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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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<strong>Umweltgeschichte</strong> wozu? (2009)<br />

vielmehr im Einzelfall geprüft werden, ob einer anthropogenen Veränderung in<br />

der Natur tatsächlich auch eine Veränderung des menschlichen Verhältnisses <strong>zur</strong><br />

Natur zugrunde liegt. Dies <strong>ist</strong> zumindest dann nicht der Fall, wenn das Ergebnis<br />

unbeabsichtigte Nebenfolge eines im Grundsatz gleich gebliebenen Verhältnisses<br />

<strong>zur</strong> Natur <strong>ist</strong>. Der Niedergang z.B. der indianischen Kulturen des amerikanischen<br />

Südwestens <strong>ist</strong> nicht Ergebnis eines veränderten Naturverhältnisses, sondern eines<br />

anhaltend gleichbleibenden, obwohl es nicht unabänderbar in seinem Beginn enthalten<br />

war. Absurder Weise wäre <strong>die</strong>ser Niedergang mit der Godelierschen Definition<br />

aus der Geschichte ausgeblendet. – Wenn dagegen eingewendet würde, dass es<br />

nicht auf <strong>die</strong> konkrete Handlung oder Handlungsfolge oder eine h<strong>ist</strong>orische Tatsache<br />

ankäme, sondern vielmehr <strong>die</strong> potentielle Eigenschaft „des Menschen“ ge<strong>mein</strong>t<br />

sei, dann endete <strong>die</strong> Godeliersche Pointe lediglich in der Tautologie, dass der<br />

Mensch Geschichte habe, weil er Mensch <strong>ist</strong>. Aber „Geschichte“ wäre dann keine<br />

singulär menschliche Angelegenheit.<br />

Ungeachtet der Probleme, in <strong>die</strong> sie uns führt, <strong>ist</strong> Godeliers Setzung bei Umwelth<strong>ist</strong>orikern<br />

ziemlich beliebt, vermutlich wegen ihrer scheinbaren Griffigkeit.<br />

Godelier geht fraglos vom Menschen als dem Homo-sapiens-Tier und von einer<br />

dinghaften Natur aus. Es bleibt aber offen, welche menschlichen Aktivitäten beweisgebend<br />

für ein verändertes Verhältnis <strong>zur</strong> Natur sind, zumal sich Godelier<br />

eigentlich nur für <strong>die</strong> sozialen Strukturen interessiert. Für <strong>die</strong> me<strong>ist</strong>en menschlichen<br />

Aktivitäten mit Bezug auf <strong>die</strong>se Natur finden sich Parallelen in der Tierwelt,<br />

<strong>die</strong> irgendein animalischer Spezial<strong>ist</strong> zum Vorteil seiner Spezies umgesetzt hat und<br />

<strong>die</strong> für <strong>die</strong>se konstitutiv wurden. Aber erst mit dem <strong>Acker</strong>bau und mit den technischen<br />

Transformationsprozessen, <strong>die</strong> <strong>zur</strong> Schaffung von Materialien führen, <strong>die</strong> als<br />

solche in der Natur nicht vorkommen, wird ein geändertes Verhältnis des Menschen<br />

<strong>zur</strong> Natur sicher beweisbar. Würde damit <strong>die</strong> menschliche Geschichte erst<br />

vor 10.000 Jahren beginnen? 419 Eine Bestattung aber, <strong>die</strong> ganz sicher mit der Ex<strong>ist</strong>enz<br />

von Überzeugungssystemen zusammen hängt, <strong>ist</strong> denkbar ohne <strong>die</strong> Godeliersche<br />

Verhältnisänderung, obwohl gerade <strong>die</strong> Einführung von Bestattungen Ausdruck<br />

eines Geschichtsbewusstseins <strong>ist</strong>. Möglich, dass <strong>die</strong> paläolithische Kunst<br />

bereits Hinweis auf ein geändertes Naturverhältnis gibt. Sie <strong>ist</strong> datierbar, hingegen<br />

nicht <strong>die</strong> ihr vorgeordnete Denkle<strong>ist</strong>ung, <strong>die</strong> auch an anderer Stelle ein Problem<br />

aufwirft, wenn man z.B. Fernwaffen als Ausgang eines geänderten Naturverhältnisses<br />

annimmt. Steine und Grasbüschel werden zwar auch von Schimpansen (ge-<br />

419 Versuche, den Geschichtsbeginn früher anzusetzen, indem etwa über den Werkzeuggebrauch<br />

argumentiert wird, tragen nicht sehr weit, weil es hierfür viele Beispiele auch im Tierreich gibt. Hilfreicher<br />

wäre da schon der Feuergebrauch. Nur: wie will man Feuergebrauch als Beweis für ein verändertes<br />

Naturverhältnis verwenden, wenn er auch als opportun<strong>ist</strong>ische In<strong>die</strong>nststellung des Feuers<br />

verstanden werden kann, ähnlich der kulturell erworbenen Sitte bei Japan-Makaken, <strong>die</strong> Süßkartoffeln<br />

zu waschen oder im Winter in heißen Quellen zu baden. Wenn <strong>die</strong>ses Verhalten der Makaken<br />

nicht als opportun<strong>ist</strong>ische Nutzung eingeordnet würde: Hätten <strong>die</strong> Makaken damit im Godelierschen<br />

Verständnis für sich den Bereich einer Geschichte nach Art des Menschen erreicht? Schließlich: Die<br />

Beispiele paläolithischer Kunst sind unmittelbar auch nicht geeignet, ein neues Naturverhältnis zu<br />

beweisen.<br />

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