong>in</strong> Berührung kommt und von dem<br />

man sich den Wunsch und die Fähigkeit, e<strong>in</strong>e Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Gesellschaft e<strong>in</strong>zuleiten, am ehesten verspricht. In<br />

<strong>der</strong> Türkei war seit <strong>der</strong> Jungtürkischen <strong>Revolution</strong> das Militär, dem Mustafa Kemal Paşa – <strong>als</strong> erster Staatschef <strong>der</strong><br />

Türkischen Republik Atatürk genannt – entstammte, Antrieb je<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung und <strong>der</strong> Bildung e<strong>in</strong>es westlichen<br />

Staates.<br />

Faktisch ergibt sich jedoch noch e<strong>in</strong>e weitere gegenläufige politische Dimension. Der ausländische E<strong>in</strong>fluss<br />

und <strong>der</strong> Waffenhandel führen auch <strong>in</strong> politisch-ökonomische Abhängigkeiten. <strong>Die</strong>se stehen e<strong>in</strong>er autochthonen<br />

sozio-ökonomischen Entwicklung entgegen. Gleichzeitig beschränkt sich die militärische Mo<strong>der</strong>nisierung auf die<br />

technisch-wissenschaftliche Qualifikation. Soziale und politische Qualifikationen bleiben von dieser Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Interessenperspektive des autoritär geführten und strikt hierarchisch aufgebauten Militärs zurück.<br />

Militärische Realitätssicht wi<strong>der</strong>spricht deshalb generell emanzipatorischen und kritischen Gesellschaftsauffassungen<br />

und damit strukturell zwangsläufig e<strong>in</strong>er vollständigen Akzeptanz <strong>der</strong> Menschenrechtsvorstellungen, die im<br />

Kern ja e<strong>in</strong>en Schutz vor Staat und Militär be<strong>in</strong>halten.<br />

<strong>Die</strong> Stellung <strong>der</strong> Mullahs<br />

Der folgende Abschnitt aus e<strong>in</strong>em Schülerreferat dürfte se<strong>in</strong>e Quelle und Begründung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Propagandaschrift <strong>der</strong><br />

<strong>Iran</strong>ischen KP haben. <strong>Die</strong> Geistlichkeit <strong>als</strong> ausbeuterische Klasse zu verstehen, entspricht zwar dem marxistischen,<br />

<strong>in</strong> Europa entwickelten Weltbild, dürfte aber <strong>in</strong> Kenntnis <strong>der</strong> traditionellen Gesellschaftsglie<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> <strong>Iran</strong> e<strong>in</strong>e<br />

unangemessene E<strong>in</strong>schätzung se<strong>in</strong>.<br />

Dass die islamische Gesellschafts- und Wertordnung sicher nicht ohne weiteres den staatsgesellschaftlichen<br />

Normen und Erwartungen Europas entspricht, dürfte unwi<strong>der</strong>sprochen bleiben. Doch impliziert diese E<strong>in</strong>schätzung,<br />

dass es möglich wäre, Gesellschaftsordnungen e<strong>in</strong>fach (revolutionär) zu ersetzen und damit zu mo<strong>der</strong>nisieren.<br />

Versuche zur westlichen Mo<strong>der</strong>nisierung durch das Šah-Regime <strong>der</strong> Pahlewis blieben <strong>als</strong> Herrschaftsoktroi ebenso<br />

erfolglos wie Ansätze zur Verwestlichung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kadjarenzeit. Dazu bedurfte es durchaus nicht des politischen<br />

Wi<strong>der</strong>standes <strong>der</strong> islamischen Geistlichkeit. Im Gegenteil: <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige grundlegende gesellschaftliche Umsturz, <strong>der</strong><br />

<strong>als</strong> <strong>Revolution</strong> bezeichnet werden könnte, war ja gerade die <strong>Islamische</strong> <strong>Revolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Iran</strong>, die von dieser Gruppe<br />

maßgeblich getragen wurde. <strong>Die</strong> gesellschaftliche Integrationskraft <strong>der</strong> islamischen Funktionsträger sollte auch für<br />

die Kadjarenzeit nicht unterschätzt werden, obwohl, wie überall, auch hier Fraktionskämpfe und Machtstreben e<strong>in</strong>e<br />

verharmlosend-optimistische Perspektive <strong>als</strong> ebenso verfälschend erweisen würden.<br />

„<strong>Die</strong> zweite Klasse, die das Volk wirtschaftlich ausbeutete, politisch <strong>in</strong> den Krallen <strong>der</strong> Kadjaren hielt und dadurch zur<br />

Erhaltung se<strong>in</strong>es kulturellen und sozialen unterentwickelten Standes beigetragen hatte, war die Geistlichkeit. Wenn die<br />

Könige sich durch Gesetze bzw. militärische und polizeilich Macht die Grundlagen <strong>der</strong> Steuern und die Möglichkeit ihrer<br />

E<strong>in</strong>treibung zu schaffen versuchte, so brachten die Geistlichen durch den Koran und die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schariet festgeschriebenen<br />

Gesetze die Bevölkerung so weit, dass sie unter moralischem Druck selbst ihr Existenzm<strong>in</strong>imum <strong>in</strong> Form von Steuern zur<br />

Verfügung stellte. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>nahmen <strong>der</strong> Geistlichkeit, <strong>der</strong> Regierenden und <strong>der</strong> Basari wurden <strong>als</strong> Kapital akkumuliert. Aber<br />

diese Gruppen waren nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, das Kapital <strong>in</strong> den Produktionssektor zu <strong>in</strong>vestieren, um somit e<strong>in</strong>e Basis für den<br />

ökonomischen Aufbau des Landes zu schaffen.“ 253<br />

252<br />

Zitat aus e<strong>in</strong>em Schülerreferat. Vgl. Vorbemerkung zum Abschnitt 3.1.1.<br />

253<br />

ibid.<br />

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