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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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256<br />

Ayalas 390 Geschichte seines südamerikanischen Volkes bis <strong>zur</strong> Ankunft der Europäer,<br />

<strong>die</strong> präzisen Beobachtungen, <strong>die</strong> uns Babur, 391 der Gründer der indischen<br />

Mogulnherrschaft, hinterlassen hat, Voltaires Candide, Kants Anthropologie 392<br />

und Humboldts Kosmos sind nur einige namhafte Beispiele aus einer sehr langen<br />

L<strong>ist</strong>e, <strong>die</strong> selbstverständlich bis in <strong>die</strong> vorschriftliche Tradition verlängert werden<br />

muss. Sie bezeugt, dass der reflektierende Ge<strong>ist</strong> dem Umgang des Menschen mit<br />

der „Natur“ und ihren Auswirkungen auf den Menschen zu allen Zeiten eine erhebliche<br />

Bedeutung beimaß. Sicherlich <strong>ist</strong> hierin auch eine Anerkennung der Bedeutung<br />

materieller Faktoren für den Lauf der Geschichte zu sehen. Die Zuschreibung<br />

von Sinn und Bedeutung eben auch der naturalen Elemente verleihen der<br />

sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens ihre je spezifische kulturelle Qualität.<br />

393 Insofern muss <strong>die</strong> Auseinandersetzung mit „Natur“, mit „Umwelt“ für jede<br />

Gesellschaft, für jede Kultur zentral sein. Sie <strong>ist</strong> es selbst dann, wenn sie <strong>die</strong> Überwindung<br />

der Leiblichkeit sucht und eine verge<strong>ist</strong>igte Lebensführung in asketischer<br />

Reduktion aller Ansprüche gegen eine wie immer aussehende „Umwelt“ als Leitidee<br />

einführt.<br />

Niemand kann der Umwelt entkommen, 394 weil sie konstitutiver Teil seiner<br />

selbst <strong>ist</strong>. Seit ihrer spezifischen Entdeckung durch Johannes von Uexküll<br />

(1864-1944) 395 <strong>ist</strong> sie, ge<strong>mein</strong>sam mit der Genetik, das bestimmende Ep<strong>ist</strong>em der<br />

390 Guaman Poma de Ayala (ca. 1550 – nach 1615), adeliger peruanischer Herkunft, zeitweilig in<br />

spanischen Diensten, beschrieb in „Nueva Crónica y Buen Gobierno“ eine Geschichte seines Volkes<br />

und seiner Kultur in vorspanischer Zeit. Eine umwelth<strong>ist</strong>orische Aufarbeitung des Werks steht aus.<br />

Digital erreichbar unter: http://www.kb.dk/permalink/2006/poma/info/es/frontpage.htm<br />

391 Das Baburnama, Das Tagebuch von Babur (1483 – 1530), enthält eine Fülle umwelth<strong>ist</strong>orischer<br />

Details aus seinem Herrschaftsbereich (Stammer 1988). Aufgearbeitet sind bisher <strong>die</strong> zoologischen<br />

und botanischen Hinweise des Werks.<br />

392 Als einer der Gründerväter der Anthropologie hatte sich auch Kant mit den Auswirkungen der<br />

naturalen Determinanten als Ursache der Variabilität des äußeren Erscheinungsbildes des Menschen<br />

intensiv auseinander gesetzt. Seine Betonung u.a. der Klimafaktoren <strong>ist</strong> im Grundsatz und auf einer<br />

sehr allge<strong>mein</strong>en Ebene richtig, <strong>die</strong> von ihm angeführten konkreten Kausalitäten sind jedoch naturwissenschaftlich<br />

nicht zutreffend. Im Prinzip führen ihn <strong>die</strong>se behaupteten Kausalitäten, wie andere<br />

zeitgenössische Autoren auch, zu Idealtypologien. Solche werden Ende des 19. Jh.s in den entstehenden<br />

„geographischen Determinismus“ übernommen.<br />

393 „ ‚Kultur‛ <strong>ist</strong> ein vom Standpunkt des Menschen aus mit Sinn und Bedeutung bedachter endlicher<br />

Ausschnitt aus der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens. Sie <strong>ist</strong> es für den Menschen auch<br />

dann, wenn er einer konkreten Kultur als Todfeind sich entgegenstellt und ‚Rückkehr <strong>zur</strong> Natur’<br />

verlangt. Denn auch zu <strong>die</strong>ser Stellungnahme kann er nur gelangen, indem er <strong>die</strong> konkrete Kultur auf<br />

seine Wertideen bezieht und ‚zu leicht‛ befindet.“ Max Weber (1988a, S. 180).<br />

394 Hier und im Folgenden wird ausschließlich auf den Umweltbegriff der Lebenswissenschaften<br />

bezogen. Ausschließlich aus <strong>die</strong>sem Bezug ergeben sich spezifische geschichtstheoretische Anschlüsse,<br />

weil <strong>die</strong> auch mögliche Lesart „Umgebung“ für „Umwelt“ sich für jede beliebige andere Geschichtsbetrachtung<br />

hergibt.<br />

395 Umwelt und Innenwelt der Tiere 1909. Innerhalb <strong>die</strong>ses Aufsatzes beziehe ich mich auf <strong>die</strong> zweite,<br />

verbesserte Auflage von 1921.- In der Sekundärliteratur finden sich häufiger sinngemäße Hinweise,<br />

bei denen der Eindruck erweckt wird, sie griffen auf von Uexkülls „Umwelt und Innenwelt“<br />

<strong>zur</strong>ück. Tatsächlich lesen sich in seiner „Theoretischen Biologie“ [1928] einige Passagen als gereifte<br />

Erläuterungen zu „Umwelt und Innenwelt“, auf <strong>die</strong> dann stellvertretend <strong>zur</strong>ückgegriffen wird. Auch<br />

stammt das berühmt gewordene Zeckenbeispiel nicht aus „Umwelt und Innenwelt“, sondern <strong>ist</strong> erst<br />

1934 veröffentlicht worden (von Uexküll & Kriszat 1934).

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