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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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338<br />

Anbau von Kartoffeln regeln, denn eine andere Futterpflanze steht ihm jenseits<br />

der Rocky Mountains nicht <strong>zur</strong> Verfügung.<br />

Selbstverständlich hinterließ der Käfer auch im normativen Bereich seine Spuren,<br />

was angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Kartoffel in vielen Europäischen<br />

Ländern nahe lag. Die Schädlingsgesetzgebung des ausgehenden 19. Jh.s<br />

gehört zu den ersten transnationalen Gesetzgebungen der Neuzeit und erkennt<br />

früh <strong>die</strong> Bedrohung auch durch den Colorado-Käfer. Aber mit der Einsicht in <strong>die</strong><br />

Notwendigkeit der Schädlingsbekämpfung, den sich hierzu eröffnenden technischen<br />

Möglichkeiten durch Innovationen der chemischen Industrie entsteht auch<br />

eine Verschiebung im Blick auf den Schadorganismus. Im Hintergrund bildet der<br />

Darwinismus mit seiner vulgärkapital<strong>ist</strong>isch-liberal<strong>ist</strong>ischen Variante des Sozialdarwinismus<br />

eine Folie, vor der auch <strong>die</strong> Betrachtung von Menschen als Schadorganismen,<br />

als letztlich mit den Mitteln der Insektenbekämpfung zu vernichtenden<br />

Schädlingen, möglich wurde. 646<br />

Im Bereich der Schädlingsbekämpfung haben <strong>die</strong> Anstrengungen dann in den<br />

1940er Jahren zu wirksamen synthetischen Insektiziden auch gegen den Kartoffelkäfer<br />

geführt. Doch <strong>die</strong> vereinten Anstrengungen betroffener bäuerlicher Ge<strong>mein</strong>schaften,<br />

<strong>die</strong> ihren Ausdruck im koordinierten Absammeln der Eier, Raupen und<br />

Imagines fanden, waren durchaus keine hilflosen Strategien. Immerhin war es mit<br />

derart einfachen Mitteln möglich, <strong>die</strong> Ausbreitung des Käfers lange aufzuhalten.<br />

Selbst seine erneute Eindämmung schien noch 1943 möglich. Die militärischpolitische<br />

Lage entschied allerdings zugunsten des Schädlings.<br />

Schädlingsbekämpfung gilt vordergründig als eine selbstverständliche und ausgemachte<br />

Sache in Agrargesellschaften und <strong>ist</strong> es selbstverständlich auch. Obwohl<br />

einerseits reflexhafte Handlung, <strong>ist</strong> sie andererseits institutionalisiert. Ihr unterliegt<br />

ein Grundproblem, das sich aus dem Umgang des Menschen mit der Natur, mit<br />

den Mitlebewesen ergibt und vor allem <strong>die</strong> Denker beschäftigte, <strong>die</strong> sich mit dem<br />

Zustand der Welt befasst haben. Wenn <strong>die</strong> Welt, wie wir sie kennen, nach den<br />

Gottesbeweisen der Neuzeit <strong>die</strong> beste aller denkbaren Welten <strong>ist</strong>, wie kommen<br />

dann <strong>die</strong> Schädlinge in <strong>die</strong> Welt? Gibt es ein Recht, das Werk des Schöpfers durch<br />

Schädlingsbekämpfung zu korrigieren? Welche Handlungsgrenzen setzt sich der<br />

Mensch selbst gegenüber nichtmenschlichen Arten? 647<br />

Überraschend taucht der Kartoffelkäfer im Arsenal der Biologischen Kriegführung<br />

auf. Das <strong>ist</strong> bei Schadorganismen nicht ganz verwunderlich, bei einem nichtpathogenen<br />

höheren Lebewesen aber schon. Nur <strong>die</strong> Impraktikabilität der Anwendung<br />

646 Hierzu detailliert Jansen – Die Schädlingsmetapher <strong>ist</strong> indes viel älter, auch als Jansen suggeriert<br />

(siehe Herrmann 2006)<br />

647 Hierzu ausführlicher in Herrmann 2008

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