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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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der heutigen praktischen Schädlingsbekämpfung nicht zu bestehen scheint und daher<br />

Modellierungen aktuell offenbar nicht beforscht werden. Damit fehlen auch für h<strong>ist</strong>orische<br />

Sachverhalte <strong>die</strong> für Anleihen geeigneten Vorbilder. Immerhin lassen sich in<br />

Einzelfällen unabhängige Bestätigungen für das Vorliegen h<strong>ist</strong>orischer Kalamitäten<br />

beibringen. Dendrochronologische Untersuchungen belegen h<strong>ist</strong>orische Schädlingsgradationen<br />

z.B. für den Lärchenwickler, den Schwammspinner und den Maikäfer. 282<br />

Wirklich zufrieden stellend sind solche Proxydaten nicht, weil sie am Ende nur den<br />

Befall der dendrochronologisch konkret untersuchten Bäume belegen und das Ausmaß<br />

des Schadensfalles weiterhin unklar bleibt.<br />

3.2 Hauptstränge des Schädlingsdiskurses<br />

In Anlehnung an eine Systematik von Grau 283, der Empfehlungen der deutschen<br />

Hausväterliteratur zwischen 1570 und 1786 <strong>zur</strong> Schädlingsbekämpfung gruppiert hat,<br />

lassen sich <strong>die</strong> Maßnahmen <strong>zur</strong> Bekämpfung zweckmäßig nach handlungspraktischen<br />

Gesichtspunkten ordnen:<br />

� Mechanische Verfahren (d. i. alle Varianten des Tötens durch Anwendung physischer<br />

Gewalt)<br />

� Gifte ( Räuchern giftiger Pflanzen, Atemgifte, Fraßköder)<br />

� Abschreckungsmittel (Ausbringen von übel riechenden Substanzen)<br />

� Vorbeugung (technische Mittel oder Einbringen abschreckender Substanzen)<br />

� Lockmittel (Ausbringen von Ködern, ggf. Fangen, anschließende Tötung)<br />

� Nutzung biologischer Antagon<strong>ist</strong>en (Förderung bekannter Schädlingsräuber)<br />

� Magische Verfahren (Einsatz von Abwehrmitteln mit besonderen, innewohnenden<br />

‚Kräften‛, Abwehrzauber)<br />

Die Anfertigung einer Stat<strong>ist</strong>ik nach Schädlingen und Maßnahmen erscheint nicht<br />

hilfreich: Die jeweiligen praktischen Anwendungen bleiben unsicher, weil <strong>die</strong> zeitgenössische<br />

Literatur nur Empfehlungscharakter hat, wobei immer mehrere Optionen<br />

genannt werden. Den damaligen Mitteilungen über eigene praktische Erfahrungen der<br />

Autoren in der Verwendung konkurrierender ‚bester Mittel <strong>zur</strong> Vertilgung oder Vertreibung‛<br />

<strong>ist</strong> immer eine gesunde Skepsis entgegenbringen, weil es z.B. nicht wirklich<br />

überzeugend sein kann, eine Fledermaus mit der aus einem entgegengestreckten<br />

Eschenzweig ausströmenden magischen Kraft <strong>zur</strong> Meidung eines Aufenthaltsraums zu<br />

bewegen. Die beständige Empfehlung von Vorgehensweisen auch aus unsicherer<br />

Quelle und von empirisch zweifelhafter Güte werte ich nicht nur als bloße Mitteilung<br />

nach dem bekannten Muster konventioneller magischer Wissenschaft gepaart mit en-<br />

282 Weber (1997); Vogel und Keller (1998); Leuschner und Leuschner (2002); Leuschner (2005).<br />

283 Grau (1971). Hingegen hatte Kemper (1968), S.15, seine L<strong>ist</strong>e der Schädlingswirkungen deduktiv<br />

nach ‚ihrem h<strong>ist</strong>orischen Auftreten’ entworfen. Sie eignet sich nicht <strong>zur</strong> Aufdeckung von Mustern<br />

oder Konzepten.

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