06.01.2013 Aufrufe

"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

316<br />

land beobachtet, beide Fälle in Stade, 1939 ein Fall bei Lüneburg und 1944 einer<br />

bei West-Sternberg in der Neumark. In allen Fällen war <strong>die</strong> Bekämpfung erfolgreich,<br />

aber eigentlich waren es nur Scharmützel vor dem großen „Abwehrkampf“<br />

(1936 – 1948), den schließlich der Colorado-Käfer gewann.<br />

Der Erfolg der frühen Abwehrmaßnahmen war nicht zuletzt einem verhältnismäßig<br />

hohen informationellen Aufwand zu verdanken, mit dem <strong>die</strong> Verwaltung<br />

wie auch eine engagierte Öffentlichkeit auf <strong>die</strong> Käferbedrohung 1877 reagierte.<br />

Vorteilhaft war dabei auch, dass es praktisch keine einheimischen Europäischen<br />

Schädlinge gab, <strong>die</strong> den oberirdischen Teilen der Kartoffel bedrohlich werden<br />

konnten. Damit waren <strong>die</strong> Abwehrkräfte auf nur eine Tierart zu konzentrieren. 574<br />

Das Preußische Landwirtschaftsmin<strong>ist</strong>erium ließ 1877 den erwähnten Handzettel<br />

drucken, der nicht nur eine Farb-Abbildung des Entwicklungszyklus der<br />

Käfers enthielt, sondern auch Teile der Schädlingsgeschichte des Kartoffelkäfers. 575<br />

Didaktisch völlig neue Wege beschritt <strong>die</strong> Kaiserliche Hof-Chocoladen-Fabrik<br />

Gebr. Stollwerck in Köln: „Die Dampf-Chocoladen-Fabrik der Gebrüder Stollwerk hat auf<br />

Anlaß des Bürgerme<strong>ist</strong>ers Steinkopf in Mülheim am Rhein, zu Nutz und Frommen der Landwirtschaft,<br />

den bösen amerikanischen Gast, den Coloradokäfer, samt Puppen, Larven und Eiern,<br />

alles in natürlicher Größe und Zeichnung und in möglichst treuen Farben nachgebildet. Die<br />

kleinen Gebilde sind von täuschender Ähnlichkeit, so dass man <strong>die</strong>selben, wie sie in niedlichen,<br />

mit Glasdecken versehenen Kästchen auf ebenfalls nachgebildetem Kartoffelkraut dasitzen, beim<br />

ersten Blick für wirkliche Eier, Larven, Puppen und Kartoffelkäfer zu halten versucht <strong>ist</strong>. Ein<br />

solches Kästchen enthält auf der unteren Seite eines Blattes 14 Eier, ferner eine Larve von 5-6<br />

Tagen, eine zweite von ca.14 Tagen und eine dritte ausgewachsene und daneben eine Puppe und<br />

einen Käfer. Das Ganze kostet eine Mark. Wir möchten Landleute und Lehrer besonders auf<br />

<strong>die</strong>se schöne und wahrheitsgetreue Darstellung des Coloradokäfers aufmerksam machen, da <strong>die</strong>selbe<br />

dazu angethan <strong>ist</strong>, Jeden mit dem verderblichen Insect in allen Sta<strong>die</strong>n seiner Entwicklung<br />

bekannt zu machen.“ 576 Die Repliken wurden aus Puderzucker und Tragant, 577 gefertigt<br />

und waren offenbar handwerklich wie didaktisch von beispielhafter Qualität. 578<br />

3.3 Ein Schädling etabliert sich<br />

Die schädlichen Folgen für <strong>die</strong> Agrarwirtschaft durch eine Verschleppung des<br />

Käfers nach Europa konnten durch dessen Beseitigung 1877 und in einzelnen<br />

späteren Fällen abgewendet werden. Ein Transfer des Käfers nach Bordeaux führ-<br />

574 Nach dem Zweiten Weltkrieg werden <strong>die</strong> Raupen des Totenkopfschwärmers Acherontia atropos<br />

häufiger auf Kartoffelpflanzen angetroffen. Dieser Schwärmer <strong>ist</strong> ein afrikanischer Wanderfalter<br />

Seine Raupen sollen der Kartoffelpflanze noch stärker zusetzen als <strong>die</strong> des Koloradokäfres. Insgesamt<br />

<strong>ist</strong> er jedoch selten und entsprechend auch als Kartoffelschädling zu vernachlässigen.<br />

575 Es handelt sich um Übernahmen aus den Broschüren Gerstaeckers (1875, 1877).<br />

576 Kölner Zeitung, Nr. 187 für 1877<br />

577 Einem Rohstoff der Zuckerbäcker mit hervorragenden Eigenschaften <strong>zur</strong> Oberflächenabformung<br />

578 Die Kästchen hatten eine Größe von 9x6x2 cm. Es befinden sich zwei Exemplare im Kölner<br />

Schokoladen Museum.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!