06.01.2013 Aufrufe

"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Rekonstruktion h<strong>ist</strong>orischer Biodiversität (2003)<br />

Biodiversitätsdiskurses führen. So wird im 18. Jh. in unserem Fallstu<strong>die</strong>ngebiet z.<br />

B. der ehedem geschützte Biber planmäßig ausgerottet, weil er <strong>die</strong> neuen Deiche<br />

der Oder untergräbt. Verliert <strong>die</strong> betroffene Bevölkerung mit dem Biber Lebensqualität<br />

oder gewinnt sie solche durch Hochwasserschutz? Lassen sich mögliche<br />

Meliorationsverluste im Artenbestand numerische Gewinne jener Arten gegenrechnen,<br />

<strong>die</strong> der Mensch mit seinem Vieh oder seinen <strong>Acker</strong>fluren importiert? Wer<br />

entscheidet nach welchen Kriterien, ob etwas gewonnen oder verloren wurde? Sind<br />

Klagen über ver<strong>mein</strong>tliche Verluste begründet, oder verdanken sie sich etwa irriger<br />

Wahrnehmung und stellen am Ende wieder nur jene Varianten von Klagen über<br />

den Para<strong>die</strong>sverlust dar? Dann wären sie Ausdruck jener „Angst im Abendland“,<br />

<strong>die</strong> dem Wandel gilt (DELUMEAU 1989). Die Biodiversitätsdebatte <strong>ist</strong>, bei aller<br />

Wissenschaftlichkeit, auch eine Angstdiskussion. Die h<strong>ist</strong>orisch-anthropologische<br />

Analyse von Fallstu<strong>die</strong>n, wie der hier vorgestellten, führt damit auch in <strong>die</strong> gesellschaftlichen<br />

Grundfragen <strong>die</strong>ses hochaktuellen Themas, das eben keinesfalls der<br />

Biologie allein gehört.<br />

3 Was heißt und zu welchem Ende stu<strong>die</strong>rt man Biodiversität?<br />

Oder: Wissenschaftlich - enzyklopädischer Anspruch vs.<br />

Nutzungsinteresse<br />

Das Biodiversitätskonzept <strong>ist</strong>, in letzter Konsequenz, ein Konzept, in dem sich –<br />

allen Beteuerungen zum Trotz – <strong>die</strong> Vollendung der menschlichen Machtübernahme<br />

über <strong>die</strong> Natur realisiert: Nachdem er sich anfänglich mit dem Benennen<br />

und Zählen begnügte, stellt sich der Mensch schließlich selbst auf den Platz des<br />

verantwortlichen Bewahrers. Was als Überwindung des naturtheologischen Weltbildes<br />

durch Aufklärung und Rationalismus begann, hinterlässt offenbar eine<br />

schreckliche Lücke im Weltbild. Ein sich selbst organisierender Vorgang, wie ihn<br />

<strong>die</strong> Biologie mit dem Prozess des Lebens gefunden hat, liegt in niemandes Verantwortung,<br />

auch dann nicht, wenn <strong>die</strong>ser Prozess Elemente hervorbringt, <strong>die</strong> ihn<br />

selbst gefährden. Unbestritten hat <strong>die</strong>ser Prozess mit Homo sapiens eine Art hervorgebracht,<br />

<strong>die</strong> in der Lage <strong>ist</strong>, den Prozess der Evolution zu beenden.<br />

Aber, selbst <strong>die</strong>se Bewertung erwe<strong>ist</strong> sich am Ende als anthropozentrisch. „Real<strong>ist</strong>isch“<br />

gesehen könnte der Mensch sicher „dem Leben“ auf unserm Planeten<br />

schweren Schaden zufügen, aber den Prozess der Evolution nicht wirklich quantitativ<br />

beenden. Die Bedrohungseigenschaft <strong>ist</strong> außerdem keineswegs singulär und<br />

nur beim Menschen zu finden. Sie ex<strong>ist</strong>iert grundsätzlich auch z. B. bei pandemischen<br />

Pathogenen. Interessanter Weise wurde aber Seuchenhygiene nie als Kampf<br />

um <strong>die</strong> Erhaltung der Evolution gesehen, sondern als Abwehr und Aufrechterhaltung<br />

eigener (menschlicher) Lebensansprüche. So geht es also beim „Erhalt der<br />

Evolution“, der im Gewande des „Erhaltes der Biodiversität“ steckt, am Ende<br />

immer um <strong>die</strong> Aufrechterhaltung menschlicher Eigeninteressen. Für <strong>die</strong>ses Ziel<br />

würde der „Erhalt der Biodiversität“ ohne Zögern sogar den Schalter umlegen, der<br />

15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!