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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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100 Me<strong>ist</strong>erwerke (2010)<br />

Brueghel hat das Motiv wiederholt gemalt. In mehreren großen Museen Europas<br />

<strong>ist</strong> es ähnlich zu finden. Es <strong>ist</strong> hier ausgewählt, weil sich <strong>die</strong> in real<strong>ist</strong>ischer Manier<br />

ausgeführten Bilder der alten Me<strong>ist</strong>er eher als <strong>die</strong> Klassiker der Modernen Kunst<br />

für umwelth<strong>ist</strong>orische Überlegungen anbieten. Impression<strong>ist</strong>ische, expression<strong>ist</strong>ische,<br />

abstrakte oder surreal<strong>ist</strong>ische Kunstwerke lassen von vornherein keinen<br />

Zweifel an der Differenz zwischen Darstellung und Abbildung aufkommen. Die<br />

natural<strong>ist</strong>ische Darstellungsweise der alten Me<strong>ist</strong>er erlaubt, <strong>die</strong> Rezeptionsgeschichte<br />

von Naturdingen zu verfolgen. Zudem sind <strong>die</strong> Bilder der alten Me<strong>ist</strong>er in <strong>die</strong><br />

kollektive Sichtweise einer „europäische Sehschule“ eingegangen, welche <strong>die</strong> Herausbildung<br />

von Mensch-Natur-Verhältnissen in sehr weiten Teilen Europas beeinflussten.<br />

Das bekannteste und langzeitwirksamste Beispiel für <strong>die</strong> Herausbildung kollektiver<br />

Sichtweisen <strong>ist</strong> sicherlich <strong>die</strong> Entwicklung eines in weiten Teilen Europas<br />

verbindlich gewordenen Landschaftsverständnisses. Dürer gilt als der Begründer<br />

des eigenständigen Landschaftsbildes. Pflanzen und Felsformationen, Landschafts-<br />

räume und Stadtansichten sind durch ihn Themen der künstlerischen Umsetzung<br />

geworden. Albrecht Dürer (1471-1528) hat aus Landschaften, <strong>die</strong> vorher nur<br />

sumarisch den Ort von Handlung andeuten, völlig neue Einblicke in <strong>die</strong> Natur<br />

geformt. 758 Er steht auch am Beginn der detailfreudigen Beobachtung, <strong>die</strong> später<br />

im flämischen Stillleben einen Höhepunkt erleben und damit zu einer der Wurzeln<br />

der moderen Naturwissenschaft werden wird. 759 Das Landschaftsbild findet dann<br />

nachfolgende Me<strong>ist</strong>er in Claude Lorrain (1600-1682), Nicolas Poussin (1594-1665)<br />

und Salvator Rosa (1615-1673). Insbesondere <strong>die</strong> arkadischen Landschaftsbilder<br />

Lorrains und Poussains treffen den Publikumsgeschmack und liefern <strong>die</strong><br />

Blaupause für den englischen Landschaftsgarten (z. B. Stourhead, Wiltshire). An<br />

<strong>die</strong>sen Modellen lernt Europa, Landschaft zu sehen.<br />

„Die Landschaft trägt […] nicht nur eine ‚von Menschen gestaltete Physiognomie’, wir sehen<br />

sie auch ‚mit durch <strong>die</strong> Kunst erzogenen Augen.’ Malerei und Literatur haben <strong>die</strong> Landschaft<br />

für uns so eingerichtet, dass wir sie nach deren Bildern wahrnehmen. Das ging bereits dem<br />

jungen Friedrich Hebbel so: ’Ich glaube oft, schon etwas gesehen zu haben, was ich erweislich zum<br />

erstenmal sehe, namentlich Landschaften.’ – Man kann <strong>die</strong>selbe Beobachtung erstmals in der<br />

Breite im 18. Jahrhundert, dem großen Jahrhundert der Reisen, in England und auf dem Kontinent<br />

machen. Wohin <strong>die</strong> Reise auch ging, stets sprang den Landschaftsenthusiasten das Bild eines<br />

Me<strong>ist</strong>ers aus der Natur entgegen – eine ‚schöne’, ‚reizende’, ‚malerische’, ‚erhabene’, ‚pittoreske’<br />

oder ‚romantische’ Landschaft, wie sie ein Lorrain, Poussin oder Salvator Rosa gemalt hatten.<br />

Die Namen <strong>die</strong>ses Dreigestirns waren Chiffren für drei Landschaftstypen und <strong>die</strong> durch sie erzeugten<br />

Stimmungen. Claude Lorrain stand für ‚zarte Schönheit’ und das ‚Heiter-Ideale’, Nicolas<br />

Poussin für ‚erhabene Größe’ und das ‚Klassisch-Heroische’, Salvator Rosa für ‚gebannten<br />

Schrecken’ und das ‚Wild-Romantische’.“ 760<br />

758 Siehe Schröder & Sternath<br />

759 Hierzu ausführlich Alpers<br />

760 Fischer, S. 88<br />

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