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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Kartoffel, Tod und Teufel (2009)<br />

te jedoch 1922 in der dortigen Region zu seiner dauerhaften Etablierung. Von hier<br />

breitete er sich über <strong>die</strong> Kartoffelanbaugebiete der alten Welt aus. 579<br />

Wie im Vorfelde der 1877er Infektion wurde nach dem ersten Auftreten des Colorado-Käfers<br />

bei Bordeaux in Deutschland 1923 ein Einfuhrverbot für Kartoffeln<br />

aus dem betroffenen Land (Frankreich) erlassen, ab 1932 wurde das Verbot inhaltlich<br />

erweitert. 580 Der Schädling hatte in Frankreich 2-3 Generationen im Jahr<br />

und konnte sein Verbreitungsgebiet bis zu 150 km im Jahr nach Osten ausdehnen<br />

– Befunde, <strong>die</strong> sich mit den früheren Beobachtungen in den USA deckten. Ebenso<br />

wie dort wurden auch in Frankreich ungerichtete Massenflüge der Käfer von Mai<br />

bis in den Herbst beobachtet. Bereits 1924 waren in Deutschland Vorsorgepläne<br />

für <strong>die</strong> Abwehr der Käfer erstellt worden und <strong>die</strong> Zuständigkeit hierfür der Biologischen<br />

Reichsanstalt übertragen worden. Mit Aufrufen zu höchster Alarmbereitschaft<br />

und verstärkter Aufklärung wurde 1935 darauf reagiert, dass der Käfer nun<br />

fast an der deutschen Westgrenze stand. Der „Reichsnährstand“ richtete auf Vorschlag<br />

der Biologischen Reichsanstalt einen „Kartoffelkäfer-Abwehr<strong>die</strong>nst“ ein, in<br />

jeder Ortschaft <strong>die</strong>nte ein „Vertrauensmann“ als Verbindung zwischen Abwehr<strong>die</strong>nst<br />

und Bevölkerung. Mittlerweile waren auch <strong>die</strong> größeren Schülerinnen und<br />

Schüler zu den Überwachungsmaßnahmen hinzugezogen. Aufklärungsmaterial<br />

wurde weit verbreitet, Kartoffelkäfer-Schaukästen nach der Idee der Gebr. Stollwerck<br />

klärten <strong>die</strong> Bevölkerung auf und Anreize spornten an. Jeder, der auf einem<br />

Feld den ersten Kartoffelkäfer (bzw. Eigelege oder Larve) fand, erhielt eine „Kartoffelkäfer-Ehrennadel“,<br />

für weitere Funde auf gleicher Fläche gab es eine „einfache<br />

Kartoffelkäfer-Anstecknadel“.<br />

3.4 Die Erfolglosigkeit der Abwehr<br />

Der Kartoffelkäfer-Abwehr<strong>die</strong>nst hat mit großem Aufklärungsaufwand und der<br />

Einbindung weiter Bevölkerungsteile für einen hohen und anhaltenden Bekanntheitsgrad<br />

des Schädlings und eines Bewusstseins seiner wirtschaftlich nachteiligen<br />

Folgen gesorgt. Aufkleber, Plakate, Stundenplanformulare mit Kartoffelkäfern und<br />

Ehrennadeln gehörten in <strong>die</strong>se Kampagnen ebenso, wie eine „Kartoffelkäfer-<br />

Fibel“. Diese informierte mit Farbzeichnungen und einfachen Reimen über den<br />

Schädling, seine wirtschaftliche Bedeutung und seine Bekämpfung.<br />

Dem hohen Bekanntheitsgrad des Schädlings, der straffen Organisationsform des<br />

Abwehr<strong>die</strong>nstes und seiner Helfer war zu verdanken, dass der Käfer bis 1939 nur<br />

den deutschen Südwesten besiedeln konnte. Schließlich gelang es 1943 sogar, ihn<br />

hinter <strong>die</strong> Linie seiner östlichen Ausbreitung von 1939 <strong>zur</strong>ückzudrängen (Abb. 8).<br />

579 Zur Neozoen-Thematik, auch des Kartoffelkäfers, siehe Geiter et al.<br />

580 Die folgenden Ausführungen profitieren, teilweise bis in <strong>die</strong> Formulierungen hinein, von der<br />

Darstellung Langenbruchs.<br />

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