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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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weis, dass er schon vor über 20 Jahren einen auf Dauer wirksamen Bekämpfungsvorschlag<br />

gemacht habe, den man seitdem nicht recht beherzigt hätte. Die Schrift<br />

hatte, vor ihrer endlichen Veröffentlichung, bereits 1750 der Königl. Akademie<br />

vorgelegen. Herr Gleditsch würde sich vermutlich wundern, dass Expertenrat bis<br />

auf den heutigen Tag nur langsam umgesetzt wird.<br />

Die Frage, um wie viel höher seinerzeit <strong>die</strong> Schäden ausgefallen wären, wenn<br />

man nicht einmal in dem tatsächlichen Umfange gehandelt hätte, erübrigt sich als<br />

kontrafaktisch. Gleichwohl wäre ihre Beantwortung <strong>die</strong> Nagelprobe.<br />

Ob <strong>die</strong>s nun insgesamt eine Fortschritts- oder Verlustgeschichte <strong>ist</strong>, entscheiden<br />

Bewertungsmaßstäbe in den jeweiligen Diskursen:<br />

Kein aufgeklärter Mitteleuropäer wird heute <strong>die</strong>se Frage in straftheologischer Hinsicht<br />

diskutieren wollen. Krünitz war aufgeklärter Autor genug, dennoch „gedenkt<br />

er des Themas auch als Chr<strong>ist</strong>“ und kam dabei zu der Einsicht, dass <strong>die</strong> Heuschrecken<br />

in <strong>die</strong>ser Logik durchaus eine pädagogische Mission erfüllt hätten. 718 Wer auf<br />

<strong>die</strong>ser Ebene weiterdenken möchte, landet angesichts fehlender Heuschrecken<br />

notwendig bei der Einsicht, dass es heute weniger zu Ermahnen, weniger zu Strafen<br />

gäbe. Hier lässt sich <strong>die</strong> Gewinn-Verlust-Rechnung nicht weiterführen, ohne<br />

den Raum der rational-logisch begründbaren Empirie zu verlassen (abgesehen<br />

davon, dass man eigentlich ein von Heuschrecken überquellendes Europa erwarten<br />

würde). Erreicht <strong>ist</strong> vielmehr <strong>die</strong> Ebene der Gottesbeweise, 719 <strong>die</strong> Ebene des Glaubens,<br />

nicht <strong>die</strong>jenige der Wissenschaft.<br />

Nachweise der Europäischen Wanderheuschrecke in Deutschland sind aus den<br />

letzten Jahrzehnten kaum noch bekannt, 720 wohl vor allem auch deshalb, weil ein<br />

kontinuierlicher Brutbestand letztlich auf permanenten Zuzug aus den primären<br />

Brutgebieten angewiesen wäre. Brandenburg hat Locusta migratoria in seiner Roten<br />

L<strong>ist</strong>e der Heuschrecken <strong>zur</strong> Zeit nicht eingeordnet, in Berlin gilt sie als „nicht etabliert<br />

bzw. nicht im Freiland etabliert“, in Mecklenburg-Vorpommern gab es in den<br />

vergangenen Jahrzehnten nur Einzelnachweise, in Sachsen-Anhalt wurde sie in<br />

<strong>die</strong> Rote L<strong>ist</strong>e nicht aufgenommen, weil sie nicht (mehr) als Brutbestand gilt, in<br />

Baden-Württemberg (ehem. sekundäres Brutgebiet) ex<strong>ist</strong>iert keine für <strong>die</strong> Einordnung<br />

brauchbare Datenlage, Bayern führt sie als „verschollen bzw. ausgestorben“.<br />

Dieselbe Bewertung vertritt <strong>zur</strong> Zeit auch der NABU, offenbar für Gesamtdeutschland.<br />

Wer hingegen anstelle der Biodiversitätsaspekte seine Betrachtung auf <strong>die</strong> ökonomische<br />

Inwertsetzung der Natur, <strong>die</strong> Steigerung und <strong>die</strong> Sicherung der Agrarproduktion<br />

legt, wird <strong>die</strong> Wanderheuschrecke nicht vermissen: „damit hätte dann<br />

<strong>die</strong> Menschheit in harter jahrhundertelanger Arbeit einen ihrer gefährlichsten Fein-<br />

718 Krünitz, Lemma „Heuschrecke“, S. 482 ff.<br />

719 mit Blick auf den Katastrophendiskurs ergiebig <strong>ist</strong> Schmidt 1999, S. 43 ff. („Wolken krachen,<br />

Berge zittern, und <strong>die</strong> ganze Erde weint…“ Zur kulturellen Vermittlung von Naturkatastrophen in<br />

Deutschland 1755 bis 1855, Waxmann: Münster u. a.).<br />

720 http://www.dgfo-articulata.de/de/Arten/Locusta_migratoria.php (26.5.2009)

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