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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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<strong>Umweltgeschichte</strong> wozu? (2009)<br />

Die inflationäre Verwendung des Begriffs „Umwelt“ und seine scheinbare Einfachheit<br />

haben in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass kaum noch darüber<br />

nachgedacht wird, welches <strong>die</strong> Grundlagen des Begriffs waren, welches seine philosophischen<br />

Implikationen sind und welche Bedeutungen <strong>die</strong> Übernahme des<br />

Begriffs in außerbiologische Verwertungszusammenhänge hat. Dabei hatte doch<br />

spätestens Ernst Cassirer mit seinem „Versuch über den Menschen“ (1944) <strong>die</strong><br />

Komplexität, aber auch <strong>die</strong> Produktivität, des Umweltbezugs demonstriert, in dem<br />

er <strong>die</strong> Aneignung der Welt durch Menschen als über eine Symbolwelt geleitet erkannte.<br />

Im direkten Anschluss an von Uexküll <strong>ist</strong> für Cassirer (beide hatten als<br />

Hamburger Kollegen Berührungen) der Mensch durch seine spezifischen Umweltbezüge<br />

als „animal symbolicum“ definiert. Die geschichtstheoretisch nutzbare Konsequenz<br />

aus Cassirers Überlegung <strong>ist</strong> offensichtlich und zweifach:<br />

Nichts auf der Welt <strong>ist</strong> dem Menschen einfach gegeben, alles muss von ihm<br />

symbolisch-kulturell dargestellt bzw. vermittelt werden und mit Sinnzuschreibung<br />

versehen werden. Damit wird selbstverständlich auch „Natur“ zu einem Kulturbegriff.<br />

Fasst man weiterhin <strong>die</strong> alltagsweltlichen Bereiche oder <strong>die</strong> Institutionen zu je<br />

eigenen Symbolkomplexen zusammen, mündet <strong>die</strong>s in <strong>die</strong> bekannten Partikulargeschichten<br />

der Geschichtswissenschaften, wenn auch unter anderer Nomenklatur.<br />

Es <strong>ist</strong> bemerkenswert, dass der umwelth<strong>ist</strong>orischen Forschung das Wort<br />

„Umwelt“ im Wortgefüge „<strong>Umweltgeschichte</strong>“ bisher nicht Anlass zu einer theoriegerichteten<br />

Begriffsanalyse war. 405 Nach <strong>mein</strong>er Einsicht scheint eine <strong>Umweltgeschichte</strong><br />

mancher Autoren dem Umweltbegriff von Uexkülls unbewusst viel<br />

näher zu sein als dem umgangssprachlichen Verständnis von „Umwelt“, das dem<br />

der heutigen Bio-Disziplinen entspricht. Wer Umwelthandeln als subjektive Kategorie<br />

thematisiert, thematisiert zwar <strong>die</strong> Welt der „Menschendinge“. Nur redete er<br />

dann nicht mehr über eine objektivierbare Welt, nämlich <strong>die</strong>jenige Welt der Wissenschaft.<br />

Eine objektivierbare Welt, also eine reproduzierbar vermittelbare Weltsicht, <strong>ist</strong><br />

hingegen zum Teil sicherlich Folge subjektiven Umwelthandelns, sie <strong>ist</strong> aber ebenso<br />

Folge eines Prozessgeschehens außerhalb menschlicher Ursache oder Zuständigkeit.<br />

Daher <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Aufnahme naturh<strong>ist</strong>orischer Zustände in <strong>die</strong> Umweltge-<br />

und neurophysiologischer Kaskaden sei. Wenn Nagels Überlegung richtig <strong>ist</strong>, könnten konsequenterweise<br />

bestimmte Forschungsbereiche aufgegeben werden. Diese Perspektive täte sich dann auch<br />

für „Umwelt“-Forschung auf. Sie stellt sich deshalb nicht, weil <strong>die</strong> oberflächliche Rezeption der<br />

Gedanken von Uexkülls bzw. <strong>die</strong> Abgrenzung ihnen gegenüber allmählich in <strong>die</strong> heute gängige Begriffspraxis<br />

mündete (siehe Friedrichs 1950).<br />

405 Ich danke Verena Winiwarter für den Hinweis auf ihren Aufsatz von 1994, der mir bei Abfassung<br />

der Vorversion <strong>die</strong>ses Beitrags nicht gewärtig war. Mein Urteil <strong>ist</strong> also entsprechend zu relativieren.<br />

Bei dem Aufsatz von Winiwarter handelt es sich um eine Begriffsanalyse, <strong>die</strong> weiter als für den von<br />

mir verfolgten Zweck reicht, da sich nach <strong>mein</strong>er Einsicht der Umweltbegriff der „<strong>Umweltgeschichte</strong>“<br />

h<strong>ist</strong>orisch und inhaltlich einem ausschließlichen Bezug auf <strong>die</strong> lebenswissenschaftliche Verwendungspraxis<br />

des Umweltbegriffs verdankt. Parallelverwendungen des Begriffs, <strong>die</strong> Winiwarter mit<br />

untersucht hat, liegen daher außerhalb <strong>mein</strong>es Bezugsrahmens.<br />

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