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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Kartoffel, Tod und Teufel (2009)<br />

schem Boden wurden 1877 bei Köln-Mühlheim und Schildau (bei Torgau/Elbe in<br />

Sachsen) reg<strong>ist</strong>riert, 568 es wird vermutet, dass sie mit Lastkähnen aus Amsterdam<br />

bzw. Hamburg in <strong>die</strong> Nähe der Infektionsherde kamen.<br />

Längst war <strong>die</strong> Dimension der Bedrohung durch den Kartoffelkäfer erkannt. Bereits<br />

im Frühjahr 1875 erließ das Deutsche Reich ein „Verbot der Einfuhr von<br />

Kartoffeln aus Amerika, so wie von Abfällen und Verpackungsmaterial solcher<br />

Kartoffeln“, in der Annahme, das Einschleppen des Kartoffelkäfers so verhindern<br />

zu können. Das Preußische Landwirtschaftsmin<strong>ist</strong>erium veröffentlichte umgehend<br />

eine 15seitige Aufklärungsbroschüre mit einer Farbtafel der Käferlarven und Imagines<br />

und einer Verbreitungskarte des Käfers in den USA mit dem Stand von<br />

1875. 569 Gleichlautende Verbote wie das Deutsche Reich erließen, ebenfalls im<br />

Frühjahr 1875, Belgien, Spanien, Frankreich, Russland, Italien, Ungarn und Österreich,<br />

Portugal und Schweden 1876, England hingegen erst unter dem Eindruck<br />

des Infektionsherdes Mühlheim im Juli 1877. 570<br />

Beide Infektionsherde konnten noch im selben Jahr ihres Auftretens (1877) erfolgreich<br />

bekämpft werden. 571 Am effektivsten erwies sich das Absicheln des Kartoffelkrautes,<br />

seine Einbringung in eineinhalb Meter tiefe Gruben und das anschließende<br />

Übergießen mit Rohbenzol. 572 Eine erfolgreiche Bekämpfung war<br />

unbedingt erforderlich, denn „<strong>die</strong> Verbreitung des Käfers würde aber, da bis jetzt alle Mittel,<br />

welche man gegen den Käfer und seine Larven versucht hat, wie das Ablesen und Vergiften<br />

der Felder, ziemlich erfolglos geblieben, gleichbedeutend sein mit der Verwüstung des deutschen<br />

Kartoffelbaus, auf welchem doch <strong>die</strong> Ernährung eines großen Theils der Bevölkerung vorzugsweise<br />

beruht.“ 573 Ein späteres Auftreten des Käfers 1887, bei der Ortschaft Mahlitzsch<br />

etwas nördlich von Torgau und in Lohe bei Meppen, konnte ebenfalls erfolgreich<br />

bekämpft werden. Erst 1914 und 1934 wurden wieder Kartoffelkäfer in Deutsch-<br />

568 Die Angabe bei Langenbruch, S. 9, der Infektionsherd habe in Schildau/Schlesien gelegen, <strong>ist</strong><br />

unzutreffend. Auch der bei Langenbruch genannte „dritte“ Infektionsherd des Jahres 1877 in<br />

Probsthain/Sachsen gibt den Verlauf irreführend wieder: Vom Infektionsherd Schildau kam es zum<br />

Befall der angrenzenden Feldmarken von Probsthain und Langenreichenbach. Es handelt sich hierbei<br />

um eine Ausdehnung des Infektionsherdes, nicht um einen eigenständigen (vgl. Gerstaecker 1877,<br />

S. 74ff).<br />

569 Die Broschüre (hier als „Gerstaecker 1875“ bezeichnet) erschien ohne Autorenname, aber am<br />

Ende mit der Initiale „(G.)“. Die Autorenschaft Gerstaeckers, der 1877 eine erweiterte Aufklärungsschrift<br />

veröffentlichte, <strong>ist</strong> zweifelsfrei.<br />

570 Gerstaecker, 1877, S. 78<br />

571 Gerstaecker, 1875 und 1877<br />

572 Die Methode erscheint ziemlich rabiat, es stehen aber zu <strong>die</strong>ser Zeit noch keine eigentlichen<br />

chemischen Pestizide <strong>zur</strong> Verfügung.<br />

573 Textauszug aus Handzettel „Achtet auf den Kartoffelkäfer“, Verlag von Wiegandt, Hempel &<br />

Parey, Berlin. 1877 (Handzettel in Akte BHLA Potsdam, Rep 2A, Abt.1 LW, Nr. 315) – Die Bedeutung<br />

des Kartoffelbaus für das Deutsche Reich ergibt sich aus Angaben des Stat<strong>ist</strong>ischen Jahrbuches<br />

für 1880 (S. 23): Die Kartoffel wurde als Feldfrucht auf der absolut größten Hektarfläche aller Feldfrüchte<br />

angebaut (2,7 Mio. ha), <strong>die</strong> Erntemenge 1880 betrug 23,6 Mio. t und lag damit um fast das<br />

Fünffache über der zweitwichtigsten Feldfrucht, dem Hafer (Pferdefutter!). In der Bundesrepublik<br />

werden heute auf einem Zehntel <strong>die</strong>ser Fläche jährlich rund 110 Mio. Tonnen Kartoffeln produziert.<br />

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