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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Kartoffel, Tod und Teufel (2009)<br />

Bei den Kartoffeln des 17. Jh.s handelt es sich jedoch noch nicht um langtagangepasste<br />

Formen. Der Anbau einer solchen Kartoffelsorte <strong>ist</strong> zunächst nur dort erfolgreich,<br />

wo <strong>die</strong> Temperatur des herbstlichen Kurztages nach Unterschreitung der<br />

kritischen Tageslänge von 13,5 Stunden für eine volle Vegetationsperiode ausreicht,<br />

damit <strong>die</strong> Knollen <strong>zur</strong> Ausreifung kommen. Man nimmt daher an, dass <strong>die</strong><br />

Anpassung an europäische Langtagverhältnisse im mediterranen oder ausgeprägt<br />

atlantischen Klima erfolgte, <strong>die</strong> eine Knollenreife bis Dezember zulassen. 503 Wobei<br />

noch an <strong>die</strong> ungünstigen klimatischen Gesamtverhältnisse des 16. und 17. Jh.s zu<br />

erinnern <strong>ist</strong>, <strong>die</strong> beide im Klimapessimum der Kleinen Eiszeit lagen. 504 Nach verbreiteter<br />

Auffassung lief <strong>die</strong> erforderliche Präadaptationsphase an den Langtag<br />

über den Anbau in norditalienischen Gärten. Daran schloss sich <strong>die</strong> Ausbreitung<br />

über <strong>die</strong> Alpen nach Mitteleuropa und Deutschland während des 17. Jh. an.<br />

Das Bild einer fieberhaften zeitgenössischen Suche nach einem Grundnahrungsmittel<br />

neben dem Getreide wäre sicherlich überzeichnet, aber <strong>die</strong> europäischen Admin<strong>ist</strong>rationen<br />

des 18. Jh.s sorgten sich vor dem Hintergrund der immer wieder auftretenden<br />

Nahrungsengpässe doch erheblich um eine stetigere Verfügbarkeit von<br />

Nahrungsmitteln. Nach der Mitte des 18. Jh.s war in den europäischen Territorien<br />

eigentlich geklärt, dass <strong>die</strong> Kartoffel als Grundnahrungsmittel ideale Eigenschaften<br />

mit sich brachte. Die europäische Hungerkatastrophe von 1770-72 beschleunigte<br />

dann den flächenmäßigen Anbau der Kartoffel. 505<br />

Förderlich für <strong>die</strong> Akzeptanz der Kartoffel als Grundnahrungsmittel war u.a. auch<br />

<strong>die</strong> frühe anonyme Erfahrung, dass Kartoffeln als Diätetikum in der Krankenversorgung<br />

des 17. Jh.s <strong>zur</strong> beschleunigten Genesung der Patienten beitragen konnten.<br />

Zurückzuführen <strong>ist</strong> <strong>die</strong>s nicht nur auf ihren hohen Kohlenhydratgehalt, ihre<br />

„Reinheit“ als gekochtes und damit keimarmes Gemüse; darüber hinaus <strong>ist</strong> sie<br />

auch ein wichtiger Vitaminspender. Aber ein im Maßstab des Kräutergartens angebautes<br />

Gemüse <strong>ist</strong> weit entfernt von einem Grundnahrungsmittel außerhalb einer<br />

reinen Subs<strong>ist</strong>enzwirtschaft.<br />

Das Verhältnis von Anbaufläche und energetischem Ertrag liegt bei Kartoffeln zwischen<br />

dem 1,6fachen und dem Doppelten über dem von Getreide, 506 und räumt<br />

ihnen daher – zumindest in <strong>die</strong>ser Hinsicht – vor dem Getreide den Platz des besseren<br />

Grundnahrungsmittels ein. 507 Es waren zunächst aber noch ganz andere<br />

503 von Gundlach, S. 58<br />

504 Glaser<br />

505 Salaman, S. 100ff. – Siehe auch <strong>die</strong> sorgfältig recherchierte Internetseite : http://www.kartoffelgeschichte.de/index.html<br />

- (22.5.2009)<br />

506 Scott, Rosegrant & Ringler, S. 3.<br />

507 Die gelegentliche Angabe, dass bei der Kartoffel in den gemäßigten Breiten „zwei Ernten“ möglich<br />

wären, beruht auf einer Ungenauigkeit bzw. einem Missverständnis. In den gemäßigten Breiten<br />

können auf derselben Fläche innerhalb einer Vegetationsperiode Kartoffeln nicht zweimal gesetzt<br />

und <strong>zur</strong> Reife gebracht werden. In Deutschland erstreckt sich <strong>die</strong> Kartoffelernte je nach Reifegruppe<br />

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