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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Krebse, Lachs und Hasenbraten (2006)<br />

Flusslauf aufeinander folgenden Fangstationen kennen, um aus der Quote auf <strong>die</strong><br />

Lachshäufigkeit schließen zu können. 181<br />

Die Ableitung h<strong>ist</strong>orischer Individuenzahlen muss zuerst <strong>die</strong> Populationsschwankungen<br />

innerhalb des betrachteten Ökosystems kennen. Bestandsschwankungen<br />

sind innerhalb der Prozessabläufe in einem Ökosystem normal und natürlich. Liegt<br />

nun das Betrachtungsfenster <strong>zur</strong> Ermittlung einer h<strong>ist</strong>orischen Bestandshäufigkeit<br />

in einem Abschnitt geringer Abundanz, kann leicht der Eindruck einer Bestandsabnahme<br />

entstehen, im umgekehrten Fall derjenige einer Bestandszunahme. Tatsächlich<br />

wären beide Bewertungen inadäquat, weil <strong>die</strong> „natürliche Bestandszahl“<br />

keine konstante Größe <strong>ist</strong>. In aller Regel ex<strong>ist</strong>ieren keine Kenntnisse über <strong>die</strong> ökologischen<br />

Prozessabläufe in h<strong>ist</strong>orischer Zeit. Vergleicht man hilfsweise jedoch mit<br />

den heutigen Bestandszahlen, ergeben sich lediglich absolute Beträge ohne Vorzeichen.<br />

In der Tat <strong>ist</strong> es ein Faktum, dass kaum Lachse gefangen werden. Ob daraus<br />

aber abzuleiten <strong>ist</strong>, dass der Lachs hinsichtlich seiner Häufigkeit wirklich einen<br />

h<strong>ist</strong>orischen Absturz erlebt hat, erscheint mir diskussionswürdig.<br />

5 Ausblick<br />

Wird der Begriff „Biodiversität“ verwendet, <strong>ist</strong> grundsätzlich unklar, ob er als<br />

Konzeptbegriff für ein Forschungsprogramm oder deskriptiv als modern<strong>ist</strong>ischer<br />

Ersatz für „Artenvielfalt“ bzw. deren Ableitungen verwendet wird. Als Konzeptbegriff<br />

<strong>ist</strong> er <strong>mein</strong>er Einsicht nach ideengeschichtlichen mit dem Konzept der<br />

„Kette der Wesen“ verbunden. Dieses Konzept gilt der modernen Biologie als<br />

obsolet. Daher plä<strong>die</strong>re ich dafür, den Begriff „Biodiversität“ in wissenschaftlichen<br />

Zusammenhängen nicht zu verwenden, bzw. ihn nur dann zu verwenden, wenn<br />

der Verwendungszusammenhang eine sub- oder metatextliche Deutung in <strong>die</strong>ser<br />

ep<strong>ist</strong>emologischen Richtung ausschließt. Bei Institutionen, <strong>die</strong> den Begriff aus<br />

programmatischen Gründen in ihrem Namen führen, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Gefahr der Fehlinterpretation<br />

besonders groß. Die unkritische Verwendung des Begriffs befördert nach<br />

<strong>mein</strong>er Einsicht naturphilosophische Positionen zweifelhafter Reife.<br />

H<strong>ist</strong>orische Daten über Arten- und Individuenzahlen lassen sich bei ausreichender<br />

Datendichte zu Prozesskurven verbinden. Für <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>en Prozesskurven<br />

zu Arten- und Individuenzahlen in der Geschichte sind nur Einzelwerte bekannt,<br />

nicht aber <strong>die</strong> Graphencharakter<strong>ist</strong>ika. Wer über h<strong>ist</strong>orische Abundanzen spricht,<br />

müsste aber über solche Graphen sprechen. Über solche Prozesskurven wissen wir<br />

allge<strong>mein</strong> wenig. Wer weiß dann aber, was „h<strong>ist</strong>orisch richtig“ <strong>ist</strong> und was „von<br />

Natur aus“ so sein soll? Solange <strong>die</strong> Voraussetzungen für <strong>die</strong> Beantwortung <strong>die</strong>ser<br />

181 Ich danke Herrn Dr. Chr<strong>ist</strong>ian Wolter, Leibniz Institut für Binnenfischerei und Gewässerökologie,<br />

Berlin, für <strong>die</strong>sen Gedanken und hilfreiche Gespräche. Herr Wolter hat mit Kollegen ein Schätzverfahren<br />

<strong>zur</strong> Ermittlung von Fischbeständen aus h<strong>ist</strong>orischen Daten entwickelt: Chr<strong>ist</strong>ian Wolter, Antje<br />

Bischoff & Klaus Wysujack, The use of h<strong>ist</strong>orical data to characterize fish-faun<strong>ist</strong>ic reference conditions<br />

for large lowland rivers in northern Germany, in: Archiv für Hydrobiologie, (2005) in press.<br />

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