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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Innerfachliches (2011)<br />

Dantes Göttliche Komö<strong>die</strong>, Michelangelos Pieta, <strong>die</strong> Gotischen Kathedralen oder<br />

der Nord-Ostsee-Kanal, als Produkte einer genetischen Grundlage des Menschen<br />

aus einer evolutionsbiologisch fun<strong>die</strong>rten adaptiven Verhaltensstrategie einzuordnen.<br />

Natürlich kann <strong>mein</strong> Körper sich nur in den von Genetik und Manifestationsform<br />

vorgegebenen Grenzen verhalten. Aber, ob eine romanische oder gotische<br />

Kathedrale gebaut wird, <strong>ist</strong> für mich keine Frage der genetischen Basis. Deswegen<br />

<strong>ist</strong> <strong>die</strong> Suche nach den archimedischen Punkten oft so sinnlos bzw. nur dort sinnvoll,<br />

wo es um das Durchschlagen der rein animalischen Ex<strong>ist</strong>enz geht. Inwieweit<br />

aber eine Mitwirkung am vierhundertjährigen Bau einer Kathedrale <strong>die</strong> konkreten<br />

Fortpflanzungschancen verbessert oder den Zugang zu Nahrungsressourcen in<br />

Zeiten der Knappheit verbessert und ob <strong>die</strong>se letztlich <strong>die</strong> Motivationen für ihren<br />

Bau abgeben, halte ich für eine absurde Perspektive. Abgesehen davon <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Rede<br />

von „der Natur des Menschen“ eine ontologische Zuweisung, ein kulturelles Konstrukt.<br />

Wenn denn das Transdiziplinäre sich allerdings zuerst als kommunikationssoziologische<br />

und wissenschaftssoziologische Blüte begreifen sollte, wie man nach<br />

Lektüre von Bruno Latour vermuten könnte 835 oder als eine Unternehmung, <strong>die</strong><br />

„Wissenschaft und Gesellschaft wieder näher zusammenbringen, um dadurch unausgeschöpfte<br />

Problemlösepotentiale zu mobilisieren und innovative Lösungen zu<br />

ermöglichen“, 836 dann stimme ich in der Sache vermutlich 837 zu. Ich hätte es allerdings,<br />

in der etwas hemdsärmeligen Diktion <strong>mein</strong>er Berliner Heimat, gern eine<br />

rhetorisch-deklamatorische Nummer kleiner.<br />

Seit den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts hat es in der internationalen Anthropologie<br />

eine fruchtbare Verbindung biologischer Fragestellungen hin <strong>zur</strong> Funktionalisierung<br />

kultureller Fragestellungen gegeben. Die international produktive biologiehaltige<br />

Anthropologie <strong>ist</strong> heute einem ökosystemaren Ansatz verpflichtet,<br />

ohne nur Biologie sein zu wollen oder es zu sein. Wie sich <strong>die</strong> internationale fachliche<br />

Entwicklung darstellte, <strong>ist</strong> in prägnanter Übersicht dem Einleitungskapitel bei<br />

Schutkowski zu entnehmen. 838<br />

Nicht zu übersehen <strong>ist</strong>, dass sich international Begriffe mit überlappenden bzw.<br />

parallelen Inhalten herausbildeten, u.a. Cultural Ecology, Ecological Anthropology,<br />

Human Adaptability, Biocultural Anthropology, Cultural Materialism oder Human<br />

Ecology. Sie sind Ausdruck einer Partikularisierung, deren Pluralität keineswegs<br />

mit einem vergrößerten Theorieangebot gleichzusetzen <strong>ist</strong>. Es liegt nahe, nach<br />

einer Vermittlungs- und Synthesetheorie zwischen all <strong>die</strong>sen Begriffen zu suchen,<br />

835 Soweit ich <strong>die</strong>s aus der mir ansonsten weitgehend verschlossenen analytischen Kraft der Latourschen<br />

Gedanken mit Hilfe von Michael Hagner begreifen durfte (Hagner 2006)<br />

836 So der Wortlaut aus dem Editorial von Armin Grunwald zum Thematischen Schwerpunkt<br />

„Transdisziplinarität“ in Gaia 1/2007<br />

837 Vorbehaltlich, dass <strong>mein</strong> Verständnis der zitierten Darstellungen mit den Intentionen der Verfasser<br />

zusammenfällt<br />

838 Schutkowski 2006<br />

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