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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Empirische Zugänge (2008)<br />

und Lenkungen der Biodiversität verbunden waren, <strong>die</strong> sich aber ganz überwiegend<br />

nur durch Untersuchungen im kleinräumigen Maßstab erschließen und größtenteils<br />

noch auf ihre Untersuchung bzw. <strong>die</strong> Systematisierung verstreut vorliegender<br />

Informationen warten. Man muss einräumen, dass bisher bestenfalls punktuelle<br />

Kenntnisse über Artenspektren im h<strong>ist</strong>orischen Wandel bestehen und dass <strong>die</strong>se<br />

Kenntnisse auch noch zu Ableitungen zweifelhafter Güte führen, wie etwa bei den<br />

sprichwörtlich gewordenen Gesindeverträgen, in denen man sich angeblich gegen<br />

das ständige Lachs-Essen-Müssen verwahrte. 371 Das kollektive Gedächtnis reg<strong>ist</strong>riert<br />

nicht nur selektiv, es argumentiert auch ebenso: Alle jammern über den Rückgang<br />

des Lachses, weil es dem populären Naturleitbild entspricht. Keiner beklagt<br />

den Rückgang der „Mückenschwärme“ im Oderbruch oder in den Rheinauen,<br />

obwohl <strong>die</strong>ser möglicherweise ein viel besserer Indikator für „den Zustand der<br />

Natur“ wäre. Der Betrachtungsgegenstand „Melioration“ führt also sehr unmittelbar<br />

in <strong>die</strong> Bereiche der Naturleitbilder, ihrer Voraussetzungen und Einflusslagen.<br />

Doch das Feld <strong>ist</strong> nicht einmal systematisch bestellt, geschweige denn ausdiskutiert.<br />

3 Fördern, dulden oder ausrotten?<br />

Neben Landschaftskonzepten ex<strong>ist</strong>ieren weitere erhebliche Einflussfaktoren auf<br />

<strong>die</strong> Biodiversität. Zu ihnen sind auch jene Wertvorstellungen über Tiere und Pflanzen<br />

zu rechnen, welche Begründungen für Förderungs-, Duldungs- oder Bekämpfungsmaßnahmen<br />

<strong>die</strong>ser Organismen liefern.<br />

„Organismen, <strong>die</strong> für den Menschen, seine Tätigkeit oder für Produkte, <strong>die</strong> er<br />

verwendet oder herstellt oder für Tiere und <strong>die</strong> Umwelt unerwünscht oder schädlich<br />

sind“ werden vom Gesetz als „Schadorganismen“ bezeichnet (Biozidgesetz<br />

§ 3b, Abs. 6). Diese heutige Definition kann in derselben Weise als handlungsleitend<br />

für das 18. Jahrhundert unterstellt werden. Wenn der Biber im Oderbruch<br />

ausgerottet wird, weil er <strong>die</strong> Deiche unterhöhlt und damit <strong>die</strong> Gefahr des Deichbruchs<br />

vergrößert, <strong>ist</strong> <strong>die</strong>s u.a. eine auf „<strong>die</strong> Umwelt“ zielende Maßnahme. Den<br />

Schutz vor Nahrungs-, Lager- und Fraßschädlingen auf der <strong>Acker</strong>flur wird man<br />

nicht nur als selbstverständlich unterstellen, sondern auch belegen können. Ebenso,<br />

dass Menschen <strong>die</strong> von ihnen erzeugten Produkte vor dem Schädlingsbefall<br />

auch <strong>zur</strong> damaligen Zeit zu schützen versuchten.<br />

Verglichen mit heutigen Verhältnissen muss <strong>die</strong> einer Schädlingsbekämpfung<br />

unterliegende Schadensschwelle, mit der <strong>die</strong> Wirtschaftlichkeit einer Bekämpfungsmaßnahme<br />

von der Populationsdichte des Schadorganismus abhängig gemacht<br />

wird, im 18. Jahrhundert niedriger angenommen werden als heute, nicht<br />

371 Vgl. Herrmann 2006a. Bis heute <strong>ist</strong> kein einziger Gesindevertrag entsprechenden Inhalts nachgewiesen<br />

worden. Auffällig <strong>ist</strong> auch, dass <strong>die</strong> Literatur keine Parallelargumente kennt: Es werden<br />

nirgends Gesindeverträge erwähnt, in denen <strong>die</strong> Be<strong>die</strong>nsteten sich gegen ein Zuviel an Kohl- oder<br />

anderen Alltagsgerichten wehrten.<br />

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