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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Schädlinge in Brandenburg (2007)<br />

sieren, wobei <strong>die</strong>s dann mit dem Erfolg der chemischen Bekämpfungsmittel und<br />

der Herausbildung einflussreicher wissenschaftlicher Verbände einhergeht. Solche<br />

bürgerlichen Interessenge<strong>mein</strong>schaften sind doch wohl eindeutig auf <strong>die</strong> Entwicklungen<br />

des 19. Jahrhunderts <strong>zur</strong>ückzuführen. Ob man in der Konzentration der<br />

Zuständigkeiten auf der Reichsebene im Staat selbst einen Gewinner sehen möchte,<br />

<strong>ist</strong> eher Geschmackssache. Sicher befördern <strong>die</strong> Reblausgesetze am Ende des<br />

19. Jahrhunderts das gesamtstaatliche Handeln. Aber das hat letztlich seine Parallele,<br />

inhaltlich wie technisch, in den Bekämpfungsedikten der territorialstaatlichen<br />

Zuständigkeiten im 18. Jahrhundert, der Staat übernimmt Verantwortung gegenüber<br />

seinen Einwohnern <strong>zur</strong> Abwendung materieller Schäden und <strong>zur</strong> Beförderung<br />

der Nahrungsverstetigung: „zu unsrer Länder und getreuen Unterthanen<br />

Besten“ 327 (siehe auch weiter unten). Dass es kommerzielle Hamster- und Krähenfänger<br />

gegeben hat, kann nicht den Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen zugerechnet<br />

werden, sondern muss als individuelle Versuche eines Broterwerbs aus der<br />

wirtschaftlichen Weiternutzung des Tierprodukts gesehen werden.<br />

Interessant scheint mir <strong>die</strong> Frage, warum <strong>die</strong> Entwicklung nicht zu einer allmählichen<br />

Herausbildung eines Zentralreg<strong>ist</strong>ers für Schädlinge geführt hat. Vermutlich<br />

sind letztlich biologische Gründe ausschlaggebend. Ob Biber, Maikäfer, Heuschrecken,<br />

Hamster oder Malaria, alles hat seinen Ort und seine Zeit. Die Schädlinge<br />

sind letztlich immer nur regionale oder parzellenbezogene Bedrohungen. Eine<br />

Umlage der Schäden als Ge<strong>mein</strong>kosten für das gesamte Territorium erfolgt nicht.<br />

Nach <strong>mein</strong>er Kenntnis enden <strong>die</strong> angeordneten Bekämpfungsmaßnahmen auf der<br />

Provinzebene. Sie können zwar gleichlautend für mehrere Provinzen (bzw. Cammern)<br />

angeordnet werden, werden aber nicht für den gesamten Herrschaftsbereich<br />

verbindlich. Selbst das in seiner Ausführlichkeit wie überregulierend erscheinende<br />

Edikt Friedrichs II. vom 30.11.1753 <strong>zur</strong> Heuschreckenplage, regelt detailliert <strong>die</strong><br />

Vorgehensweise für <strong>die</strong> heuschreckengefährdeten Gebiete. Formal <strong>ist</strong> es allerdings »allen<br />

Unsern Land- und Steuer-Räthen, Gerichts-Obrigkeiten, Mag<strong>ist</strong>räten und Beamten«<br />

<strong>zur</strong> Beachtung befohlen. Damit wäre es wohl das erste Schädlingsedikt, das<br />

(mindestens implizit) für das gesamte Königreich gilt.<br />

Für eine Annahme, wonach sich <strong>die</strong> unheilige Allianz von Schädlingsbekämpfern<br />

und falscher Politik, welche nach Jansen (2003) den Schädlingsdiskurs der ersten Hälfte<br />

des 20. Jahrhunderts in Deutschland beherrscht, bereits schon früher andeuten könnte,<br />

fehlen mir für <strong>die</strong> betrachtete Zeit und Region jegliche Hinweise. 328 Sie müssten am<br />

ehesten in der Verbindung von Schädlingsbekämpfung und staatlichem Gewaltmonopol<br />

oder dem Einsatz eines speziellen, staatlich legitimierten Personenkreises resultieren. Der<br />

Staat regelt zwar im Einzelfall das Vorgehen gegen Schädlinge, greift dafür aber kei-<br />

327 Seite 1 des ‚Erneuerten Edicts wegen Vertilgung der Heuschrecken und Sprengsel’ Berlin,<br />

30.11.1753.<br />

328 Der älteste greifbare Mensch-Ungeziefer-Vergleich in Deutschland stammt vielleicht vom Erzbischof<br />

Dietrich von Mainz, der Mitte des 15. Jahrhunderts Juden ‚Ungeziefer’ nennt. Zitiert nach<br />

Hüllmann (1827), S. 88.<br />

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