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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Heuschreckenkalamitäten in Brandenburg (2010) 371<br />

dass es uns nicht verhältnismäßig erschien, uns um weitere Konkretisierungen zu bemühen.<br />

Richtig <strong>ist</strong>, dass sich aus den Akten Klagen über <strong>die</strong> von Heuschreckenbefall<br />

verursachten Schäden finden. Diese Schäden wurde jedoch nicht (nach unserer Kenntnis<br />

<strong>ist</strong> eine Schadensbilanz nur einmal in den Akten erhalten, s.u.) ins Verhältnis zu<br />

längerfr<strong>ist</strong>igen Ernteerträgen gestellt oder in sonst einer geeigneten Weise in seiner<br />

Größenordnung skizziert. 702 Die Supplikanten und Beamten berichteten über gefühlten<br />

Schaden, nicht über zahlenmäßig abgeschätzte, objektive Ernteeinbußen. Diese Argumentationsweise<br />

entspricht dem Muster des 18. Jh.s. Anstelle heute geläufiger Belege<br />

in Zahlenform traten damals Überzeugungsargumente, deren Wirksamkeit von der<br />

Autorität des Vortragenden abhing. Entsprechend sind zeitgenössische Schätzungen,<br />

wenn sie denn überhaupt mit Zahlen unterfüttert wurden, oft Zeugnisse von Phantasiebegabungen<br />

unter den argumentierenden Parteien. 703<br />

Ebenfalls nicht für <strong>die</strong> Abschätzung des Schadensausmaßes geeignet sind Angaben<br />

zu Befallsdichten, weil es für solche Befallsdichten keine Bezugsgrößen zu einer<br />

aus ihnen abzuleitenden Schätzung des potentiellen Ernteausfalls gibt. 704 Angaben<br />

über Befallsdichten selbst fehlen zudem. Für das Amt Lebus sind jedoch Berichte<br />

über Sprengsel-Sammlungen im Juni 1753 und Juli 1754 erhalten. Zu <strong>die</strong>ser Zeit<br />

sind Fraßschäden am Getreide ganz sicher bereits mit erheblichen Ernteausfällen<br />

verbunden. Im Juni 1753 wurden im Kreis Lebus rund 573 m3 Sprengsel eingesammelt<br />

(siehe hierzu Abb. 6), im Juli 1754 waren es auf annähernd der gleichen<br />

Fläche 366 m3. 705 Beide Zahlen sprengen bereits <strong>die</strong> Vorstellungskraft. Doch der<br />

weitere oben aufgeführte Akteneintrag von 1753 berichtete dem König, dass im<br />

Ober-Barnimschen Kreis (schließt nach Norden an den Kreis Lebus an) „um <strong>die</strong><br />

wenigste Quantität zu nennen, gewiß über tausend Wispel im ganzen Kreise gerechnet,<br />

eingegraben und getötet worden“ wären. Diese Zahl entspräche 1300<br />

m3. 706<br />

702 Einen Anhalt für unsere Vorstellung könnten z.B. heuschreckenbedingte Ernteausfälle liefern, <strong>die</strong><br />

von der FAO für das Heuschreckenjahr 1997 in Madagaskar angegeben werden. Dort kam es zu<br />

folgenden Ernteausfällen: bei Mais 60 %, bei Reis 30 %, bei Maniok 12 % und bei Kartoffeln 30 %.<br />

Wenn man nun von der zeitgenössischen Durchschnittsernte bei Getreide in Brandenburg („das 5.<br />

bis 6. Korn“) <strong>die</strong> Größenordnung 30 % als heuschreckenbedingten Ernteausfall annehmen wollte,<br />

wären nur 4 Körner als Ertrag übrig. Davon geht eines <strong>zur</strong> Saat weg und ein weiteres als Lagerverlust.<br />

Es verbleiben zwei Körner. Damit wird das Bedrohungsausmaß plötzlich vorstellbar und gewinnt<br />

ernsthafte Dimensionen, zumal noch kein weiteres Grundnahrungsmittel <strong>zur</strong> Verfügung steht, auf<br />

das elastisch ausgewichen werden konnte. Dieser Vergleich <strong>ist</strong> indes nur begrenzt zulässig, weil es<br />

keine heuschreckenbedingten linearen Ausfälle über <strong>die</strong> gesamte Ernte gegeben haben kann.<br />

703 Beispiele hierzu bei Herrmann (2007): Beitrag.<br />

704 Krünitz berichtet darüber, dass bei einem Einfall der Heuschrecken in den Hafer während der<br />

frühen Wuchsphase des Getreides überraschender Weise keine nennenswerten Ernteausfälle zu<br />

erwarten wären.<br />

705 umgerechnet aus Rohdaten in Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem,<br />

II. HA, Kurmark Materien, Tit. CCLXVIII Nr. 2, Vol. II. Die Sammell<strong>ist</strong>e für 1753 <strong>ist</strong> wiedergegeben<br />

in Herrmann (2007): Beitrag.<br />

706 nach Bericht der Kurmärkischen Kammer <strong>zur</strong> Vorlage beim König am 20.7.1753. Unpaginierte<br />

Akte wie vorstehend.

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