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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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<strong>Umweltgeschichte</strong> wozu? (2009)<br />

von Überlegungen zum Umweltgeschichtsbegriff unterschiedlicher Provenienz,<br />

also durch induktives Schließen (Lehmkuhl 2002). Freilich <strong>ist</strong> bei <strong>die</strong>sem erkenntn<strong>ist</strong>heoretischen<br />

Umweg nicht an von Uexküll angeknüpft worden:<br />

„Als Synthesewissenschaft analysiert sie [d.i. <strong>die</strong> <strong>Umweltgeschichte</strong>, BH] z.B. <strong>die</strong> Frage nach den<br />

Akteursqualitäten von Natur und Umwelt, und <strong>die</strong>s auf zwei Ebenen: zum einen, indem Einflüsse<br />

von Natur und Umwelt auf menschliches Handeln und Verhalten in den Blick genommen<br />

werden; zum anderen, indem Ideen über Natur als ökologische Akteure konzeptualisiert werden.<br />

<strong>Umweltgeschichte</strong> beschäftigt sich mit Phänomenen, <strong>die</strong> sich nicht in ein nationalh<strong>ist</strong>orisches Korsett<br />

zwängen lassen, sondern transnationale Geschichtsschreibung oder sogar einen „globalen“<br />

Ansatz im Sinne der neuen global h<strong>ist</strong>ory verlangen. Dabei werden Konzepte von Ökonomie,<br />

Kultur und Ökologie in neue analytische Zusammenhänge gestellt und heur<strong>ist</strong>isch fruchtbar gemacht,<br />

und auch <strong>die</strong>s auf unterschiedliche Weise: durch eine ökologisch perspektivierte Kulturanalyse,<br />

oder durch <strong>die</strong> Analyse des Dialogs zwischen Ökologie und Ökonomie oder […] durch <strong>die</strong><br />

Analyse der Interdependenz aller drei Faktoren, Ökologie, Ökonomie und Kultur.“ 415<br />

Die Ablösung von „Umwelt“ vom Individuum und <strong>die</strong> ihr zugeschriebene eigenständige<br />

Akteursqualität, wie in <strong>die</strong>sem Beispiel, <strong>ist</strong> das am häufigsten anzutreffende<br />

gründliche Missverständnis des Umweltbegriffs von Uexkülls (s.o.).<br />

Definitionen von „<strong>Umweltgeschichte</strong>“, <strong>die</strong> sich zudem nicht weiter mit Monita<br />

aufhalten, sind schnell <strong>zur</strong> Hand, wenn auch weniger zahlreich als man annehmen<br />

möchte. Das könnte zum einen daran liegen, dass in den Geschichtswissenschaften<br />

systematische Lehrbücher oder Review-<strong>Aufsätze</strong> nicht häufig sind. Gewiss liegt es<br />

aber auch daran, dass der Gegenstand der <strong>Umweltgeschichte</strong> ver<strong>mein</strong>tlich ähnlich<br />

offensichtlich erscheint, wie z.B. derjenige der Botanik oder der Kirchengeschichte.<br />

Definitionen etwa der Botanik oder der Kirchengeschichte gehen für den Fachferneren<br />

kaum erkennbar über das intuitiv Selbstverständliche hinaus. In welche semantischen<br />

wie erkenntn<strong>ist</strong>heoretischen Probleme man sich aber mit Definitionsversuchen<br />

hineinmanövrieren kann, sei an nur einem Beispiel skizziert:<br />

Die Behauptung Maurice Godeliers, der Mensch habe deswegen Geschichte,<br />

weil er <strong>die</strong> Natur verändere, <strong>ist</strong> lediglich eine pointierte Spezialformulierung dafür,<br />

dass der Geschichtsbegriff an <strong>die</strong> aus menschlicher Ursache resultierenden Zustände<br />

in der Welt geknüpft <strong>ist</strong>. „…human beings have a h<strong>ist</strong>ory because they transform<br />

nature. It is indeed this capacity which defines them as humans. Of all forces which set them in<br />

movement and prompt them to invent new forms of society, the most profound is their ability to<br />

transform their relations with nature by transforming nature itself.“ (Godelier 1986, S. 2-3.<br />

Hervorhebungen im Original). 416 Godelier schließt damit direkt an <strong>die</strong> bekannte<br />

415 Lehmkuhl (2002, S.10). – Lehmkuhl wünscht sich in ihrem Abriss der umwelth<strong>ist</strong>orischen Methoden<br />

(S.8) ein stärkeres Miteinander von natur- und ge<strong>ist</strong>eswissenschaftlichen Analyseinstrumenten,<br />

eine 2002 vielleicht immer noch nicht durchgängige, aber durchaus auch schon zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt<br />

verbreitete Praxis. Es kann hier aber vorweggenommen werden, dass <strong>die</strong> deutsche <strong>Umweltgeschichte</strong><br />

viel stärkere Wahrnehmungsdefizite und -probleme gegenüber einschlägigen naturwissenschaftlichen<br />

Arbeiten hat als etwa <strong>die</strong> angelsächsische <strong>Umweltgeschichte</strong>.<br />

416 Die Transformationsvorstellung findet sich neuerdings – unter dem Etikett „Metamorphose“ – in<br />

einer Geschichtsdefinition von Schatzki (2003) wieder. Sie bildet den Ausgang einer Überlegung, als<br />

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