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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Wer <strong>die</strong> Kulturgeschichte des Menschen nur als realiengeschichtliche Fortschrittsmöglichkeit<br />

der „Holz-Kultur“ entfaltet, dem wird <strong>die</strong> Geschichte gelegentlich den<br />

Knüppel zwischen <strong>die</strong> Beine stecken und ihn in Albträumen mit Holzmasken der<br />

Fassnacht heimsuchen oder ihn mit den schlesischen Webern <strong>zur</strong> Fronarbeit am<br />

Webstuhl vergattern.<br />

Es <strong>ist</strong> merkwürdig. Wir alle schätzen ein gemütliches Kaminfeuer, dessen<br />

Wärme und Stimmung wir dem Holz verdanken, so, wie wir das Holz selbstverständlich<br />

als Energieträger, Werk- und Baustoff schätzen und aus seinen Bestandteilen<br />

chemische Verbindungen mit erstaunlichen Eigenschaften destillieren. Unser<br />

kollektives Gedächtnis <strong>ist</strong> weitgehend auf Holz gedruckt, <strong>die</strong> tägliche Zeitung sowieso.<br />

Die L<strong>ist</strong>e geschätzter hölzerner Produkte bzw. holzgeschuldeter Annehmlichkeiten<br />

<strong>ist</strong> schier endlos, und enthält unter anderem so eminent wichtige Beiträge<br />

<strong>zur</strong> Menschenwürde wie Papiertaschentücher und Toilettenpapier.<br />

Doch sonderbar quer hierzu dankt unsere Sprache dem Holz seine universelle<br />

Nützlichkeit keineswegs. Mit Bezug auf den Menschen ex<strong>ist</strong>iert offenbar kaum ein<br />

positiv besetztes Lexem der „Holz“-Familie resp. seine Abwandlungen, fast ausschließlich<br />

findet es sich in pejorativen Zusammenhängen:<br />

ein Mensch <strong>ist</strong> „hölzern“, er hat ein „Brett vor dem Kopf“, womöglich einen<br />

„Ast“ und den „Balken im Auge“. Suspekt erscheint uns ein „stocksteifes, vierschrötiges“<br />

Gegenüber, eine „lange Latte“ mit einem „Holzkopf“.<br />

Der Spott kennt den Unterschied zwischen einem Stück Holz und einem Beamten<br />

genau, der darin bestehe, dass „Holz arbeitet“. Am Ende erwe<strong>ist</strong> sich überraschend<br />

selbst ein so schwachsinniger Witz als mit dem Thema eng verbunden,<br />

weil der Begriff „Kalauer“ eine mögliche Ableitung von jenen Holzpantinen zweifelhafter<br />

Qualität darstellt, <strong>die</strong> in Calau (Brandenburg) gefertigt wurden.<br />

Aus Holz sind Altarbilder oder andere Schnitzwerke kontemplativer Zweckbestimmung,<br />

<strong>ist</strong> das Hauptsymbol der chr<strong>ist</strong>lichen Weltreligion, sind heidnische Totempfähle<br />

gemacht. Den Vampir im Grab erledigt ein Holzpflock. Ist der Sündenfall<br />

in der Bibel noch eine Art misslungener Obstklau, verbindet ihn Rousseau<br />

thematisch richtig mit jenen Holzpflöcken, mit denen einer <strong>die</strong> erste Landparzelle<br />

als Eigentum absteckte und <strong>die</strong> anderen dumm genug waren, ihm das zu glauben.<br />

Seitdem <strong>ist</strong> das ein Thema für Menschen, <strong>die</strong> dicke Bretter bohren wollen, wie Karl<br />

Marx in den Debatten über das Holz<strong>die</strong>bstahlsgesetz.<br />

Aus Holz werden Musikinstrumente und auch der Abakus gefertigt. Schließlich<br />

das Zündholz, ein wichtiges Fortschrittssymbol. Auch wenn <strong>die</strong> Dampfmaschine<br />

am Ende nur mit Holz – wenn auch fossilem - in Gang kam, nicht jeder Fortschritt<br />

verdankt sich xylophilen Ideen. Aber <strong>die</strong> Eigenschaften des Werkstoffs<br />

haben <strong>die</strong> ingeniöse Phantasie des Menschen unglaublich beflügelt.

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