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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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32<br />

tung geht, <strong>ist</strong> zwar ein heute relevanter Aspekt, 32 kann aber hier vernachlässigt<br />

werden, weil einem Autor der Mitte des 18. Jh. <strong>die</strong> Endlichkeit der Naturdinge<br />

noch kaum geläufig war. Dennoch: der Anspruch der Aufklärer zielte durchaus mit<br />

heiligem Ernst auf <strong>die</strong> ganze Welt. Ob aber in <strong>die</strong>ses Verständnis <strong>die</strong> ultimative<br />

Billigung oder gar Absicht eines endgültigen, globalen Verlustes aus der Artendiversität<br />

eingeschlossen war, <strong>ist</strong> bislang offen.<br />

Bei den Einschätzungen der Schädlinge <strong>ist</strong> der von ihnen angerichtete Schaden<br />

oft nicht sicher bezeichnet, 33 und er kann unreal<strong>ist</strong>isch wahrgenommen werden.<br />

Die Angewandte Biologie des 20. Jahrhunderts schließt zwar in ihrem Biodiversitätsdiskurs<br />

vielfältig an <strong>die</strong> „oeconomia naturalis“-Vorstellungen des 18. Jhs. an. 34<br />

Sie lockerte aber den Schädlingsbegriff sowohl aus Einsicht wie aus derzeit herrschendem<br />

Überfluss. Jedoch gelten nach wie vor <strong>die</strong> Interessenlagen im Wirtschaftsbereich<br />

des Menschen als prioritär, etwa in der heutigen Agrarwirtschaft<br />

und bei den Rechtfertigungen für gentechnische Veränderungen von Organismen<br />

gerade in ihrem Hinblick auf Schädlingsres<strong>ist</strong>enz. Konzessionen- z. B. in Form<br />

biologischer Schädlingsbekämpfung – verdanken sich nicht etwa einem fürsorglichen<br />

Konzept, sondern einer Vermeidungsstrategie, welche <strong>die</strong> direkten wie indirekten<br />

Nachteile für den Menschen selbst so gering wie möglich halten will. Das<br />

ökonomische Kalkül bestimmt auch nicht erst im 19. Jh. das Raisonnement der<br />

Schädlingsbekämpfung, Sichtbar wird <strong>die</strong>s in der Bekämpfung der Forstschädlinge,<br />

35 wo es schwerlich verwundern kann. Wie sonst wäre Nachhaltigkeit z. B. als<br />

forstliches Leitmotiv zu denken, wenn sie nicht Kosten-Nutzen-Erwägungen auch<br />

im Hinblick auf Kalamitäten in einer Balance hielte? Deshalb redet auch das 18. Jh.<br />

längst explizit von der Ökonomie. Und zwar sowohl unverhohlen wie umfassend<br />

32 Die damals für unerschöpflich gehaltene Natur schließt <strong>die</strong> Möglichkeit, dass hier zugleich der<br />

globalen Dimension gedacht wird, zum <strong>die</strong>sem Zeitpunkt praktisch aus. Die ersten definitiven globalen<br />

Ausrottungen, <strong>die</strong> allmählich das Bewußtsein der gebildeten Welt erreichen, datieren erst ans<br />

Ende des 18. und den Beginn des 19.Jh. Gleichwohl hatte bereits Voltaire eine gewisse Vorstellung<br />

davon, dass der Mensch im Verlauf der Geschichte Einfluss auf <strong>die</strong> Artenzahlen gehabt haben müsse<br />

(Gerhard Wagenitz: Die ‚Scala naturae’ in der Naturgeschichte des 18.Jahrhunderts und ihre Kritiker.<br />

In: Jahrbuch Gesch. Theorie Biol. 4 (1997), S 179 – 195)<br />

33 Wenn z.B. der nach heutiger und objektiver Auffassung nützliche Regenwurm im 18.Jh. als schwerer<br />

Schädling der Gartenkultur gilt<br />

34 Herrmann, Krebse, Lachs und Hasenbraten<br />

35 Deren Bekämpfung im 18.Jh. ganz klar ökonomisch begründet <strong>ist</strong> und vermutlich bereits früher<br />

mit gleicher Begründung durchgeführt wurde. -- Die ökonomischen Grundlagen der Schädlingsbekämpfung<br />

<strong>ist</strong> z.B. der obersten Überwachungsinstanz Deutschlands, der Biologischen Bundesanstalt,<br />

in ihrer einzigen veröffentlichten „L<strong>ist</strong>e der repräsentativen tierischen Schadorganismen und der<br />

Einzelschädlinge (ohne Wirbeltiere) im Allge<strong>mein</strong>en Pflanzenschutz“ (Merkblatt 60, Braunschweig<br />

1984) so selbstverständlich, dass sie sich nicht einmal mit einer abstrakten Schädlingsdiskussion<br />

aufhält und entsprechend ausschließlich Schädlinge der Nutzpflanzen aufführt.<br />

Das zitierte Merkblatt 60 <strong>ist</strong> <strong>die</strong> einzige in der Bundesrepublik veröffentlichte „offizielle“ L<strong>ist</strong>e von<br />

Schädlingen. Sie wird heute (Auskunft der BBA am 23.5.2005) als in vielen Punkten nicht stimmig<br />

angesehen. Eine EU-L<strong>ist</strong>e unter der Federführung Portugals befindet sich in Vorbereitung. Ihr Entwurf<br />

wird für Ende 2005 erwartet. Eine L<strong>ist</strong>e der schädlichen Wirbeltiere <strong>ist</strong> in der Bundesrepublik<br />

nie erschienen.

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