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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Empirische Zugänge (2008)<br />

4 Ein <strong>zur</strong>ückhaltendes Resümee<br />

Meliorationen zielen auf ökonomische Landschaften. In ihnen treten Biodiversitätsänderungen<br />

als Nebenfolge auf. Meliorationen fördern zwangsläufig unerwünschten<br />

Artenbestand, weil sich auf den Nutzungsflächen mit Unkräutern und Schädlingen<br />

auch <strong>die</strong> unerwünschten Begleitarten konzentrieren. Bestandsänderungen<br />

werden gelegentlich auch schon zeitgenössisch im 18. Jh. reg<strong>ist</strong>riert, bewirken aber<br />

noch keine explizite Leitbilddiskussion. Das implizite Leitbild einer Melioration <strong>ist</strong><br />

<strong>die</strong> „Verbesserung der Natur“ durch menschliche Kunst und Arbeit. Darin eingeschlossen<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Eindämmung des physikalischen Gefährdungspotentials, das von<br />

der Natur etwa durch Hochwasser ausgeht. Eine Leitbilddiskussion mit Konsequenzen<br />

für den Artenbestand erfolgt erst mit dem aufkommenden Naturschutz<br />

im Verlaufe des 19. Jahrhunderts. Doch werden im 19. Jahrhundert Meliorationen<br />

auch gezielt mit dem Zweck der Biodiversitätsänderung (Malariabekämpfung)<br />

durchgeführt. 384 Die wichtigste Einsicht aus den Meliorationsmaßnahmen <strong>ist</strong> jedoch<br />

<strong>die</strong> Entstehung eines Leitbildes einer Natur, <strong>die</strong> durch menschliche Kunst<br />

und Arbeit in ihrer Gefährdung reduziert und ästhetisch erhöht werden kann. Dies<br />

<strong>ist</strong> eine Feststellung, <strong>die</strong> trotz der Erschütterung des aufkommenden Fortschrittsmodells<br />

durch das Erdbeben von Lissabon 1755 getroffen werden kann.<br />

Demgegenüber problematisieren Anleitungen zu Schädlingsbekämpfungen relativ<br />

früh deren Berechtigung, aber sie entscheiden naturgemäß immer zugunsten<br />

menschlicher Interessen. Die Entscheidungsträger reagieren auf nachlassenden<br />

ökonomischen Druck überwiegend mit Gleichgültigkeit, im Einzelfall mit einem<br />

Kategorienwechsel, d.h., der Schädling kann bis in <strong>die</strong> Kategorie des geschützten<br />

Tieres wechseln (z.B. der Kranich oder <strong>die</strong> Trappe; Klose 2004). Dabei spielen<br />

selbstverständlich Wissenszuwachs der Naturwissenschaft und Beliebtheitsbilder<br />

für einzelne Tiere eine emotional wichtige Rolle. 385 Auch im Falle der Schädlingsbekämpfung<br />

<strong>ist</strong> das implizite Leitbild <strong>die</strong> Verbesserung der Natur durch menschliche<br />

Kunst und Arbeit, hier als Ausgrenzung, als Vertreibung, als Tötung. Hinzu<br />

treten heimliche und offene ätiologische Konzepte. Das <strong>ist</strong> besonders dort spürbar,<br />

wo Schädlingsbekämpfung auf <strong>die</strong> bloße Beseitigung einer gefühlten Bedrohung<br />

durch wilde „reißende“ bzw. „giftige“ Tiere zielt. Der Schädlingsdiskurs <strong>ist</strong><br />

besonders geeignet, um das Zusammenwirken mehrerer verschiedener mentaler<br />

Strömungen, aufklärerischer Ansätze und staatstheoretischer Fun<strong>die</strong>rungen auf<br />

Naturleitbilder nachzuweisen (Herrmann 2007).<br />

Das Grundproblem <strong>ist</strong> allge<strong>mein</strong>, aber nicht allge<strong>mein</strong> lösbar. Eine Leitbilddiskussion<br />

<strong>ist</strong> eine öffentliche Frage erst seit dem 19. Jahrhundert. Die Frage, wie soll,<br />

darf, kann, Natur aussehen, führt zwangsläufig zu normativen Naturkonzepten. Sie<br />

haben ihre besondere Schwierigkeit dann, wenn normative Konzepte von bestimmten<br />

konstanten Situationen ausgehen, was eine gängige Position in öffentli-<br />

384 Zur Malariadiskussion, auch mit h<strong>ist</strong>orischen Rückgriffen, Maier 2004<br />

385 Hier wird auf den Zusammenhang zwischen dem Emotionalen und dem Ästhetischen in der<br />

Naturbetrachtung hingewiesen; s. u. und nächste Fußnote<br />

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