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Semantischer Mehrwert und Multifunktionalität von ...

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3 Das Wesen der Phraseologie als sprachliche Erscheinung<br />

<strong>und</strong> Anschaulichkeit des Phraseologismus hat keine eindeutige Beziehung<br />

mehr zur Gesamtbedeutung. Bei ihrer Prägung sind Phraseologismen meist<br />

metaphorisch motiviert; der Motivationszusammenhang geht erst im weiteren<br />

Gebrauch verloren. Gréciano (1991:91) spricht <strong>von</strong> der obligatorischen<br />

Demotivation, d.h. der lexikalischen Aufhebung der wörtlichen Bedeutung.<br />

Insbesondere bei voll idiomatisierten Wendungen, die eine neue semantische<br />

Einheit bilden, läßt sich die ursprüngliche Motivierung nur mit sprachhistorischen<br />

Kenntnissen erschließen. Ein Beispiel für diesen Sachverhalt wäre<br />

bury the hatchet, was soviel bedeutet wie "to stop fighting or arguing; to end<br />

old resentments" <strong>und</strong> seine sprachhistorische Erklärung darin findet, daß bei<br />

einigen Idianerstämmen die Streitaxt als Symbol des Krieges gilt. Solange<br />

Friede herrscht, bleibt die Streitaxt in der Erde vergraben, wird sie<br />

ausgegraben, so bedeutet das Krieg. Durch J.F. Coopers Leatherstocking-Tales<br />

wurde dieser Brauch übrigens auch in Europa bekannt <strong>und</strong> der Phraseologismus<br />

u.a. ins Deutsche übersetzt (das Kriegsbeil begraben). Interessanterweise<br />

existiert zu dieser phraseologischen Ganzheit auch ein Antonym 120 :<br />

take/dig up the hatchet bzw. das Kriegsbeil ausgraben. Trotz ihrer Historizität<br />

bleiben solche vollidiomatische, <strong>und</strong>urchsichtige Phraseologismen weiterhin<br />

als sprachliche Zeichen bestehen, auch wenn der Muttersprachler meist nur<br />

eine <strong>von</strong> der Undurchsichtigkeit begünstigte, vage Vorstellung <strong>von</strong> ihrer<br />

Bedeutung hat (Palm 1995:13).<br />

In diesem Zusammenhang bietet sich die Unterscheidung zwischen<br />

diachronischer <strong>und</strong> synchronischer Motiviertheit 121 an. Unter diachronischer<br />

Motiviertheit wird die ursprüngliche Motivierung verstanden, die sich nur mit<br />

sprachhistorischen Kenntnissen erschließen läßt (siehe oben). Synchronische<br />

nen Tätigkeitssphären, zurückzuverfolgen, da sich das gesellschaftliche Bewußtsein im Laufe<br />

mehrerer Generationen verändert hat".<br />

120 Auf die paradigmatischen Relationen im Phraseolexikon, d.h. die Stellung eines Phraseologismus<br />

in seinem Verhältnis zu anderen Phraseologismen im lexikalischen System einer<br />

Sprache, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Es sei hier nur darauf<br />

verwiesen, daß zu diesen paradigmatischen Relationen Synonyme, Antonyme, Polyseme,<br />

Homonyme sowie phraseologische Reihen zählen. Vgl. dazu Roos (1989:232-234) <strong>und</strong> Palm<br />

(1995:48-61).<br />

121 Vgl. dazu Burger (1973:26ff), der eine Unterscheidung trifft zwischen "objektiver <strong>und</strong> subjektiver<br />

Motiviertheit", Koller (1977:15ff), Gläser (1986:51ff), Hessky (1987:29ff, 1992:<br />

85ff), Sornig (1988:281). Bellmann (1988) liefert einen Überblick über verschiedene Motivationstypen<br />

<strong>und</strong> setzt dann die Motivation in Beziehung zur Idiomatizität. Munske (1993)<br />

beschäftigt sich im Rahmen der Ausgangsfrage "Wie entstehen Phraseologismen?" ebenfalls<br />

mit den Phänomenen der Motiviertheit <strong>und</strong> Idiomatizität, indem er "Haupttypen der Phraseologiebildung<br />

nach Art ihrer Motivation" (489ff) unterscheidet.<br />

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