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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Empirische Zugänge (2008)<br />

o Gewinnung von <strong>Acker</strong>land<br />

o Peuplierung (Ansiedlung von Kolon<strong>ist</strong>en mit dem<br />

Ziel der Bevölkerungsvermehrung)<br />

o Hochwasserschutz<br />

o Verbesserung der Schiffbarkeit der Oder<br />

Zur Erlangung <strong>die</strong>ser Ziele waren tief greifende Veränderungen der Landschaft<br />

erforderlich. Mit <strong>die</strong>ser Drainage verbunden waren nicht nur Verluste aquatischer<br />

Lebensräume und der Bruchlandschaft. Auch <strong>die</strong> vieljährigen Erhöhungen des<br />

Schwebstoffanteils in den Vorflutern bzw. der Oder infolge der intensivierten<br />

landwirtschaftlichen Nutzung werden den Fischbestand beeinträchtigt haben. Die<br />

Drainage führte zum Verlust von Rastplätzen für Zugvögel, zu Bestandsänderungen<br />

der Vegetation und schließlich <strong>zur</strong> Anlage von <strong>Acker</strong>flächen. Der Rückgang<br />

der ehemals „riesigen Mückenschwärme“, von den Menschen sicherlich sehr begrüßt,<br />

kann ebenfalls nicht ohne Folgen entlang der Nahrungskette und für <strong>die</strong><br />

Parasitenepidemiologie geblieben sein (zu Details siehe Herrmann und Kaup<br />

1997).<br />

Bedenken gegen <strong>die</strong> Meliorationsmaßnahme ex<strong>ist</strong>ierten durchaus. Sie wurden<br />

von den Fischern der betroffenen Ge<strong>mein</strong>den vorgetragen, <strong>die</strong> gegen den drohenden<br />

Verlust ihrer Fischernte argumentierten, in dessen Folge sie in wirtschaftliche<br />

Not geraten und als Steuerzahler ausfallen würden. Das obrigkeitliche Augenmerk<br />

war dagegen auf <strong>die</strong> fruchtbaren Böden der Flussaue gerichtet. Tatsächlich findet<br />

sich hier, in dem ansonsten für Agrarproduktion nicht besonders begünstigten<br />

Raum der Mark Brandenburg, heute deren höchste Bodenfruchtbarkeit. Das Argument<br />

der Fischer scheint ein ökonomisches zu sein, nicht einmal entfernt berührt<br />

von naturkonservierenden Überlegungen. Der König bagatellisiert den Einwand<br />

mit dem Hinweis auf künftig höheren Gewinn aus Bodenbewirtschaftung.<br />

Aber das Leitbild der Fischer <strong>ist</strong> nur vordergründig ökonomisch. Sie wirtschafteten<br />

in und mit einer naturräumlichen Gegebenheit, deren Übernutzung durch<br />

Innungswesen und Maschenweiten der Garnzüge vorzubeugen gesucht wurde. Sie<br />

wirtschafteten in einer bescheidenen Marktwirtschaft, in der im Wesentlichen<br />

Ökonomie und Ökologie zusammenfallen. Nicht zuletzt der Blick auf <strong>die</strong> zeitgenössischen<br />

Beschreibungen ihrer Lebensumstände zeigt, dass sie trotz gewisser<br />

technischer Hilfsmittel praktisch in der Wirtschaftsform von Jäger-Sammlern lebten.<br />

Wer sich unter <strong>die</strong>sem Blickwinkel gegen <strong>die</strong> Änderung der ökonomischen<br />

Basis ausspricht, bezieht gleichzeitig eine eindeutig konservative Position bezüglich<br />

der physischen Natur, weil er seine Ex<strong>ist</strong>enz einer aneignenden Form der Subs<strong>ist</strong>enzwirtschaft<br />

verdankt. Bei Lichte besehen konfligieren in <strong>die</strong>sem Beispiel zwei<br />

Naturkonzepte, <strong>die</strong> grundsätzlich darin übereinstimmen, dass <strong>die</strong> Beschaffenheit<br />

der physischen Natur durch das spezifische Nutzungsinteresse der Appropriateure<br />

bestimmt wird, <strong>die</strong> sich nur eben nicht über deren Nutzungsart verständigen können.<br />

Hüten muss man sich, an <strong>die</strong>ser Stelle <strong>die</strong> Gewinn-Verlust-Rechnung für eine<br />

Landschaft vor dem Hintergrund der seitdem verstrichenen 250 Jahre aufzuma-<br />

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