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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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438<br />

Teil des autochthonen Großwildbestandes in Nordamerika den Eintritt in <strong>die</strong><br />

postglaziale Zeit nicht lange genießen konnte. Dies ereignete sich lange vor der<br />

Zeit und außerhalb des Entstehungsraums der biblischen Erzählungen und beseitigt<br />

zugleich auch den augenscheinlich unausrottbaren Mythos vom einstmals „mit<br />

der Natur im Einklang lebenden Menschen“, der seinerseits dem angeblichen „Naturzustand“<br />

(a la Rousseau) noch näher war. 813 Der Mensch deckt aber, wie jedes<br />

Lebewesen, einfach nur seine Bedürfnisse. Wenn der für <strong>die</strong> Tauben gedeckte<br />

Tisch plötzlich größer ausfällt als früher, warum sollen sie ihre Zahl nicht opportun<strong>ist</strong>isch<br />

vergrößern? Genauso, wie Menschen es tun, wenn ihnen der Tisch reicher<br />

gedeckt erscheint oder das Raumangebot es hergibt.<br />

Schon im vorletzten Absatz hat <strong>die</strong> Argumentation das wissenschaftlich Begründbare<br />

zu verlassen begonnen. Da <strong>die</strong> Dinge in der Natur lediglich so sind, wie sie<br />

sind, nicht aber, weil sie so sein sollen, gibt es keine Entscheidungsmöglichkeit<br />

über eine richtige oder eine falsche Zahl von Tauben wie von Menschen, <strong>die</strong> aus<br />

der Biologie käme. Ökosysteme wandeln sich, und wenn infolge dessen eine Art<br />

gelegentlich ausstirbt, <strong>ist</strong> das aus der Struktur des Prozesses selbst begründet.<br />

„Nachhaltigkeit“ <strong>ist</strong> eine Wertefrage, keine Kategorie der Natur.<br />

Es gibt allerdings Auffassungen darüber, wie viele Menschen es geben sollte oder<br />

dürfte und darüber, dass es ein Verlust <strong>ist</strong>, wenn <strong>die</strong> Tauben nicht mehr ex<strong>ist</strong>ieren.<br />

Und darüber, ob und wie Nachhaltigkeit zu praktizieren <strong>ist</strong>. Alles <strong>die</strong>ses sind absolut<br />

weltanschauliche Auffassungen, selbst wenn sie sich noch so pragmatisch oder<br />

einen von Sachzwängen diktierten Anschein geben. Selbstverständlich lohnt es<br />

sich, darum zu ringen und zu streiten. Aber <strong>die</strong>s mit dem Rückgriff auf „richtige“<br />

oder „falsche Natur“ zu tun, wäre ein schlimmer Fehler. Es sind und bleiben Fragen<br />

der Weltanschauung. Walton Fords Bild fordert auf, hierzu Stellung zu nehmen:<br />

„Ich für <strong>mein</strong> Teil wollte <strong>die</strong> Sprache der naturwissenschaftlichen Illustratoren des 19. Jhs.<br />

so benutzen, wie sie es sich selber nie erträumt hätten – um unser kollektives Bewusstsein in<br />

Bezug auf <strong>die</strong> Natur und <strong>die</strong> anderen Lebewesen, mit denen wir uns <strong>die</strong>sen Planeten teilen, auszuloten.“<br />

814<br />

813 In dem es offenbar eine Natur zu geben scheint, <strong>die</strong> von der uns bekannten Natur grundverschieden<br />

sein muss: eine Natur ohne „Wettbewerb“, ohne „Konkurrenz“, ohne Nahrungskette, in der alle<br />

und mit allen und unbehelligt nebeneinander leben und an Altersschwäche sterben. Das <strong>ist</strong>, leicht<br />

erkennbar, nichts weiter als <strong>die</strong> Geschichte vom para<strong>die</strong>sischen Mythos.<br />

814 „In my case, I wanted to take the language of the nineteenth-century natural-h<strong>ist</strong>ory illustrators<br />

and use it in a way they would never have imagined – to plumb our own collective ways of thinking<br />

about the natural world and these beings we share the planet with.“ Walton Ford, zitiert aus Tomkins.

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