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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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450<br />

bensweise“ <strong>ist</strong> von „Lebensbedingungen“ durch <strong>die</strong> höheren Freiheitsgrade individueller<br />

Strategien unterschieden, während <strong>die</strong> Lebensbedingungen <strong>die</strong> Schnittmenge der individuell<br />

gleichartigen Strategien angibt. Sie sind zahlenmäßig geringer, aber normativ bzw. konstitutiv<br />

intensiver. Im gleichen Sinne erklärt sich <strong>die</strong> Differenz zwischen Lebensbedingungen<br />

und Determinanten der Bevölkerungsentwicklung.<br />

Die Tabelle zeigt in ihrer ersten Spalte das einzelne Skelett als kleinste zu untersuchende<br />

Einheit in einem Bevölkerungsverband. Die biologischen Daten sind zugleich<br />

gesellschaftswissenschaftliche (zweite Spalte). Das eingesetzte methodische<br />

Instrumentar (dritte Spalte) muss sich der Erkenntnisorientierung der Fragestellung<br />

(vierte Spalte) unterordnen. Am Ende stehen Aussagen, <strong>die</strong> sich dem Zusammenwirken<br />

mindestens zweier Wissenszusammenhänge verdanken: der Biologie<br />

und der Kulturwissenschaft, wobei offenkundig <strong>ist</strong>, dass es eigentlich ebenso<br />

wenig eine Biologie gibt, wie es eine Kulturwissenschaft gibt. Das wäre beim Thema<br />

Mensch wohl auch kaum anders zu erwarten, und kann man bereits jetzt erahnen,<br />

dass <strong>die</strong> Pointe am Ende in einem Oxymoron liegen könnte, wonach <strong>die</strong><br />

Anthropologie eine transdisziplinäre Disziplin <strong>ist</strong>.<br />

Die Tabelle zeigt auch, dass <strong>die</strong> handwerkliche biologische Kompetenz auf <strong>die</strong><br />

linke Spalte beschränkt <strong>ist</strong>. Das „Individuum“ und seine Äquivalenzbegriffe in der<br />

aufsteigenden Reihe der zweiten Spalte sind mit den bloßen Mitteln der Biologie<br />

nicht beschreibbar. Das Skelett einer Frau von 40 Jahren oder eines Mannes gleichen<br />

Alters sind in der h<strong>ist</strong>orischen Perspektive nicht aus ihren biologischen Eigenschaften<br />

und Daten interessant, sondern wegen der gesellschaftlichen Rollen,<br />

<strong>die</strong> sich möglicherweise mit <strong>die</strong>sen Eigenschaften zu Lebzeiten der Individuen<br />

verknüpften. Auch das methodische Repertoire der demographischen Instrumente<br />

(dritte Spalte) <strong>ist</strong> vor allem auf sozialwissenschaftliche Ep<strong>ist</strong>eme angewiesen. Die<br />

Begriffe der rechten Spalte, zunächst reine Begriffschiffren, übersetzen aber durch<br />

Kontextualisierungen <strong>die</strong> Zeichen (Skelette, Beigaben, usw.) in Bedeutungsträger,<br />

deren Bedeutungsinhalt ihre letztliche Ursache oder <strong>die</strong> Randbedingung ihrer Entstehung<br />

<strong>ist</strong>. Diese Transferle<strong>ist</strong>ung <strong>ist</strong> unausweichlich mit dem Entwurf einer Geschichte,<br />

einer Erzählung über ein Geschehen verbunden. 824 Wird <strong>die</strong> rechte Spalte<br />

als Ziel derjenigen Analyse bestätigt, mit dem <strong>die</strong> Untersuchung des Skeletts<br />

begann, befindet man sich auf einer transdisziplinären Ebene. Es wäre m. E. unsinnig,<br />

<strong>die</strong> biologischen Anthropologen als zuständige Quellenkundler von der<br />

voraussetzungsvollen Produktion des Wissens, also vom Miterzählen, auszuschließen.<br />

Nach <strong>mein</strong>er Auffassung <strong>ist</strong> für <strong>die</strong> Gesamtheit der Matrixfelder ein Anthropologe<br />

zuständig, mindestens jedoch unter prominenter Beteiligung. Freilich einer,<br />

der nicht nur seine Biologie beherrschte, sondern der auch geübt im Erzählen wäre.<br />

Wenn es sie denn gibt, verdanken sich solche Anthropologen ihrer eigenen<br />

824 Herrmann 2007a

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