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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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als Vertreter einer Disziplin in doppelter Weise fehlgehen. Einmal, weil ich in <strong>die</strong>ser<br />

Funktion per definitionem eigentlich nichts zu den anzustrengenden Überlegungen<br />

beitragen könnte. Würde ich es aber doch können, wäre damit eingeräumt, dass<br />

innerhalb <strong>mein</strong>es Faches „interdisziplinäre“ bzw. „transdisziplinäre“ Fragen aufträten<br />

oder ex<strong>ist</strong>ierten, <strong>die</strong> mit den Mitteln des Fachs allein nicht zu lösen wären. Das<br />

wäre dann aber ein Indiz für einen entweder falschen Zuschnitt des Faches oder<br />

für falsche Kompetenzzuweisungen. Eines wie das andere könnte sich am Ende als<br />

Irrtum erweisen.<br />

Irrtümer sind nun in der Regel, neben wissenschaftlichen Konjunkturen, <strong>die</strong><br />

Hauptmotoren nicht nur für den wissenschaftlichen Fortschritt, sondern auch für<br />

Verlagerungen von Fächerinhalten. Wenn <strong>die</strong> Fächer <strong>die</strong>sem Veränderungsdruck<br />

nicht nachkommen wollen, werden <strong>die</strong> neuen Fragen bzw. deren Protagon<strong>ist</strong>en<br />

marginalisiert. Ob sich <strong>die</strong>se, den wissenschaftlichen Fortschritt zu einem erheblichen<br />

Teil repräsentierenden, Fachvertreter als interdisziplinär oder transdisziplinär<br />

sehen sollten, entscheiden nicht sie selbst, sondern wird dadurch entschieden, ob<br />

ihnen <strong>die</strong> Heimatdisziplin schließlich doch noch folgt (<strong>die</strong> Bestätigung der Kockaschen<br />

These). Bleiben <strong>die</strong> Fächergrenzen rigide, dann bewegen sich <strong>die</strong> marginalisierten<br />

Fachvertreter entweder auf einem Erkenntnisniveau, das dem der Heimatdisziplin<br />

äquivalent <strong>ist</strong>. Das wäre dann in einem bestimmten Sinne „interdisziplinär“.<br />

Ob <strong>die</strong> so Verstoßenen dort ein neues Fach erfinden, wie zuletzt beispielsweise<br />

<strong>die</strong> Entwicklungsbiologen, setzt gewisse Randbedingungen voraus, <strong>die</strong> uns<br />

hier nicht mehr interessieren, hatte der Workshop auf Frauenchiemsee außerdem<br />

doch <strong>zur</strong> „Erkundung eines transdisziplinären Forschungsfeldes“ eingeladen. Die<br />

auf jenem Feld verorteten Dinge liegen <strong>mein</strong>er Einsicht nach nicht „dazwischen“,<br />

sondern entweder jenseits oder über den Fächergrenzen. Voraussetzung <strong>ist</strong> hierfür<br />

allerdings eine metatheoretischer Fun<strong>die</strong>rung, <strong>die</strong> also dem Ziel zu einer voraussetzungsvollen<br />

Produktion von Wissen in neuen Zusammenhängen verpflichtet <strong>ist</strong>.<br />

Nach <strong>mein</strong>em Verständnis träfe eine solche Zuschreibung auf das so genannt<br />

„interdisziplinäre Gespräch“ allerme<strong>ist</strong> ohnehin nicht zu. In <strong>die</strong>sem, zumindest<br />

demjenigen mit der am weitesten verbreiteten Etikettierung, horcht allerme<strong>ist</strong> ein<br />

Gesprächspartner sein Gegenüber zum Zwecke der eigenen Theoriebeförderung<br />

aus; er beseitigt eigene methodische, gedankliche oder originelle Defizite durch<br />

eine Art wissenschaftliches Mitessertum. Merkwürdigerweise erscheint <strong>die</strong>ses häufig<br />

kombiniert mit einem sonderbaren Mutualismus, denn beide Seiten dürfen sich<br />

nach einem solchen Gespräch üblicherweise in einer ritualisierten Außendarstellung<br />

sonnen: im Bewusstsein ihres scheinbaren Altruismus, der Modernität ihres<br />

Ansatzes und in nahezu sicherer Erwartung der Prämierung durch Drittmittelgeber.<br />

Ihnen gegenüber wird besonders häufig als synergetischer Fortschritt verkauft,<br />

was in der Zeit vor der Entdeckung der „Interdisziplinarität“ dem eigenen disziplinären<br />

Fleiß und eigener gedanklicher Anstrengung zugemutet worden wäre.<br />

Tatsächlich lenkt der alltägliche gedankenlose Gebrauch der Begrifflichkeit davon<br />

ab, dass „Interdisziplinarität“ häufig, bei Lichte besehen, als eine subtile und akzeptierte<br />

Form disziplinärer Ausbeutungen angelegt <strong>ist</strong>, <strong>die</strong> sich in ihrem mildesten

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