06.01.2013 Aufrufe

"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

"...mein Acker ist die Zeit", Aufsätze zur Umweltgeschichte - Oapen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Empirische Zugänge (2008)<br />

über hinaus sind sie miteinander in ihrer Wirkung auf <strong>die</strong> Biodiversität 364 verbunden.<br />

Änderungen der Biodiversität stellen für <strong>die</strong> umwelth<strong>ist</strong>orische Forschung<br />

insofern ein ziemliches Problem dar, weil hinreichende Angaben über Arten- und<br />

Individuenabundanzen und über Biotopänderungen zu den jeweils interessierenden<br />

h<strong>ist</strong>orischen Zeitfenstern weitestgehend fehlen. Das Biodiversitätsspektrum <strong>ist</strong><br />

quellenmäßig nur indirekt und in seiner zeitlichen Tiefe damit besonders schwer<br />

zugänglich. Analysen von Meliorationsvorhaben und von Schädlingsbekämpfungen<br />

können daher hilfreiche Einblicke in h<strong>ist</strong>orische Biodiversitätszustände geben.<br />

1 „Biodiversitätsverdrängung“ und „Biodiversitätslenkung“<br />

als h<strong>ist</strong>orische Bedingungen und Folgen<br />

Mit „Biodiversitätsverdrängung“ <strong>ist</strong> eine Folge menschlicher Wirtschaftsweise<br />

bezeichnet, bei der es durch bloßen Aufenthalt von Menschen bzw. eine präferentielle<br />

Nutzung von Tieren oder Pflanzen in einem Lebensraum zu einer Bestandsverminderung<br />

bzw. zu einer Änderung des Landschaftsbildes kommt, ohne dass<br />

<strong>die</strong> Menschen <strong>die</strong>sen Zustand herbeizuführen beabsichtigt hätten. 365 Wer Kühe in<br />

<strong>die</strong> Flussaue stellt, bringt z.B. zwangsläufig eine Parklandschaft hervor, ohne sie<br />

planen zu müssen. Die Veränderung der Landschaft führte in Mitteleuropa zu<br />

364 Über den problematischen Inhalt des Biodiversitätsbegriffs habe ich mich an anderer Stelle geäußert<br />

(Herrmann, 2006a) Ich verwende ihn aus dort ausgeführten Begründungen innerhalb des Aufsatzes<br />

hier ausschließlich in der Bedeutung von „Artenvielfalt und Vielfalt der Lebensräume“<br />

365 Würde der Mensch ein Leben führen, wie es <strong>die</strong> anderen Tiere tun, so würde er nur abernten,<br />

was der Lebensraum <strong>zur</strong> Verfügung stellt. Es käme zu keiner (wirklich spürbaren) Änderung des<br />

Lebensraumes, weil letztlich kein Verbrauch vorläge. Erst <strong>die</strong> menschliche Maßlosigkeit, sein unstillbares<br />

„desire for gain“ (Hume) führe in <strong>die</strong> heutige Umweltproblematik, <strong>die</strong> gekennzeichnet sei von<br />

einer Zerstörung der Umwelt.<br />

Dies <strong>ist</strong> <strong>die</strong> häufig eingenommene Grundthese <strong>zur</strong> Ableitung von Einschränkungs- oder Bescheidungspostulaten,<br />

<strong>die</strong> selbst als pragmatische Setzungen ziemlich problematisch sind. Denn auch so<br />

unscheinbare Tierchen wie z.B. <strong>die</strong> Korallen oder Schwämme oder zarte Pflanzen wie <strong>die</strong> Gräser<br />

haben es am Ende geschafft, das Erdantlitz wirkmächtig zu prägen. Man kann auch sagen, vorherige<br />

Umwelten zu zerstören. Jede neue, numerisch erfolgreiche Organismengruppe hat bisher <strong>die</strong> Umwelt<br />

nachhaltig verändert, z.T. in erheblichem Maßstab, am tiefstgreifenden mit der Entstehung der<br />

Photosynthese und dadurch der Sauerstoffatmosphäre. Trotz <strong>die</strong>ser Beispiele vor Augen, wird mit<br />

dem Finger immer nur auf den Menschen gezeigt und ihm seine Umweltwirkung moralisch vorgehalten.<br />

Keinem Menschen, der bei Sinnen <strong>ist</strong>, würde es einfallen, den Korallen, den Schwämmen, den<br />

Gräsern oder den Chloroplasten eine Moralpredigt halten zu wollen. Aber, <strong>die</strong>ses Argument soll hier<br />

nicht weiter verfolgt werden. Es soll nur festgehalten sein, dass Menschen auch Lebensansprüche<br />

anmelden dürfen und selbst so etwas Künstliches wie Städte zum natürlichen Realisierungspotential<br />

menschlicher Lebensweise gehören, mithin seine Natur sind. Das offenbar spezifisch Menschliche,<br />

das Umweltzerstörungspotential, kann in einer biologischen Argumentationskette äußerstenfalls als<br />

Ausdruck einer teleonomisch untauglichen Spezies gewertet werden, und auch nur, wenn als Tauglichkeitskriterium<br />

Langlebigkeit einer Art gilt. Bisher sind aber noch immer alle Arten nach einer<br />

bestimmten Zeit „ausgestorben“ oder sie mussten sich „anpassen“. Wenn „Natur[erhalt] als Kulturaufgabe“<br />

(Markl) gesehen wird, wird zu <strong>die</strong>sem Zweck vom Menschen unnatürliches Verhalten<br />

verlangt, es sei denn, alle kulturellen Phänomene werden nicht als emergente Eigenschaften, sondern<br />

als natürliche begriffen. Dies führt zu Aporien im Nachdenken über biologische vs. kulturwissenschaftliche<br />

Setzungen.<br />

235

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!