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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Natura morte im Delikatessenladen (2011)<br />

Natur zu nähern. Über <strong>die</strong> Pinguine der Antarktis z.B. kann ich nur abstrakt als<br />

Elemente von Natur reden. Aus eigener Anschauung oder aus einer für mich bedeutsamen<br />

Beschäftigung werden sie zu Elementen von Umgebung oder von<br />

Umwelt.<br />

Ernst Cassirer hatte dann <strong>die</strong> Uexküllsche Entdeckung von „Merknetz“ und<br />

„Wirknetz“ als Elemente desjenigen Funktionskreises im Tier, der <strong>die</strong> „Umwelt“<br />

erfasst und auf sie reagiert, im Falle des Menschen um das „Symbolnetz“ bereichert.<br />

Alles, womit Menschen in ihrer Umgebung umgehen, wird von ihnen symbolisiert,<br />

wird mit Sinn und Bedeutung belegt, <strong>die</strong> Elemente der Umgebung sind<br />

nicht einfach mehr bloße Elemente der Umgebung. Sie werden zu den Elementen<br />

der „Umwelt“ und immer symbolisch belegt, so dass sie „als mehr erscheinen<br />

gleichzeitig zu dem, was sie buchstäblich an Ort und Stelle sind“ (Adorno, a.a.O.).<br />

Und deshalb <strong>ist</strong> <strong>Umweltgeschichte</strong> von Naturgeschichte zu unterscheiden und<br />

geschieden. Am Ende aber können beide zusammen fallen. Man kann <strong>die</strong> <strong>die</strong> Naturgeschichte<br />

nämlich auch als eine nicht einmal besonders extreme Variante der<br />

<strong>Umweltgeschichte</strong> auffassen, wobei sich jene von <strong>die</strong>ser durch <strong>die</strong> Behauptung<br />

unterscheidet, dass man kulturfrei und zeitunabhängig über „Natur“ sprechen<br />

könne. 897<br />

3 Wie viele Divisionen hat <strong>die</strong> Natur?<br />

Womit würden denn „<strong>die</strong> Natur“ tatsächlich „<strong>zur</strong>ückschlagen“, wenn sie es denn<br />

täte? Die Formulierung greift <strong>die</strong> bekannt gewordene rhetorische Frage Josef Stalins<br />

auf. 898 Abgesehen davon, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Frage sinnvoll nur zu stellen im Hinblick darauf,<br />

was den Menschen irgendwie angeht. 899 Was den Menschen irgendwie angeht,<br />

<strong>ist</strong> eben nicht mehr „<strong>die</strong> Natur“ in der „Totalität des Ex<strong>ist</strong>ierenden“, sondern es <strong>ist</strong><br />

ein konkreter Ausschnitt aus ihr, es <strong>ist</strong> „Umwelt“. Und <strong>die</strong>se <strong>ist</strong> durch den Menschen<br />

mit Sinn und Bedeutung versehen. Menschen belegen das Geschehen in<br />

<strong>die</strong>sem Naturausschnitt, in Verkennung der Abläufe, mit den Handlungsqualitäten<br />

einer personalisiert gedachten Natur, obwohl es sich tatsächlich um zufällige, aber<br />

mit Notwendigkeit ablaufende Vorgänge handelt oder sogar um <strong>die</strong> reinen Folgen<br />

897 Vgl. Fußnote 41<br />

898 „Wie viele Divisionen hat der Papst?“, mit der Stalin auf der Konferenz von Jalta <strong>die</strong> Beteiligung<br />

des Vatikans an späteren Friedensverhandlungen mit Deutschland abgelehnt haben soll. Wer nicht<br />

mit schießt, kann sich hinterher nicht an der Verteilung des Bärenfells beteiligen.<br />

899 Die unter den (deutschsprachigen) Biologen des 20. Jh.s gängige Verständnisformel für „Umwelt“<br />

<strong>ist</strong> nach <strong>mein</strong>er Kenntnis von Friedrichs (1943) herausgearbeitet worden: Er definierte Umwelt „für<br />

den praktischen Gebrauch“ als „Komplex der direkten und der konkret greifbaren indirekten Beziehungen <strong>zur</strong><br />

Außenwelt.“ Der Unterschied gegenüber der Definition von Uexkülls bestehe in der Aufnahme aller<br />

Beziehungen (Friedrichs 1943, S.157). Eine überdachte Begriffserläuterung durch Friedrichs („dasjenige<br />

außerhalb des Subjekts, was <strong>die</strong>ses irgendwie angeht“. 1950, S.70) kann als für <strong>die</strong> nachfolgenden Biologen<br />

leitend bezeichnet werden, ohne dass <strong>die</strong> Autoren sich jeweils explizit auf Friedrichs bezogen hätten.<br />

Friedrichs fasste <strong>die</strong> Leitlinien des biologischen Diskurses zusammen, wie er davor bestimmend war<br />

und es im Grunde bis heute <strong>ist</strong>.<br />

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