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Studia SlavicaSavariensia 1999

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KOZÁRI<br />

Die ungarische Presse verfolgte die Ereignisse auf dem Balkan mit<br />

Argusaugen. Das Organ der Regierung A Hon berichtete seit 1875 ständig von<br />

der orientalischen Frage. Zu der Zeit schrieb noch der Hauptredakteur, Mór<br />

Jókai, daß kein vernünftiger Diplomat weder in Österreich noch in Ungarn an<br />

eine energische Intervention, geschweige denn an eine Annexion denken dürfe.<br />

A Hon war nach dem Ausbruch des russisch-türkischen Krieges ebenfalls dagegen,<br />

daß die Österreichisch-Ungarische Monarchie militärisch auf der Seite der<br />

Türkei in die Kriegsauseinandersetzungen eingreift, aber das Blatt berichtete von<br />

türkenfreundlichen Kundgebungen, Volksversammlungen und Sammelaktionen.<br />

Dem Brief Kossuths, in dem er dringend zum Eingreifen aufforderte, leistete<br />

Jókai in eigener Person Widerstand. 1878 jedoch – als sich Tisza offiziell zum<br />

Vertreter der Politik Andrássys machte – änderte sich der Ton des Blattes. Es<br />

hatte die unpopuläre Aufgabe übernommen, die Unvermeidbarkeit der Okkupation<br />

Bosniens zu beteuern, indem die Möglichkeit und Notwendigkeit, daß die<br />

eigenen Truppen die benachbarten türkischen Provinzen besetzen, anerkannt<br />

wurde. Der Ton der Zeitungen war im allgemeinen türkenfreundlich und russenfeindlich.<br />

In dieser Hinsicht spiegelten sie ausgezeichnet die öffentliche Meinung,<br />

wie sie bereits oben dargestellt worden ist. Darunter gab es keine Ausnahme,<br />

nicht einmal die zu den Richtlinien der A Hon in krassem Gegensatz<br />

stehende Zeitung der Oppositionellen, Pesti Napló, das Sprachrohr der unzufriedenen<br />

Bürger, wie dies im bereits erwähnten Leitartikel der Neujahrsaugabe zum<br />

Ausdruck kam.<br />

Während Kálmán Tisza im Parlament die offizielle Balkan-Politik der<br />

Österreichisch-Ungarischen Monarchie verteidigte, kämpfte er zwischen Mai<br />

und Juni 1878 hinter den Kulissen mit Andrássy gegen eine Okkupation Bosniens<br />

und der Herzegowina, wodurch er den Außenminister gegen sich aufbrachte.<br />

Am 22. Mai widmete sich Tisza dieser Problematik in einem fünfseitigen,<br />

eng beschriebenen Brief. Daß er dies nicht das erste Mal versucht, geht schon<br />

daraus hervor, daß er seinen Brief mit der Bemerkung beginnt, daß seine Ansichten<br />

Bosnien betreffend seiner Exzellenz nicht unbekannt seien, ganz besonders<br />

seit dem letzten Gespräch der beiden – von dem aus dem Brief nicht zu<br />

ersehen ist, wann und wo es stattfand. So teilt er jetzt nur mit, daß er nach wie<br />

Ziel unserer Politik erklärt worden war (und von der Natur der Dinge her auch nicht<br />

hätte erklärt werden können), war kaum zu bezweifeln, daß es geplant wird. Die öffentliche<br />

Meinung in Ungarn nahm sozusagen eindeutig gegen die Okkupation Stellung. Das<br />

Dogma der Integrität des türkischen Reiches einerseits, die Verbindung eines neuen<br />

slawischen Volksstammes mit der Monarchie und die Gefahr der Erschütterung des<br />

Dualismus andererseits: dies waren die wichtigsten Motive der Mißbilligung, dazu kamen<br />

noch bei einigen auch finanzielle Bedenken.“<br />

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