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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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34<br />

Stechmücke. Die Euphemismen einer ökologisch bewegten Sprache versuchen seit<br />

längerem, „Unkraut“ gegen „Wildkraut“ oder „Pflanzen am falschen Standort“ zu<br />

ersetzen. Sonderbarerweise wird ein ähnliches Angebot für tierliche Schädlinge<br />

(etwa „Tiere am falschen Ort“) nicht gemacht. Wie das „Unkraut“ <strong>ist</strong> auch der<br />

Mikroorganismus kein „Schädling“. Schädliche Mikroorganismen sind „Pathogene“<br />

oder „Erreger“.<br />

„Schädlinge“ sind offenbar nur höhere Tiere, mit dem Schwerpunkt im wirtschaftlichen<br />

Kontext. 38 Das Konfliktpotential der kategorialen Einordnung wird<br />

offenkundig, wenn betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Interessenlagen,<br />

<strong>die</strong> der Schädling berührt, nicht gleichgelagert sind. Wenn beispielsweise<br />

Kormorane gegenwärtig wegen volkswirtschaftlicher Unerheblichkeit sogar als<br />

schutzwürdige Vögel eingestuft werden, obwohl sie betriebswirtschaftliche Probleme<br />

verursachen. Aber, <strong>die</strong> Schutzwürdigkeit auf Grundlage der gesamtgesellschaftlichen<br />

Norm schließt sie politisch korrekt aus der Gruppe der Schädlinge<br />

aus, weil sich gesellschaftliches Bewußtsein und Handeln zumindest heute auf <strong>die</strong><br />

volkswirtschaftliche Dimension bezieht. Deswegen verbleiben z.B. auch <strong>die</strong> symbolgeladenen<br />

Elefanten grundsätzlich in der Gruppe der globalwirtschaftlich schutzwürdigen<br />

Tiere, obwohl sie aus in manchen Ländern aus volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen<br />

Gründen zum kontrollierten Abschuss freigegeben werden<br />

können. Sie erlangen aus offensichtlichen Gründen keinen nominellen „Schädlingsstatus“.<br />

39<br />

Ohne bestreiten zu wollen, dass Verdinglichungen oder Repräsentationen aus<br />

dem Schädlingsdiskurs in Deutschland in einer sich selbst beschleunigenden Spirale<br />

in abgründiges normatives Handeln geführt haben, rate ich zu einer <strong>zur</strong>ückhaltenden<br />

Analyse. „Das Reden über ‚schädliche’ Insekten bedeutet eine Ökonomisierung,<br />

ein buchhalterisches Denken in den Kategorien von Schaden und Nutzen,<br />

das dem früheren „Ungeziefer“ nicht eingeschrieben <strong>ist</strong>.“ 40 Anders als behauptet,<br />

war der ökonomische Gedanke auch in der Handlung gegen „Ungeziefer“ immer<br />

eingeschlossen. Die Differenz, auf <strong>die</strong> man sich richtigerweise beziehen sollte,<br />

betrifft nicht allererst jene abstrakte ökonomische Ebene, sondern vielmehr <strong>die</strong><br />

Ebene des konkreten Flächenbezuges. In den agrar-solaren Regimes vor der Industrialisierung<br />

wird selbstverständlich <strong>die</strong> „Ausrottung“ von Schädlingen thematisiert.<br />

41 Soweit sich <strong>zur</strong>ückverfolgen lässt, bezieht sich „Ausrottung“ auf <strong>die</strong> Ent-<br />

38 Die körperaffinen Schädlinge des Menschen, in der Regel „Parasiten“, lassen sich mühelos unter<br />

<strong>die</strong> wirtschaftlichen Sachverhalte subsumieren.<br />

39 Eine Beispiel für eine relativierende umwelth<strong>ist</strong>orische Behandlung des Elefanten-Themas bei<br />

Mark Elvin: The Retreat of the Elephants. An Environmental H<strong>ist</strong>ory of China. New Haven 2004<br />

40 Jansen, Schädlinge, S.1<br />

41 Beispiele in Bernd Herrmann: Die Entvölkerung der Landschaft. Der Kampf gegen „culturschädliche<br />

Thiere“ in Brandenburg im 18.Jh. In: Günter Bayerl/Torsten Meyer (Hg.) Die Veränderung der<br />

Kulturlandschaft. Nutzungen - Sichtweisen – Planungen. Münster u.a. 2003 (= Cottbuser Stu<strong>die</strong>n <strong>zur</strong><br />

Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt 22), S. 33 - 59

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