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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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schichte nach der Formel „Rezeption und Rekonstruktion“ des Göttinger Graduiertenkollegs<br />

zwangsläufig.<br />

Neben den Vorbehalten, <strong>die</strong> von biologischer Seite gegenüber den Vorstellungen<br />

von Uexkülls geäußert wurden, steht zusätzlich jener ernste Einwand Adolf Portmanns,<br />

406 der von Uexküll ein Missverständnis seiner eigenen Theorie nachwe<strong>ist</strong>,<br />

wenn er beim Versuch der Übertragung seiner „Umwelt“-Idee einen entscheidenden<br />

Umstand vernachlässigt. Im Gegensatz <strong>zur</strong> arttypischen Umweltstruktur, <strong>die</strong><br />

den Tieren zukomme, werden im Falle des Menschen <strong>die</strong>se arttypischen Differenzen<br />

gegenstandslos, weil „alle <strong>die</strong>se verschiedenen Weltsichten 407 an einer ge<strong>mein</strong>samen<br />

Artwelt teilhaben, dass ‚Verstehen‛ verschiedener derartiger Umwelten möglich<br />

<strong>ist</strong> – dass eine Aussprache über Gegensätze der Auffassung stattfinden kann.“<br />

Das nach <strong>mein</strong>em Verständnis Neue in der Geschichtsbetrachtung umwelth<strong>ist</strong>orischer<br />

Ausrichtung besteht in dem von ihr praktizierten Perspektivenwechsel, in<br />

dem ich eine Erweiterung h<strong>ist</strong>orischer Fragestellungen und Bewertungen durch das<br />

Weglassen oder Ergänzen bisheriger Bezüge sehe, wofür folgendes Beispiel steht.<br />

André Malraux wird <strong>die</strong> Bemerkung über das Niederländische Stillleben zugesprochen:<br />

„Dass man einen Fisch auf einen Teller legen kann, hat Holland nicht erfunden, dafür<br />

aber, dass <strong>die</strong>ser Fisch nicht mehr <strong>die</strong> Speise des Apostels zu sein braucht.“ In nämlicher<br />

Weise hat Svetlana Alpers (1998) argumentiert, dass in der entsakralisierten dinghaften<br />

Darstellung der Stilllebenmaler „mit getreulicher Hand und ehrlichem Auge“ eine<br />

der mächtigen Wurzeln der neuzeitlichen Naturwissenschaft zu sehen <strong>ist</strong>. Das<br />

Neue entsteht durch das Weglassen alter Bezüge, durch ihre Neuordnung und ihre<br />

Erweiterung.<br />

Kopfläuse, Wasserstände, <strong>die</strong> Kleine Eiszeit und dergleichen haben Umwelth<strong>ist</strong>oriker<br />

nicht erfunden, wohl aber, dass ihre Beachtung den Blick auf den Prozess der<br />

Geschichte um entscheidende Determinanten weitet. „Natur“, „Umwelt“ und ihre<br />

Begleiter werden in der <strong>Umweltgeschichte</strong> in einer anderen, eigenständigen Weise<br />

als bisher in <strong>die</strong> Geschichtsbetrachtung eingebracht. Dem Naturalen wird Geschichtsmacht<br />

zugebilligt, <strong>die</strong> Ausrichtung der Rezeption und des Handelns auf sie<br />

werden anerkannt. 408 Nur hat das ideengeschichtlich mit von Uexküll praktisch<br />

nichts zu tun. Die gedankliche Verbindung zwischen „Umwelt“ und „Geschichte“<br />

musste eigenständig konstruiert werden. Dass <strong>die</strong>se Verbindung sich ggfl. in von<br />

Uexkülls Gedankenwelt einfügen lässt und deshalb letztlich auch fälschlich für eine<br />

von seiner Einsicht mitgetragenen Idee gehalten wird, <strong>ist</strong> eine andere Sache.<br />

406 Adolf Portmann (1997 – 1982), bedeutender Zoologe und Verfasser biologisch-philosophischer<br />

Abhandlungen, im Vorwort zu von Uexküll & Kriszat (1956, S.11).<br />

407 Portmann, a.a.O. Hier <strong>mein</strong>t Portmann <strong>die</strong> Differenzen zwischen verschiedenen Überzeugungssystemen<br />

und Kulturen.<br />

408 Beispielhaft angelegt bei Borst (1981)

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