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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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262<br />

gestellt. 411 Die inhaltliche Nähe <strong>die</strong>ser Definition <strong>zur</strong> cartesisch-kantischen Unterscheidung<br />

zwischen behavior<strong>ist</strong>ischen Automaten (Tieren) und willensfreien Wesen<br />

(Menschen) <strong>ist</strong> unübersehbar, war aber überhaupt nicht von Uexkülls Thema,<br />

als er seine Theorie formulierte. 412 Außerdem ergibt sich, unter Vernachlässigung<br />

der von Nagel geäußerten Bedenken, nicht nur Anschluss an <strong>die</strong> weiter unten kritisierte<br />

Position von Maurice Godelier. Die hier erwähnte Meinung Haidles führt<br />

schließlich auch zu der kritisch zu bewertenden Opposition „Mensch und Umwelt“,<br />

<strong>die</strong> ich als ein folgenschweres Kategorienproblem begreife, der sich ein Teil<br />

des heutigen Umweltdilemmas überhaupt verdankt. 413<br />

Wer sich auf von Uexkülls Umweltbegriff (auch engl. „umwelt“) beruft, bezieht<br />

sich heute auf eine psychische Umwelt bzw. <strong>die</strong> „Eigenwelt“ eines Tieres, <strong>die</strong> aus<br />

Funktionskreisen besteht, welche sich aus der „Merkwelt“ und der „Wirkwelt“ des<br />

Tieres ergeben (Abb.1).<br />

1.2 <strong>Umweltgeschichte</strong><br />

Erprobte man nun den Begriff der „<strong>Umweltgeschichte</strong>“ vor <strong>die</strong>sem vielschichtigen<br />

Hintergrund, der hier nur sehr kursorisch skizziert <strong>ist</strong>, müsste man <strong>die</strong> zunächst<br />

individual<strong>ist</strong>isch zu denkenden Umwelten einzelner Menschen zu einer ge<strong>mein</strong>samen<br />

Geschichte verbinden und würde schließlich, über jeweils zusammenführende<br />

Ebenen von Klassen, Gesellschaften, Kulturen, dem naturalen Tableau usw., bei<br />

einem <strong>die</strong> gesamte Menschheit und <strong>die</strong> physischen Zustände einschließenden Umweltgeschichtsbegriff<br />

enden. Es <strong>ist</strong> offensichtlich, dass <strong>die</strong>s ein Synonymbegriff für<br />

eine „h<strong>ist</strong>oire totale“ wäre. Nur einmal, soweit ich das sehe, <strong>ist</strong> <strong>die</strong> Geschichtstheorie<br />

explizit 414 in <strong>die</strong> Nähe <strong>die</strong>ser Auffassung gekommen, und zwar durch Bündelung<br />

411 Diese Position entspricht der Setzung von F.L.Ward (1903) aus soziologischer Perspektive, auf <strong>die</strong><br />

in Fußnote 27 näher eingegangen wird.<br />

412 Die Übertragung auf menschliche Zusammenhänge erfolgt erst in „Streifzüge durch <strong>die</strong> Umwelten<br />

von Tieren und Menschen“ (1956 [1934], Kap. 13). – Nicht erst an <strong>die</strong>ser Stelle wird deutlich, dass<br />

<strong>die</strong> in Teilen der praktizierten <strong>Umweltgeschichte</strong> behauptete anthropologische Dimension bisher<br />

tatsächlich wenig von den Vorarbeiten der philosophischen Anthropologie profitiert hat.<br />

413 Ansätze hierzu in Hermann 2008; sonst in Vorbereitung. Aus <strong>mein</strong>er Sicht sind „Mensch und<br />

Umwelt“ ebenso wenig äquivalente Kategorien wie „Körper und Ge<strong>ist</strong>“. Dieser „Descartsche Mythos“<br />

war durch Ryle [1969] dekonstruiert worden. Es scheint so, als würde der von Ryle identifizierte<br />

Fehler einer inkompatiblen ontologischen Kategorienbildung in den Umweltdiskursen mit dem<br />

Begriffspaar „Mensch und Umwelt“ wiederholt. Eine Position, <strong>die</strong> den Menschen neben der „Umwelt“<br />

oder ihr gegenüber sieht, spricht nicht von „Umwelt“ sondern von „Umgebung“ und hat das<br />

Selbstverständnis von der menschlichen Sonderrolle auf der Erde noch nicht verlassen. „Umwelt“<br />

(eigentlich „Umgebung“) und „Mensch“ sind dabei voneinander geschieden. Zahlreiche Missverständnisse<br />

resultieren aus der Tatsache, dass das Begriffspaar „Mensch und Umwelt“ häufiger nicht in<br />

einem ontologischen, sondern in einem analytischen Verständnis verwendet wird, ohne dass <strong>die</strong><br />

Autoren <strong>die</strong>s besonders vermerken würden, allerme<strong>ist</strong> scheint es ihnen sogar zu entgehen.<br />

414 Ich beziehe mich hier ausschließlich auf explizit geäußerte geschichtstheoretische Positionen. Ich<br />

übersehe nicht, dass in den großen Darstellungen <strong>zur</strong> Weltumweltgeschichte, etwa von Diamond,<br />

McNeill und Radkau, implizite theoretische Konzepte enthalten sind. Mir erscheint fraglich, ob <strong>die</strong><br />

Autoren ihre Beiträge primär als dezi<strong>die</strong>rte geschichtstheoretische Erweiterung oder Präzisierung<br />

aufgefasst wissen wollen. Deshalb werden sie hier in <strong>die</strong>sem Sinne auch nicht weiter diskutiert.

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