Dichte und Schrumpfung - Leibniz-Institut für ökologische ...
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<strong>Dichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Schrumpfung</strong> – Christiane Westphal IÖR Schriften │ Band 49 • 2008 49<br />
Richtwerte sind verbindliche Zielwerte, die z. B. durch gesetzliche Verankerung einen<br />
normativen Charakter erhalten. Orientierungswerte hingegen sind Angaben<br />
politisch erwünschter Werte oder Erfahrungswerte wie z. B. Maximalwerte des Flächenbedarfs<br />
(BORCHARD 1969, 267; RITTER 1995, 318).<br />
2.2.1 Kritik an der Nutzung quantifizierter Richt- <strong>und</strong><br />
Orientierungswerte<br />
Im Rahmen der Kritik an linearer <strong>und</strong> rationaler Planung in den 1970er <strong>und</strong> 1980er<br />
Jahren (WIECHMANN, HUTTER 2008) wurde die Anwendbarkeit quantifizierter Zielvorgaben<br />
in der Planung hinterfragt. Dies gilt besonders <strong>für</strong> Zielwerte angemessener<br />
<strong>Dichte</strong>n. Kritisiert wird, dass gesetzlich vorgeschriebene Richtwerte, wie z. B. <strong>Dichte</strong>vorgaben<br />
in der Baunutzungsverordnung, das Selbstverständnis der Planer <strong>und</strong><br />
Architekten auf die technische Umsetzung dieser Richtwerte reduzieren <strong>und</strong> diese<br />
von ihrer eigenen Verantwortung entheben (BORCHARD 1969, 267). Als negativ hervorgehoben<br />
wird, vor allem im Rahmen der Kritik am Leitbild ‚Urbanität durch <strong>Dichte</strong>’<br />
(s. Kapitel 3.2), die Quasi-Objektivität von Richt- <strong>und</strong> Orientierungswerten. In<br />
Wirklichkeit spiegelten diese jedoch vor allem die Interessen ihrer Urheber wider<br />
<strong>und</strong> berücksichtigten die Profitinteressen der Bauwirtschaft stärker als die Bedürfnisse<br />
der Planungsbetroffenen (HÜBNER 1969, 270). Je nach ökonomischer, physischer<br />
oder gesellschaftlicher Sichtweise ergeben sich jedoch ganz unterschiedliche<br />
Beurteilungen der <strong>Dichte</strong>werte (ATTESLANDER 1975, 16f.).<br />
Richt- <strong>und</strong> Orientierungswerte beruhen jeweils auf einem Konsens über Wertvorstellungen<br />
zu einem bestimmten Zeitpunkt <strong>und</strong> berücksichtigen sich ändernde Lebensstile<br />
<strong>und</strong> gesellschaftliche Wertvorstellungen sowie veränderte Rahmenbedingungen<br />
nur unzureichend. Einem starken Wandel unterworfen ist dabei insbesondere<br />
die Wohnfläche je Einwohner (ATTESLANDER 1975, 18), deren ständiger Zuwachs zu<br />
reduzierten Einwohnerdichten führt. Um die Einwohnerdichten stabil zu halten werden<br />
immer höhere Bebauungsdichten erforderlich. Kritisiert wird auch die häufig<br />
stereotype Anwendung von Richt- <strong>und</strong> Orientierungswerten, die städtischer Variabilität<br />
<strong>und</strong> Heterogenität sowie der spezifischen lokalen Situation nur unzureichend<br />
Rechnung trägt (BORCHARD 1969, 268; GISEKE, RENKER 1998, 560f.). Ebenso berücksichtigen<br />
quantifizierte Richt- <strong>und</strong> Orientierungswerte Qualitätsmerkmale wie<br />
z. B. die Gestaltung von Freiräumen, die Form eines Siedlungsgebiets oder die<br />
Qualität des städtebaulichen Entwurfs nicht ausreichend (KRAU 1994, 221; STEIDLE-<br />
SCHWAHN, HOFFMANN 2005, 46f.). Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wurde bei der Frage<br />
nach angemessenen oder optimalen <strong>Dichte</strong>n stets die Notwendigkeit zur Berücksichtigung<br />
städtebaulicher Qualitätskriterien betont (HOHENADL 1977, 3; KELLNER<br />
1997, 67; RAINER 1968, 17).<br />
So kann die Qualität der <strong>Dichte</strong> je nach benachbarter Fläche verschieden empf<strong>und</strong>en<br />
werden: die Wohnqualität eines Gebietes z. B. wird bei gleicher <strong>Dichte</strong> anders<br />
beurteilt, je nachdem ob Landschaft oder ein dicht bebautes Wohngebiet angrenzt.<br />
Weiterhin können die „<strong>Dichte</strong>erlebnisse“ in ein <strong>und</strong> demselben Gebiet tageszeitlich<br />
sehr stark schwanken, vor allem in Gebieten geringer Nutzungsmischung wie<br />
Schlafstädten oder Gebieten mit einem hohen Anteil an Büronutzungen (ATTESLAN-<br />
DER 1975, 37ff.).<br />
Neben aller Kritik haben Richt- <strong>und</strong> Orientierungswerte im Planungsprozess auch<br />
Vorteile. Gesetzlich vorgeschriebene Richtwerte können den Planer von der Aufgabe<br />
entbinden über eigene oder fremde Wertvorstellungen entscheiden zu müssen<br />
(BORCHARD 1969, 268). Entscheidungen über Wertmaßstäbe <strong>und</strong> Ziele bleiben so-