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"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

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Kartoffel, Tod und Teufel (2009)<br />

sich nicht. Mit dem Aufdecken seines ehedem endemischen Vorkommens wurde<br />

auch ganz offensichtlich, dass sich seine Massenvermehrung Gründen verdankte,<br />

<strong>die</strong> man heute als „ökologisch“ und als „fehlerhafte Nebenfolge“ der Landwirtschaft<br />

bezeichnen würde. Der Käfer wird auch nicht in metatheoretische geopolitische<br />

oder straftheologische Konzepte eingebunden. Seit seinem Auftreten in Europa<br />

hat sich an der Bewertung des Käfers nichts geändert, geändert haben sich<br />

Techniken seiner Bekämpfung.<br />

Dass <strong>die</strong> Bewertung der Kartoffelfäule vor allem in dem Teil der Irischen Bevölkerung<br />

eine straftheologische Konnotation erhielt, der sich nach religiösen, vorzugsweise<br />

katholischen Moralvorstellungen zu richten hatte, versteht sich von selbst. 603<br />

Die Rezeptionsgeschichte der Krautfäule in Deutschland scheint bislang praktisch<br />

ohne Niederschlag in der einschlägigen h<strong>ist</strong>orischen Literatur zu sein. Krus hat in<br />

seiner Lokalstu<strong>die</strong> für Ostwestfalen-Lippe, <strong>die</strong> vor allem obrigkeitliche Reaktionen<br />

thematisiert, auch einige Stimmen gesammelt, 604 <strong>die</strong> sich an zeitgenössisch übliche,<br />

vortheoretische Erklärungsmuster halten, wobei allerdings keine Letztursachen<br />

genannt sind. 605 Ursache <strong>ist</strong> entweder eine Art Tau, ein mit der Luft transportierter<br />

Schadstoff, es <strong>ist</strong> ein Schwamm oder Schimmel, 606 es sind Witterungsbedingungen<br />

oder es sind kleine Tiere, vorzugsweise Insekten, <strong>die</strong> den Pflanzen so zusetzen.<br />

Krus führt ein Zeitzeugnis des später und bis heute bekannten Anatomen H.W.<br />

von Waldeyer-Hartz (1836-1921) über das Auftreten der Kartoffelfäule auf dem<br />

vom Vater verwalteten Gut an, das aufschlussreich <strong>ist</strong>: „Kartoffeln wurden reichlich<br />

angebaut, deren Haupternte in den Monat Oktober fiel. Lebhaft <strong>ist</strong> mir in Erinnerung geblieben<br />

das Jahr, in welchem <strong>die</strong> sogenannte Kartoffelkrankheit zuerst auftrat. Es war ein trauriger<br />

603 Bourke<br />

604 Krus S. 104ff. Ich profitiere mit <strong>die</strong>ser wie der nächstgenannten Literaturstelle Schaier von einem<br />

Vortrag <strong>mein</strong>es Kollegen Arnd Reitemeier vor dem Göttinger Arbeitskreis <strong>Umweltgeschichte</strong> am<br />

8.7.09. Die Arbeit von Schaier wendet sich ausschließlich dem Verwaltungshandeln im badischen<br />

Odenwald während der Hungersnot 1846/47 zu. Obwohl der Hunger ganz wesentlich durch Ausfälle<br />

der örtlichen wie überregionalen Kartoffelernte verursacht wurde, kümmert sich Schaier allerdings<br />

nicht weiter um deren organische Ursache. In einer kurzen Fußnote über <strong>die</strong> Natur der Infektion<br />

(Nr. 15, S. 72)offenbart er gravierende Verständnisprobleme. Er behauptet, es gäbe <strong>die</strong> virusbedingte<br />

„Kartoffelkrankheit“ und <strong>die</strong> pilzbedingte „Kraut- und Knollenfäule“. Tatsachlich gibt es nicht eine,<br />

sondern mehrere virusbedingte Kartoffelkrankheiten. Schaier benutzt dann <strong>die</strong> Formulierung „Kartoffelkrankheit“<br />

praktisch durchgängig im Text, und zwar irritierender Weise offenbar auch als Synonym<br />

für <strong>die</strong> Krautsfäule. Da seine Abgrenzungsle<strong>ist</strong>ung unzulänglich <strong>ist</strong>, bleibt unklar, ob und wann<br />

er über <strong>die</strong> Kraut- und Braunfäule spricht, <strong>die</strong> hier interessiert. Schaiers Arbeit, so ver<strong>die</strong>nstvolle<br />

Einblicke sie in admin<strong>ist</strong>ratives Handeln bieten mag, <strong>ist</strong> daher für <strong>die</strong> konkrete Erörterung der Folgen<br />

der Kraut- und Braunfäule unbrauchbar. – Man kann sich allerdings auch auf den Standpunkt stellen,<br />

dass sich admin<strong>ist</strong>ratives Handeln nicht weiter um <strong>die</strong> organischen Ursachen kümmern müsse. Eine<br />

solche Bewertung wäre nicht nur ein admin<strong>ist</strong>rativer Fehler mit fatalen Folgen (weil ein Seuchengeschehen<br />

immer <strong>die</strong> Ursache berücksichtigen muß), es wäre auch ein Fehler bei der h<strong>ist</strong>orischen Bewertung<br />

des Ereignisses.<br />

605 Weitergehende Ursachen als <strong>die</strong> nachfolgend genannten materiellen führt Krus nicht auf, insbesondere<br />

werden straftheologische Letztursachen nicht erwähnt.<br />

606 Die zeitgenössische wissenschaftliche Literatur beschreibt Schimmelpilzrasen als „Schwammgespinste“<br />

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