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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Schädlinge in Brandenburg (2007)<br />

dass das heutige naturphilosophisch bewegte Gerede von der Konvivialität hier<br />

seine anthropozentrische Grenze findet.<br />

1.2. Zweite Annäherung<br />

An <strong>die</strong> Stelle einer irgendwie reflexhaften Schädlingsabwehr tritt irgendwann in der<br />

Geschichte das reflektierte und kulturell institutionalisierte Muster als Grundlage<br />

eines akuten wie prognostischen Verhaltens. Dies <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Geburtsstunde der Schädlingsbekämpfung229,<br />

in der auch <strong>die</strong> Kategorien fun<strong>die</strong>rt werden, <strong>die</strong> dann allmählicher<br />

Schärfung unterliegen: Ungeziefer, Schädlinge, Vorratschädlinge, Pflanzenschädlinge,<br />

Lästlinge, Parasiten, Krankheitserreger, Unkraut.<br />

Im Rahmen der Zielsetzung <strong>die</strong>ser Arbeit <strong>ist</strong> es nicht erforderlich auf <strong>die</strong> terminologischen<br />

Karrieren einzugehen. 230 Der Begriff ‚Schädling‛ kommt als Neologismus<br />

um 1880 auf, davor kennt <strong>die</strong> deutsche Sprache „schädliche“ , „culturschädliche“<br />

oder „grausame Thiere“ und <strong>mein</strong>t damit in der Regel <strong>die</strong> größeren<br />

Tiere, Säuger wie Vögel, während <strong>die</strong> Insekten (gr. entomos, aber auch andere<br />

Arthropoden), Reptilien und Amphibien das eigentliche „Ungeziefer“ stellen.<br />

Sehr bedenkenswert erscheint mir, dass bereits einer der ersten wissenschaftlichen<br />

Entomologen, Johann Leonhard Frisch (1666 -1743), sich mit etymologischen<br />

Details befasst hat. 231 Wegen seiner philologischen Bildung <strong>ist</strong> <strong>die</strong> von ihm<br />

gegebene Ableitung von einigem Gewicht, nicht nur in Bezug auf das ‚Ungeziefer‛<br />

sondern auch auf <strong>die</strong> Tatsache, dass er sich in einer überraschend modern anmutenden<br />

Weise Gedanken über <strong>die</strong> mit dem Wort transportierten Denkfiguren und<br />

Fun<strong>die</strong>rungen macht:<br />

Der Übersetzer des Blankartischen Schau-Platzes der Raupen 232 be<strong>die</strong>nt sich des<br />

Wortes Schmetterling, welches in seinem Dialecto von allen Sommer-Vögeln gebräuchlich<br />

<strong>ist</strong>; aber im Hochteutschen da man schmeißen für schmeiten oder<br />

schmeeten schreibt, als wovon Schmetterling herkommt, <strong>ist</strong> es dennoch nicht<br />

aufgenommen. Da hat man eben in <strong>die</strong>ser Bedeutung das Wort Geschmeiß, wird<br />

aber von mehr Insecten, als von Schmetterlingen gebraucht. Indessen kan doch<br />

<strong>die</strong>ser Name denjenigen Sommer-Vögeln bleiben, welche mit ihren Eyern und<br />

daraus kriechenden Raupen <strong>die</strong> Pflantzen, sonderlich Bäume und Kohl, be-<br />

229 Ergiebige Zeittafeln <strong>zur</strong> Geschichte des Pflanzenschutzes und der Schädlingsbekämpfung unter<br />

besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Deutschland, jedoch ohne jede h<strong>ist</strong>orische Reflexion,<br />

bei Mayer (1959) und bei Braun (1933). Erstaunlicherweise finden sich mehr h<strong>ist</strong>orische<br />

Abhandlungen über <strong>die</strong> Schädlingsbekämpfungen der letzten einhundert Jahre als Abhandlungen<br />

zu denen der davor liegenden 10.000 Jahre. Auf Arbeiten <strong>die</strong>ser jüngeren Phase gehe ich nicht<br />

ein. Sie nehmen entweder ihren Ausgang um <strong>die</strong> Zeit der Reblauskalamität in Mitteleuropa oder<br />

sind Folgeprodukte der von Rachel Carson angestoßenen Diskussion. Eine Überblicksarbeit der<br />

letzten Kategorie bietet z. B. Winston (1997).<br />

230 Hierzu Herrmann (2006a), Jansen (2003).<br />

231 Frisch war stu<strong>die</strong>rter Theologe und Altphilologe, seit 1699 am Gymnasium zum Grauen Kloster<br />

in Berlin tätig, ab 1727 bis zu seinem Tod als Rektor. 1706 wurde er Mitglied der Preußischen<br />

Akademie der Wissenschaften, ab 1731 Direktor der h<strong>ist</strong>orisch-philosophischen Klasse.<br />

232 Ge<strong>mein</strong>t <strong>ist</strong> Blankaart (1690).<br />

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