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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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302<br />

des Wachstumsfaktors vor, dann würden seine Erhöhung von 1,0 auf 1,1 <strong>die</strong> Absenkung<br />

der Verdoppelungszeit von 70 Jahren auf 63 Jahre bedeuten, bzw. eine<br />

Erhöhung von 0,8 auf 0,9 von 86 Jahren auf 77 Jahre, also eine Absenkung der<br />

Verdoppelungszeit um fast 10 Jahre. 522 Aus <strong>die</strong>ser Perspektive erhält <strong>die</strong> Hypothese<br />

der fruchtbakeitssteigernden Wirkung der Kartoffel nachhaltige Unterstützung.<br />

Sie hätte darin bestanden, dass von der pharmakologisch unbedenklichen Kartoffel<br />

keine Wirksamkeit für <strong>die</strong> Fertilität ausging und <strong>die</strong>se daher auf ihren „natürlichen“<br />

Wert ansteigen konnte, nachdem sie durch Nahrungsbegleitstoffe der reinen Getreidekost<br />

in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten „gedämpft“ wurde. Zwar<br />

werden zumindest bei einigen Getreidezubereitungen (etwa beim Brotbacken)<br />

manche pharmakologisch wirksamen Substanzen thermisch zerstört. In Fallstu<strong>die</strong>n<br />

an Dorfbevölkerungen des südwestdeutschen Raums in den 1770er Jahren konnte<br />

von Gundlach jedoch zeigen, dass eine Kartoffel- oder Maisdiät <strong>die</strong> Fertilität gegenüber<br />

einer auf Bre<strong>ist</strong>andard festgelegten Bevölkerung steigert. Die Fertilität<br />

sank infolge einer Kartoffelkrise 1780 in den auf Mais- und Kartoffeln ausgerichteten<br />

Dörfern auf das Niveau des Bre<strong>ist</strong>andards. 523 Die Hypothese von Gundlachs<br />

erhält zusätzliche, wenn auch indirekte, Unterstützung durch Überlegungen, <strong>die</strong><br />

Matossian (1989, und ohne Bezug auf von Gundlach) veröffentlichte.<br />

1.4 Von Europa in <strong>die</strong> Welt: Nicht nur Löwenzahn und Wiesenrispe<br />

Früh schon haben <strong>die</strong> Bewohner Europas davon profitiert, dass sie zu ihrem Nutzen<br />

Pflanzen einführten, <strong>die</strong> außerhalb ihres Kontinents heimisch waren. Erinnert<br />

sei an das Getreide im Neolithikum, später <strong>die</strong> Obstkultur, <strong>die</strong> ursprünglich aus der<br />

Kaukasus-Region stammt, an Gemüse- und Gewürzpflanzen während des Mittelalters<br />

aus Wildformen und Kultivaren des Mittelmeer-Raums.<br />

Nach 1492 beginnt eine Prüfung ungeheuren Ausmaßes von Pflanzen (und<br />

Tieren) in den von den Europäern entdeckten Gebieten, um Nutzungsmöglichkeiten<br />

abzuschätzen. 524 So kommen nicht nur Tabak, Tomate und Kartoffeln nach<br />

Europa, sondern auch zahlreiche Blumen in den Garten. Umgekehrt nehmen europäische<br />

Siedler vertraute Pflanzen mit in <strong>die</strong> neuen überseeischen Gebiete. Es<br />

sind aber <strong>die</strong> Unkräuter, <strong>die</strong> einen heimlichen Siegeszug um <strong>die</strong> Erde antreten, wie<br />

etwa der Löwenzahn. 525 Er <strong>ist</strong> ein Modellorganismus für das Schlagwort vom<br />

„ökologischen Imperialismus“ (Crosby), mit dem Europäer <strong>die</strong> Welt überziehen. 526<br />

522 Als Faustformel gilt: 70 geteilt durch Prozentzahl des jährlichen Wachstums gleich Verdoppelungszeit<br />

für <strong>die</strong> Gesamtbevölkerung.<br />

523 von Gundlach, S. 150<br />

524 Diese Prüfung endet mit der opportun<strong>ist</strong>ischen Nutzung von Tieren und Pflanzen ferner Regionen<br />

in dem mehrhundertjährigen größten „Freisetzungsexperiment“ aller Zeiten seit 1492.<br />

525 Ähnlich „erfolgreich“ wie Löwenzahn war, zumindest in Nordamerika, <strong>die</strong> Wiesenrispe („Kentucky<br />

Blue Grass“). Hierzu Herrmann 2008, S. 179.<br />

526 Zur Frage des Zustandes der Biodiversität etwa in beiden Amerika vor der Zeit des europäischen<br />

Kontakts <strong>ist</strong> der Forschungsstand seit Crosby (1986) erheblich angewachsen. Neuere Übersichten bei<br />

Butzer und bei Mann, S. 312ff

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