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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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jahrhundertealten Adjektiv „schädlich“. Nicht <strong>die</strong> ökonomische Qualität sucht<br />

ihren Ausdruck, sondern <strong>die</strong> notwendig gewordene Benennung des naturalen Akteurs,<br />

des Gegenspielers menschlicher Interessen. „Der Schädling“ <strong>ist</strong> <strong>die</strong> metonymische<br />

Transformation eines vordem als „Natur“ anonym agierenden Täterwesens,<br />

dessen vielfältige Stellvertreter in <strong>die</strong>sem neu geschaffenen Gattungsbegriff<br />

systematisiert werden. 15 Das seinerzeit technisch modernste Instrument der Bekämpfung<br />

benötigte den Begriff als logischen Ort für den Gegner, weil <strong>die</strong> rationalen<br />

Prinzipien der Naturwissenschaften im 19.Jh. <strong>die</strong>sen aus einer ehedem unverstandenen<br />

Plage endgültig in einen kalkulierbaren Akteur überführt haben. 16 Aber<br />

anders als Jansen hervorhebt, führte nicht <strong>die</strong> Idee des „Schädlings“, für den es<br />

bedeutungsnahe Vorläuferbegriffe gibt, in <strong>die</strong> Katastrophe. Es war auch nicht der<br />

ver<strong>mein</strong>tlich neue Betonung des wirtschaftlichen Denkens in der Schädlingsbekämpfung,<br />

17 denn <strong>die</strong> Idee der Schädlingsbekämpfung <strong>ist</strong> grundsätzlich ohne Kosten-Nutzen-Überlegungen<br />

nicht denkbar. Es war <strong>die</strong> moralische Enthemmung, mit<br />

der ein pervertiertes Denken einer falschen Rationalität <strong>zur</strong> politischen und technischen<br />

Durchsetzung verhalf.<br />

Die zweite Facette der Geschichte der Schädlingsbekämpfung berührt ebenfalls<br />

eine Wertefrage. Sie betrifft elementar den wertekategorialen Umgang des<br />

Menschen mit „Natur“, in dem sich entweder eine teleologische Auffassung oder<br />

ihr scheinbar wertneutrales ontologisches Äquivalent abbildet. Es <strong>ist</strong> entweder <strong>die</strong><br />

Vorstellung einer auf den Menschen hin konstruierten Natur, <strong>die</strong> es möglich<br />

macht, Rechtfertigungsgründe für <strong>die</strong> Tötung von Organismen zu finden, <strong>die</strong> nach<br />

15 Noch um <strong>die</strong> Mitte des 19.Jh. <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Zeugungsweise vieler niederer Tiere, zu denen <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>en<br />

Schädlinge gehören, nicht allge<strong>mein</strong>es Wissensgut. Das modernste Lehrbuch seiner Zeit we<strong>ist</strong> immer<br />

wieder darauf hin: H.Nördlinger: Die kleinen Feinde der Landwirthschaft oder Abhandlung der in<br />

Feld, Garten und Haus schädlichen oder lästigen Schnecken, Würmer, Gliederthierchen, insbesondere<br />

Kerfe, mit Berücksichtigung ihrer natürlichen Feinde und gegen sie anwendbaren Schutzmittel.<br />

Stuttgart 1869 (2.Auflage)<br />

16 Der Gegenbegriff „Nützling“ wird etwa zeitgleich zum „Schädling“ gefunden (Moritz Heyne:<br />

Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1892). Dabei ex<strong>ist</strong>ierte auch zu <strong>die</strong>sem Nomen ein viel älteres Adjektiv.<br />

Der dritte Begriff <strong>die</strong>ser Reihe, der „Lästling“ <strong>ist</strong> eine relativ junge Wortschöpfung, <strong>die</strong> sich dem<br />

nachlassenden ökonomischen Druck auf <strong>die</strong> Nahrungsproduktion verdankt. Die Überflussgesellschaft<br />

kann es sich le<strong>ist</strong>en, den Schädlingsstatus in einer Grauzone der Lästlinge enden zu lassen,<br />

deren Bekämpfung keine ökonomische oder ästhetische Notwendigkeit darstellt. Die emphatische<br />

Aufladung <strong>ist</strong> hingegen lange bekannt: Die Erfurter Dominikaner ärgerten sich 1493 sehr über <strong>die</strong><br />

Elstern, <strong>die</strong> in ihrem Kirchturm n<strong>ist</strong>eten, denn <strong>die</strong> Bürger verspotteten sie, deren Ordenstracht an <strong>die</strong><br />

Elstern erinnerten. Die Mönche dingen schließlich einen Vaganten, <strong>die</strong> Elstern zu vertreiben. Aus:<br />

Ernst Schubert: Das Interesse an Vaganten und Spielleuten. In: Hans-Werner Götz/Jörg Jarnut<br />

(Hg.): Mediäv<strong>ist</strong>ik im 21. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der internationalen und interdisziplinären<br />

Mittelalterforschung. München 2003 (= Mittelalterstu<strong>die</strong>n, hrsg. von Ernst Bremer/Jörg<br />

Jarnut/Matthias Wemhof, Bd. 1), S. 409 – 426, S. 411. - Oder konkreter: man vertreibt z.B. in den<br />

Siedlungen des Oderbruchs im 18.Jh. <strong>die</strong> lästigen Insekten durch Räucherwerk aus den Wohnungen<br />

(vgl: Bernd Herrmann/Martina Kaup: „Nun blüht es von End zu End all überall“ Die Eindeichung<br />

des Nieder-Oderbruchs 1747 – 1753, Münster u.a. 1997 (= Cottbuser Stu<strong>die</strong>n <strong>zur</strong> Geschichte von<br />

Technik, Arbeit und Umwelt 4)<br />

17 Die hierzu gehörige Fußnote 2 bei Jansen bemüht <strong>die</strong> Encyclopä<strong>die</strong>n des 18. Jh. und übersieht u.a.,<br />

dass <strong>die</strong>se, wie etwa der Krünitz, sich z. T. bereits im Titel „oeconomisch“(!) nennen und damit<br />

selbstverständlich <strong>die</strong> Wirtschaft im Auge haben.

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