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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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168<br />

E So halten uns <strong>die</strong> wilden Tieren z.B. davon ab, in klimatisch unwirtliche Gegenden vorzudringen;<br />

<strong>die</strong> kleinen Feinde der Landwirtschaft sichern dem Landmann den Preis, indem sie <strong>die</strong> halbe<br />

Ernte auffressen und damit ein preisschädliches Überangebot abschöpfen; selbst <strong>die</strong> Läuse sind<br />

sinnvoll, weil uns das Ungeziefer lehrt, gelegentlich Räume und Kleider zu lüften. Zusammenfassung<br />

eines längeren Textzitats aus: Anonymus (1795). Anstatt einer Vorrede, ohne Seitenzählung.<br />

F Schmid, M. (1998), S.91.<br />

Die Tabelle bildet eine Zusammenstellung von verbreiteten ‚Naturtheorien‛, <strong>die</strong> in<br />

umwelth<strong>ist</strong>orischen Diskursen implizit wie explizit benutzt werden, ohne dass sich<br />

deren Ursprung oder Urheberschaft immer klar benennen ließe. Die linke Spalte<br />

führt <strong>die</strong> am häufigsten benutzte Bezeichnung der jeweiligen ‚Naturtheorie‛ an, <strong>die</strong><br />

in der zweiten Spalte inhaltlich erläutert wird. In der dritten Spalte wird eine theoriekonforme<br />

Begründungs-Rhetorik für eine eingebettete Schädlingsbekämpfung<br />

aufgeführt. Es handelt sich um idealtypische Abgrenzungen, in Anlehnung an umwelth<strong>ist</strong>orische<br />

Bemühungen um Kategorien oder Sortierungen oft miteinander<br />

verschränkter theoretischer wie praktischer Begründungselemente. Die L<strong>ist</strong>e <strong>ist</strong> als<br />

heur<strong>ist</strong>isch und (nahezu) beliebig erweiterbar zu verstehen, ohne dass logische<br />

Konflikte zwischen dem jeweiligen Naturkonzept und der praktizierten Schädlingsbekämpfung<br />

auftreten würden. Sie eignete sich auch für umwelth<strong>ist</strong>orische<br />

Verwendungen außerhalb <strong>die</strong>ses konkreten Zusammenhangs.<br />

Über <strong>die</strong> in Tabelle 1 aufgeführten Positionen hinaus vermute ich, dass Ideen der<br />

Schädlingsbekämpfung auch in den Kontext von ‚Reinheit und Gefährdung‛<br />

(Douglas 1988) gestellt und in <strong>die</strong>sem größeren Zusammenhang ebenfalls produktiv<br />

zu analysieren wären. Zweifel an <strong>die</strong>sem Vorschlag ließen sich allein schon mit<br />

dem Hinweis auf <strong>die</strong> Sprachwurzel des Wortes ‚Ungeziefer‛ begegnen, der den<br />

Bezug zum Heiligen im Sinne der Leitidee Mary Douglas’ herstellt.263 Dabei <strong>ist</strong><br />

unerheblich, ob für das Unwertkriterium <strong>die</strong> Anwesenheit am falschen Ort (wie<br />

Douglas betonen würde) oder <strong>die</strong> unterste Stufe des Konzeptrasters gilt (wie der<br />

Douglas-Kritiker Miller einwendet).264 Eine Diskussion von Gesichtspunkten, <strong>die</strong><br />

sich aus den Naturdefinitionen von Holling, Gunderson und Ludwig (2002) für<br />

den Schädlingsdiskurs ergeben, erfolgt wegen ihrer problematischen h<strong>ist</strong>orischen<br />

Übertragbarkeit an anderer Stelle.265<br />

In seiner Darstellung von Risikoperzeption und Sicherheitsversprechen im<br />

18. Jahrhundert führt Meyer in einsichtiger Weise aus, dass <strong>die</strong> Schädlingsfrage in<br />

das damals im betrachteten deutschen Raum gültige staatstheoretische Konzept<br />

des Glückseligkeitsversprechens integriert <strong>ist</strong>. 266 Er begründet <strong>die</strong>s einmal mit der<br />

263 Zum Ungeziefer-Begriff: DWB bzw. Herrmann (2006a). Wichtig <strong>ist</strong> in <strong>die</strong>sem Zusammenhang<br />

der Hinweis auf <strong>die</strong> biblische Unterscheidung von ‚reinen’ und ‚unreinen’ Tieren.<br />

264 Miller (1998); hierzu auch Edelman (2002).<br />

265 Herrmann (2007).<br />

266 Ich verweise auf Meyer (2003) und das Kap. 4.3. bei Meyer (1999) und führe daher hier nicht<br />

weiter aus. Bei Meyer auch zahlreiche exemplarische Belegstellen für das Folgende, ebenso in<br />

Herrmann (2006b).

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