20.02.2015 Views

Studia SlavicaSavariensia 1999

Studia SlavicaSavariensia 1999

Studia SlavicaSavariensia 1999

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

KOZÁRI<br />

westliche Hälfte der Halbinsel zu erobern. In erster Linie beschäftigte sie der<br />

Plan, Bosnien und die Herzegowina zu besetzen.<br />

Hinsichtlich des Balkans folgte die Monarchie demnach zwei einander<br />

widersprechenden außenpolitischen Konzeptionen: einer konservativen, auf dem<br />

Prinzip der Solidarität beruhenden Status-quo-Politik und einer Politik der<br />

dynastischen Expansion. Die Krise im Osten zwang die Führer der<br />

österreichisch-ungarischen Diplomatie zur Entscheidung. Gyula Andrássy war –<br />

im Hinblick auf das oben Gesagte – ein Anhänger der Status-quo-Politik, der<br />

aber ab 1875 dazu überging, einige Elemente der dynastischen Expansionspolitik<br />

– konkret den Erwerb Bosniens und der Herzegowina – in die offiziellen<br />

außenpolitischen Pläne der Monarchie einzubauen. Der militärischen Partei<br />

gegenüber jedoch vertrat er die Ansicht, daß mit der Besetzung gewartet werden<br />

müsse, bis die internationalen Bedingungen für eine Expansion gegeben seien<br />

und die Monarchie eine internationale Berechtigung oder Rechtsgrundlage zur<br />

Besetzung habe, bzw. bis die unterschiedlichen politischen Kräfte innerhalb der<br />

Monarchie auch einer Eroberung zustimmten.<br />

Aber niemand außer Franz Joseph, der österreichischen militärischen<br />

Partei und Andrássy wollte in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie<br />

Bosnien und die Herzegowina. Kálmán Tisza vielleicht am allerwenigsten.<br />

Andrássy erwartete aber gerade von ihm Hilfe und Unterstützung in seiner<br />

Orientpolitik. Tisza befand sich nicht in der Lage, daß er ihm dies verweigern<br />

konnte, so geriet er zwischen zwei Mühlensteine. Auf der ungarischen<br />

Parlamentssitzung folgte eine Interpellation, den russisch-türkischen Krieg und<br />

die Balkan-Frage betreffend, der anderen. 1878, von Ende Januar bis zum<br />

Frühjahrsende interpellierten im Abgeordnetenhaus die Abgeordneten Miksa<br />

Ürményi, Lajos Csernátony, Ignác Helfy, Ernı Simonyi, Baron Béla Bánhidy<br />

und Dániel Irányi; der Abgeordnete Simonyi z.B. sogar viermal.<br />

Noch Ende Januar – als der Abschluß eines russisch-türkischen<br />

Waffenstillstandsvertrages jeden Tag zu erwarten war – bat Andrássy telegraphisch<br />

Kálmán Tisza, aus außenpolitischen Überlegungen eventuelle Interpellationen<br />

den russisch-türkischen Waffenstillstand betreffend zu umgehen,<br />

man sollte diese vertagen und den Zeitpunkt für ihre Beantwortung sollte die<br />

Regierung festlegen. Ähnlich sei auch die englische Regierung vorgegangen –<br />

schrieb Andrássy. Es sei nämlich nicht das Ziel der Österreichisch-Ungarischen<br />

Monarchie, die Unterzeichnung des Waffenstillstands zu verhindern, im<br />

Gegenteil man wolle Rußland „in flagranti” erwischen. Die Österreichisch-<br />

Ungarische Monarchie gehe davon aus, daß die Lösung der Balkan-Frage keine<br />

russich-türkische innenpolitische Angelegenheit sei, sondern europäische<br />

Interessen berühre, somit von allen die Pariser Verträge von 1856 unterzeichnenden<br />

Mächten gebilligt werden müsse. Andrássy bat Tisza von all dem<br />

niemandem zu berichten.<br />

163

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!